— 164 — vorigen Jahre der damalige Gouverneur der Pro-- vinz Schantung und jetzige Vizekönig in Nanking, Tschoufu, der Schule 1000 Dollar und setzte außer- dem einige Belohnungen für die besten Schüler aus. In Litsun, einer der wichtigeren Städte des Pacht- gebiets, befindet sich seit 1908 eine zweite deutsch- chinesische Schule. Ihre 40 Schüler leben ebenfalls in einem Internat. Dem Missionar stehen zwei eingeborene Lehrer zur Seite. Einen besonders erfreulichen Aufschwung nahm in den letzten Jahren der Schulunterricht in der 50 000 Elnwohner zäh- lenden Kreisstadt Tsimo, die 45 km nördlich von Tsingtau liegt. Der hier stationierte Missionar W. Lutschewitz hat neben dem Unterricht in seiner Enangelistenschule und einer gewöhnlichen Missions- schule auch solchen in der Kreisschule zu erteilen. Zu letzterer Tätigkeit ward er von den chinefischen Behörden ausgefordert, die auch eine nicht unbeden- tende Entschädigung für die damit verbundene Mühe- waltung auswarfen. Einer seiner Schüler legte das Examen in der Regierungsstadt Laidschufu ab und erlangte dabei den ersten Gelehrtengrad als „blü- hendes Talent“. Das machte Aufsehen. Der Man- darin, die Kreisexaminatoren, die Lehrer der Schule und andere kamen zum Missionar und gratulierten ihm; auch der neue junge Gelehrte kam mit den Abzeichen seiner Würde und dankte seinem alten Meister mit einem Fußfall. In jüngster Zeit ward eine weitere Schule auf der neugegründeten Station Tschutschöng, 90 km westlich von Tsingtau, eröffnet. Auch das weibliche Geschlecht geht in den Missions- schulen nicht leer aus. Die Berliner Mission hat zwei deutsche Lehrerinnen angestellt; auf die Mädchen- schule in Tapautau (Tsingtau) werden bald weitere folgen. Der Missionsinspektor Sauberzwelg Schmidt hat im vorlgen Jahre die ganze Klautschoun-Mission seiner Gesellschaft visitiert und weitergereist. Der Allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein, der durch Pfarrer R. Wilhelm und Pfarrer Lic. W. Schüler vertreten wird, verfügt über fünf Schulen mit etwa 200 Schülern, unter denen das deutsch-chinesische Seminar in Tiingtau weitaus die bedeutendste ist. Die Schülerzahl betrug bei Beginn des vorigen Jahres 108. Über Zweck und Betrieb dieses Seminars geben folgende Bestimmungen der Satzungen Auskunft: „Das Lehr- zlel umfaßt einerseits chinesische und westliche Wissen- schaft, anderseits Unterricht in der deutschen Sprache. Grundbedingung für die Aufnahme ist, daß die Schüler sich eines tadellosen Betragens befleißigen, körperlich gesund und strebsam sind. Die Schule hat einen siebenjährigen Kurfus. Davon entfallen vier Jahre auf die Unterstufe, drei auf die Oberstufe. Nach Absolvierung des ganzen Kursus erhalten die Schüler, wenn sie die Schlußprüfung befriedigend bestehen, ein Abgangszeugnis. Das erste Jahr des Schulbesuchs wird als Probejahr betrachtet. Die Schule hat besondere Unterrichtsräume für Chlnesisch, ist im Oktober Deuksch, Rechnen, Geographie, Physik und Chemie. Es wird keln religiöser Zwang auf die Schüler ausgeübt, aber streng darauf gehalten, daß die Be- kenner der verschiedenen religiösen Bekenntnisse gegen- seitig im Frieden leben. Die hohen chinesischen Beamten, namentlich der frühere Gouverneur von Schantung, Tschoufu, und sein Nachfolger Yang Schi Siang haben bel ihren Besuchen in Tsingtau der Lehranstalt lebhaftes Interesse entgegengebracht, das nicht nur in reichen Geldspenden Ausdruck fand, sondern als noch wertvolleres Resultat den Anschluß der Schule an das chilnesische Regierungsschulsystem herbelführte. Auf Anregung Tschoufus hat der Taotal Hsiau alle Missionsschulen, soweit sie es wünschten, geprüft, für das Seminar mit dem Ergebnis, daß mehrere Schüler Preise bekamen und der Vorsteher aufgefordert wurde, Schüler nach Tsinanfu zu den Prüfungen an der Univerfität zu schicken mit dem ausdrücklichen Zugeständnis, daß es diesen Schülern nach bestandener Prüfung gestattet sein sollte, ihre Studien am Seminar zu beendigen. Von dieser Erlaubnis wurde für einen Schüler Gebrauch ge- macht; dieser bestand die Prüfungen in Tsinanfu mit Auszeichnung. Mehrere andere Seminaristen gingen an die dortige Universität über- und bestanden alle die nötige Aufnahmeprüfung. Drei der besten Schüler konnten als Hilfslehrer an der Lehranstalt angestellt werden, was bei dem starken Zudrang neuer Schüler als große Erleichterung empfunden wurde. Eine schon seit Jahren als nötlg empfundene Erweiterung kam mit dem Anbou eines Hofes für Beamtensöhne zur Ausführung. Die Mittel wurden durch eine freiwillige Sammlung in Tsinanfu und anderwärts aufgebracht. Dadurch wurden zugleich weitere Kreise auf das Seminar aufmerksam, auch wurden durch die Aufnahme junger Männer aus anderen Provinzen Chinas die Beziehungen der Mission zu den höheren Beamtenkreisen verstärkt. Der Verkehr zwischen diesen Externen und den Zöglingen des Internats trägt offenbar dazu bei, die zwischen den Christen und den gebildeten Kreisen Chinas sonst vielfach noch bestehende Kluft durch gemeinsame Schulerleb- nisse und gegenseitiges Verständnis zu überbrücken. Tuch die Kreisschule in Kauml macht gute Fort- schritte. Der Unterricht im Deutschen wird hier in dret Klassen erteilt. Die Plätze der abgehenden Schüler, von denen drei an die Universität Tsinanfn übergingen, wurden sofort wieder besetzt. Gegen- wärtig hat sie 24 Schüler. In Schawo, Luangia- dschuang und Landi bestehen Vorschulen, die geeignete Schüler für das Seminar in Tüingtau heranbilden. Die leßtgenamte Schule verursacht der Mission gar keine Kosten. Der ganze Bedarf wird an Ort und Stelle von der Bürgerschaft aufgebracht, den Unter- richt erteilt ein eingeborener Lehrer. Der Schul- besuch und die Leistungen der Schüler lassen nichts zu wünschen übrig. Seit Jahresfrist hat der Missionsverein auch eine höhere Mädchenschule in Tsingtau eröffnet, die unter der Leitung elner deut-