Südwestafrika gerade in den Sommer (Regenperiode) fällt, hat wenig oder nichts für den Erfolg zu be- deuten, so sehr man auch in Algerlen während des Reifens der Früchte lang anhaltende Regen und trübe Witterung fürchtet; denn die Regenfälle in Südwest- afrika sind sehr schnell vorübergehend und drei Tage bedeckten Himmels, ohne daß die Sonne zum Vor- schein käme, eine große Seltenheit, insbesondere aber in dem Distrikt, den ich von jeher als den aussichts- reichsten für Dattelkultur angesehen habe, nämlich das Swakopbett von Otjikango (Barmen) abwärts bis etwa nach Salem. Indessen auch in Omaruru gedelht die Dattelpalme vorzüglich; ich sah dort im Missionsgarten mehrere Exemplare, deren eines gut vier Zentner Datteln trug (eine aus Samen gezogene Weilchdattelpalme), während ich in Biskra das Frucht- gewicht der besttragenden Palme auf nicht höher als zwel Zentner zu schätzen wage. Hierbei ist zu er- wähnen, daß die Zahl der oft zwölf weiblichen Blütenstände durch Abschneiden auf sechs oder sieben in Algier reduziert wird, da sich bei Entwicklung aller Fruchttrauben der Baum zu sehr erschöpfen und im nächsten Jahre eine sehr unbefriedigende Ernte geben würde. Die Befruchtung der Dattelpalme betreffend, sagte mir Herr Leroy, daß bei künstlicher Besruchtung für 100 weibliche Palmen eine männliche ausreichend sei. Das ist eben der Übelstand der Dattelkutur aus Samen: Man erhält eine überflüssige Menge männ- licher Pflanzen, die unproduktiv sind und unnötig Platz wegnehmen. Das zukünftige Geschlecht läßt sich eben leider nicht am Samen erkennen, obwohl manche Araber diese Fähigkeit zu besitzen meinen. Wir wissen noch nicht einmal, ob das Geschlecht überhaupt schon in dem Samen vorgebildet ist, oder ob aus ihm je nach Behandlung und Bodenart eine männ- liche oder weibliche Pflanze hervorgehen wird. Ich habe nirgends erfahren können, weder aus dem Munde von Arabern noch aus der Literatur, ob bei einer Aussaat die Zahl der männlichen die der welb- lichen Bäume überwiegt oder umgekehrt, oder ob sie ungefähr dieselbe für jedes Geschlecht ist. Wilde Dattelwälder, an welchen man das natürliche pro- zentische Verhältnis erkennen könnte, gibt es nicht; und die Annahme, daß Phoenix sylvestris Roxb. in Indien wahrscheinlich der Vater der Kulturdattel- palme sei, ist nicht zu bewelsen. Jedenfalls dürfen wir schließen, daß, falls man dem Walten der Natur das Streben nach Zweckmäßigkeit zuerkennen will, die Zahl der männlichen Exemplare höchstens ebenso groß, wahrscheinlich aber kleiner als die der welb- lichen sein wird. Wir müfsen uns also mit dem Gedanken vertraut machen, im ersten Stadium exten- siver Dattelkultur einer Unzahl von Pflanzen Pflege und Sorgfalt widmen zu müssen, die sich nach etwa acht= bis zehnjähriger Gulur als wertlose Männchen erausstellen werden und bis auf etwa zwei oder drei aufs Hundert weiblicher Pflanzen werden heraus- gerissen werden müssen, um ihre Plätze mit Steck- 609 lingen weiblicher Palmen besetzen zu können. Die künstliche Befruchtung, welche bekanntlich dadurch bewirkt wird, daß einer der fußlangen männlichen Blütenzweige (75 bis 200 an elner Infloreszenz) innerhalb eines eben aufplatzenden weiblichen Blüten- standes angebunden wird, ist sehr bequem für den schwarzen Arbeiter, solange die weiblichen Palmen zwar schon reichlich blühen, aber eben erst Stamm zu bilden beginnen. Schwierig wird die Sache aber, sobald die weiblichen Blütenstände vom Boden aus nicht mehr erreichbar sind. Die unteren Fieder- blättchen der Dattelwedel sind zu sehr steisen gefähr- lichen spießigen Dornen umgewandelt, zwischen welchen sich, wie mir Herr Leroy sagte, der arabische Pflan- zungsarbeiter mit nackten Füßen ohne Gefahr bewegt. Unsere ungeschulten Schwarzen würden sich bei dieser Arbeit die Füße schwer verwunden, wenn man sie nicht vor solchem Unfall dadurch schützen würde, daß man die zu Dornen umgewandelten Fiederblättchen einfach mit Heckenschere oder Hippe beseitigt. Da die Dattelpalme jährlich nur ein Dutzend neuer Blätter treibt, ergäbe das einen Zeitaufwand von jährlich einer halben Stunde pro Baum. Daß die arabischen Dattelgärtenbesitzer das nicht tun, hat seinen Grund weniger in der Bequemlichkeit als in der Überzeugung, daß Diebe in finsterer Nacht ohne Gefahr für Gesicht, Hände und Füße sich unmöglich in den dornenstrotzenden Palmenkronen bewegen können; denn daß viel gestohlen wird, beweisen die häufigen Flintenschüsse, auf die mich Herr Leroy aufmerksam machte, als wir nachts vor einem ara- bischen Cafée saßen. Ich schilderte Herrn Leroy die Boden= und Wasserverhältnisse der für Dattelkultur in Frage kommenden Alluvialflächen des Swakoptals, und er stimmte meinem Urtell über die günstigen Aussichten der dortigen Dattelkulturanlagen bei. Ich erwarte, daß die Wärmeverhältnisse des Swakoptales auch für die spätreifenden Dattelsorten völllg ausreichend sein werden. Bei Stecklingspflanzung erreichen die Palmenwurzeln schon nach dem zweiten oder dritten Jahre das dort nur 2 bis 6 m tiefe Grundwasser und brauchen keine künstliche Bewässerung mehr. Zwei Tage vor meiner Abreise von Biskra nach Constantine sah ich auf dem Markte die ersten reifen Datteln der Reschti-Sorte, doch waren sie noch sehr teuer, 10 Stück für 1 Sou. Die Fabrlkation von Deelicnay scheint in Biskra eingestellt worden zu sein. In den Anlagen von Biskra ließ ich noch 5 kg eben reisgewordener Samen von Fraxinus kabylica sammeln, einem vorzüglichen Nutzholzbaum, der in Algerien überall üppig gedeiht und seine Existenz- bedingungen auch bei nicht zu tlefem Grundwasser in Südwestafrika finden wird. Eine große Kurtosität Biskras, nämlich eine sich in zwei Aste teilende Dattelpalme, deren jeder sich wieder in drei Aste tellt, wlll ich nicht unerwähnt lassen; sie steht in einem der Garnison gehörigen Dattelgarten.