— 713 jetzt noch die Stelle des höchsten Samoanerhäupt- lings bekleidet, was auch sein Titel „O le Alil Sili“ ganz und genau ausspricht. Man kann Mataafa in seinem Amte auch als Vermittler zwischen der Re- gierung und dem somoanischen Volke ansehen. Es ist dies eine Stelle, auf welcher elne nicht geringe Veranwortlichkeit lastet, und deren Ausübung viel Klugheit und Gewissenhaftigkeit erfordert. Könnte Mataafa seinem Herzenswunsche folgen, so würde er wohl am liebsten sich allen Amtern und Sorgen entziehen und in Ruhe und Frlede, als Privatmann in seinem schön gelegenen Heimatdorfe Amaile die letzten Lebensjahre verbringen, von seinen Angehörigen umgeben und gepflegt. An dem Orte, wo seine Eltern und Ahnen gelebt, wo sie auch ihre letzte Ruhestätte fanden, — da wo er ihnen vor einigen Jahren so würdige und vielverehrte Grabdenkmöler errichten ließ, würde auch er sich glücklich und helmisch sühlen. Aber die Stimme seines Volkes hat es anders gewollt, und stets opferfreudig für seln Volk, ergab sich Mataafa dessen Willen. Seines Amtes wegen hält er sich meist auf der westlich von Apia gelegenen Halbinsel Mulinuu auf. Dort be- sitzt er ein hübsches Samoanerhaus, das durch Bau und Schmuck sich vor anderen auszeichnet und so- gleich auf einen hohen Insassen schließen läßt. Da- selbst sind noch etwa 50 andere Samoanerhütten, in denen die verschiedenen stellvertretenden Häuptlinge und Ratsherren wohnen, wodurch Mulinun aus- schließlich der Sitz der samoanischen Regierung ge- worden ist. Um aber für die traute Stätte seiner Heimat und seiner Ahnen einen Ersatz zu finden, ließ sich Mataafa im vergangenen Jahre auf seinem Landgute am Fuße des Berges Folau ein schmuckes Bretterhaus erbauen, das ich eine Villa nennen möchte, wozu mich die herrliche Lage und die Aus- stattung des Hauses vollauf berechtigen. Es war in den Tagen des vergangenen Welh- nachtsfestes. Eine große Anzahl Gäste, die meisten Regierungsbeamten und auch andere Herren und Damen hatten sich dort eingefunden. Mataafa hatte nämlich, sobald das Haus fertig war, ein Fest ver- anstaltet, um das glückliche Ereignis freudig zu be- gehen. Das Fest war auch ein ganz gelungenes, und ganz befriedigt zogen die Gäste nach Hause. Elnige Erholungstage hatten meine Mitbrüder und mich auf einen anderen Ausflug gelockt, und Mataafas Villa war uns infolgedessen immer noch unbekannt. Daher benutzten wir eine spätere Gelegenheit, um dahin einen Spoziergang zu machen. Auf der breiten, schön angelegten Landstraße schritten wir rüstig voran. Wir kamen an einigen Samoanerdörfern vorbei. Uberall herrschte buntes Leben, denn viele auswärts wohnende Leute waren für die hohen Fest- tage nach der Stadt gekommen. In einem Dorfe wurde unter vielem Lärmen und Lachen Kricket ge- spielt, eine Belustigung, die bei den Samoanern in letzter Zeit sehr in Aufnahme kommt. Doch wie bei den meisten sonstigen Spielen geht es auch bei diesem nicht ohne Geldverschwendung ab, und manch- mal auch nicht ohne Prügel. Die Besiegten müssen am Ende eln allgemeines Festessen bezahlen, und da die Zahl der Beteiligten oft bis auf fünfzig und hundert wächst, die auch den daheimgebliebenen Alten etwas vom Feste mitbringen wollen, so läßt sich leicht denken, welche Summen bei solchen Anlässen ausgegeben werden. In Lotopa zweigte sich die Straße ab und führte uns an vlelen neuen Häusern und Pflanzungen vorbei, die besser als Worte vom Wachstum und Fortschritt dieser jungen Kolonie Zeugnis ablegen. Wer während eines Jahres eine der umliegenden Ortschaften von Apia nicht mehr betreten hat, ist bel einem neuen Besuche höchst erstaunt über das, was deutscher Fleiß und deutsche Tätigkelt hier vollbracht haben. —. Immer näher rückte der Kegelkopf des Folau, d. l. Wanderberg, denn wie die Sage erzählt, kam dieser Berg einst von Savali nach Upolu herüber. Nun erblickten wir schon das stattliche Haus, das in ziemlicher Höhe am Abhange des Berges liegt. Am Fuße des Folau angelangt, fanden wir zuerst ein Samoaner= haus, wo sich die Dienerschaft und die Feldarbeiter des hohen Häuptlings aufhalten. Von da führt eine breite Straße hinan. Noch einige Minuten, und wir standen vor Mataafa. Mit seinem stets freundlichen Lächeln kam er uns entgegen und führte uns in das Haus. Es scheint mehrere Zimmer zu bergen, dazu einen geräumigen, schönen Empfangs- saal; hübsche Veranden umziehen es ringsum. Im Empfangssaale bemerkten wir als Zierde ein schönes Kreuz, ein großes Porträt des deutschen Kaiser- paares, ein Bild des hl. Vaters und eine gut ge- lungene Photographle des hiesigen Gouverneurs Dr. Solf. Wir zogen es vor, uns auf der großen Veranda aufzuhalten, um uns an der entzückenden Aussicht zu erfreuen. Fürwahr ein allerliebster Aufenthalt! Soweit das Auge reicht, sieht es das blaue, ewig schöne Meer. Gewaltig brechen sich die Wellen an den Korallenriffen, welche die Insel umgeben, und stürzen sich immer wieder schäumend und brandend über die Korallenfelsen hinweg. Zu unsern Füßen breitet sich das herrliche Landschaftsbild aus: Palmen- haine, zahlreiche Pflanzungsstätten aller Art, dazwischen wie hingesät verelnzelte Samoanerhütten und zuweilen auch ganze Dörser. Leicht zu erkennen sind die Häuser der weißen Pflanzer. Die bläulich-weißen Wellblechdächer stechen scharf und grell aus der üppig grünen Pflanzenwelt hervor. Schön war auch der Blick auf Mulinuu und auf die Valufu-Bai. Wir unterhielten uns in ganz ungezwungener Weise mit dem verehrten Greise, der durch seine Einfachheit und Güte bei jedem Besucher Zutrauen und Liebe erweckt. Gern tranken wir eine Tasse Kava, der uns besser schmeckte als je zuvor, denn der Marsch hatte uns erhitzt, und der Durst quälte uns. Eine Stunde ging vorüber, und wir schieden von Mataafa. Aber die Erinnerung an diesen Be- such wird uns bleibeen. · E s