Nachdem am 31. Oktober 1905 der Kabel- dampfer „Stephan“ seine sämtlichen Arbeiten in JapP erledigt hatte und nach Schanghat zurückgekehrt war, konnte ich die längst notwendig gewordene Dienst- reise durch meinen Bezirk antreten. Da der Re- gierungsschuner infolge der ihm durch die Taifune erwachsenen Aufgaben unentbehrlich war, benutzte ich den Schuner der Firma Ol'Keefe, auf dem ich mich am 2. November v. Js. früh einschiffte. Noch an demselben Abend wurde bei der Nordinsel des Atolls Ngulu geankert; am folgenden Tage wurden die südlichen Inseln erreicht. Hier hatte sich vor sechs Monaten ein junger Spanier niedergelassen, um Trepang zu fischen. Obschon ein ziemlicher Reichtum an Trepang in guter Qualität vorhanden ist, war selne Ausbeute doch nur gering, weil die Lager zu tief sind, als daß sie ohne Apparat wirk- sam bearbeitet werden könnten. Zudem gestatten die sonst sehr gutartigen Eingeborenen aus uber- gläubischen Gründen die Zubereitung nur auf einer Insel des umfangreichen Atolls. Am 4. November wurde die Reise bei sehr schwerem Wetter fortgesetzt und die Palaugruppe am 8. abends erreicht. Wir ankerten am Osteingang der Aremis-Passage und benutzten sie am folgenden Tage zu der Fahrt nach Korror. Diese Einfahrt ist viel breiter und schöner, als die allgemein be- nutzte zur Insel Malakal. Nur am Westausgang stößt man auf eine Anzahl Untiefen, die aber selbst zum Aufkreuzen genügend Raum bieten. Am 9. landete ich auf der Jusel Korror und blieb dort bis zum 16., während der Schuner nach dem Norden der Gruppe fuhr, um dort Waren zu löschen. Die politischen Verhältnisse wurden von dem Stationslelter Winkler als wenig erfreulich be- zeichnet. Besonders setzt die Bevölkerung seinen Maßnahmen zur Vernichtung der noch nicht über- mäßig herrschenden Schildlauskrankhelt einen hart- näckigen passiven Widerstand entgegen. Das einzige, was verlangt wird, besteht in dem Abschlagen und Verbrennen der befallenen Blätter, eine Arbeit, die nicht länger als eine Stunde wöchentlich in Anspruch nimmt, aber auch das wird nicht getan. Dazu ge- sellt sich eine Agitation der einflußreichen Zauberer, der sogen. „Kalis“. Melne früheren Wahrnehmungen über das beispiellose, vor keinem Mittel haltmachende Streben, reich zu werden, fand ich bestätigt. Zur Illustrierung dessen mögen folgende Tatsachen Platz finden: » Der Oberhäuptling Araklei von Mologejok, ein halb tauber und halb blinder alter und reicher Mann, unternimmt trotz schmerzhafter Krankheit bei stürmischem Wetter eine gefährliche Kanufahrt von sechs Stunden Dauer zu einem kleinen Fest, nur well er dort ein Geldgeschenk von 10 Mk. Wert zu erwarten hat. Der höchste Häuptling Aibasul, ein an das Haus gefesselter Greis, der schon mit elinem Bein im Grabe steht, läßt sich einen angesehenen Jap-Insulaner 282 kommen und befragt ihn, ob er nicht eine Zauberei verstände, mittels deren man recht viel Geld ge- winnen könnte. Altes schmutziges Palaugeld, das bekanntlich aus Glas, Porzellan, gebrannter Erde und ähnlichem Material besteht, kochen sie aus und streichen die unsaubere Brühe den Kindern auf den Kopf oder lassen sie trinken, damit die Kinder reich werden. Kurz vor dem Tode des Vaters umstehen ihn die Kinder und ergehen sich in herzzerreißenden Klagen, aber in demselben Augenblick, in welchem er den letzten Atemzug getan hat, wird das ganze Haus des Verstorbenen fieberhaft durchsucht und die Umgebung nach seinen Schätzen umgegraben. Bald darauf stellen sich die Däörfler ein, um den etwa vorhandenen Vorrat des Toten an Melasse aus- zutrinken. . Selbst bei der großen Gastfreundschaft, die schließlich doch auf Gegenseitigkeit beruht, berechnet der Wirt gewissenhaft den Wert des Fisches oder des Taros, die sein Gast verzehrt. Bei der Geburt eines Knaben herrscht En täuschung, denn durch ein der Prostitution zu über- lossendes Mädchen kann Geld verdient werden. Hlermit komme ich auf die zweite minderwertige Eigenschaft der Palauer, das ist ihre große Scham- losigkeit und Unsittlichkeit in geschlechtlicher Be- ziehung. Nicht nur, daß Kinder von den eigenen Eltern, selbst von den reichen Häuptlingen schon vor der Geschlechtsreife prostitutlert werden, die Eltern legen sich auch in Gegenwart ihrer Kinder, weder im Gespräch noch in ihren Handlungen, die geringste Zurückhaltung auf. Als dritte häßliche Eigenschaft tritt noch die, selbst für Eingeborene ungewöhnliche, Faulheit her- vor. Sie bauen zwar gute Häuser und Fahrzeuge und haben auch Leistungen auf dem Geblete des jetzt allerdings mehr und mehr vernachläffigten Kunsthandwerks aufzuweisen, sonst aber überlassen sie die gesamte Arbeit, in erster Linie den Feldbau, den Frauen, während die Männer den ganzen Tag mit Faulenzen verbringen, denn die Arbeit schändet in ihren Augen. Trot ihrer Geldgier borgt ein zu Geldstrafe Verurteilter die nötige Summe lieber zu dem hhöchsten Zinssatz, als daß er die für den Fall des Unvermögens festgesetzte Strafarbeit leistet. Es lliegt auf der Hand, daß der Stationsleiter bei solchem Charakter der Bevölkerung mit den größten Schwierigkeiten zu ringen hat und daß nur bei intensivster Arbeit und Energie ihm Erfolge be- schert werden, zumal er mit einer kleinen Polizei- truppe aus jungen Männern allein in diesem Kampfe steht. Immerhin ist die Prostitution, die Hunderte von Mädchen und Frauen bei elner nur 3000 Köpfe zählenden Bevölkerung einem gesunden Familienleben entzog, gänzlich aufgehoben und die Schildlaus- krankheit derartig eingedämmt, daß ihr vollständiges Erlöschen erwartet werden kann. In einer Häuptlingsversammlung hielt ich der