— 346 — In den ersten Nächten nach den heftigen Aus- brüchen des Nordwest, wenn der Wind sich gelegt und der Regen aufgehört hat, wenn Totenstille über der Landschaft ausgebreitet ist, und die ganze Natur wie ein Gefühl der Erschlaffung überfallen hat, überkommt den einsam Wachenden belm Rauschen und Tosen der Wasser ein eigenartiges Gefühl von Furcht. Doch die Wassermassen verteilen sich schon nach wenigen Tagen und eilen wieder beruhigt dem Meere zu. Strahlend steht die Tropensonne über Berg und Tal und drückt tausend phantastische Schattenbilder auf das glitzernde Silberband. Ju- gendlich strotzen und prangen wieder Moose, Farren, Blattpflanzen und Buschwerk an den Stellen, über welche noch unlängst die Wasserflut zerstörend ge- gangen, und bald suchst du vergebens nach den Spuren der Verwüstung. Das Rinnsal der Flüsse besteht meistens aus Sand und Steingeröll (Kallstein, Kiesel, Granit, Feldspat, Quarz u. a.) und ist wenig tief. Je näher der Quelle, desto riesiger sind die im Fluß- bette liegende Blöcke, die nicht selten mit Sträuchern und Ranken, aus dem in allen ihren Vertlefungen angesammelten Sand und Humus emporwachsend, gekrönt sind. Fallen die Gebirgswände stell in den Wildbach, so daß die hüben und drüben wirr mit Lianen verwebten Bäume Laubdächer bilden, und die Wasser vielleicht in Absätzen steile Felsen hinab tosen, so steht man vor einem Bilde von wilder Großartigkeit. Auf der Strecke des Unterlaufes, wo das Geftille immer mehr abnimmt, findet man nur Kles oder reinen Sand. Bei den Biegungen oder zeitweiligen Verstopfungen durch aufgeworfenes Geröll oder Stämme reißt das Wasser mit furcht- barer Gewalt Stücke vom Ufergelände weg, bohrt tiefe Löcher in den Grund oder bahnt sich ein neues Rinnsal durch den Wald. Die Flüsse des Baininger Gebietes eignen sich, wie aus den obigen Schilderungen hervorgeht, nicht für die Schiffahrt. Der einzige, der vielleicht auf einige Kllometer mit einer Dampfpinasse befahren werden kann, ist der Toriu, an dessen Ufern von der Mission ein Sägewerk errichtet wurde (1903). Andere Wasseradern von Bedeutung sind der Ka- rawat und Patongo im Weberhafen, weiter hinauf der Nambung, der Tongolienakanal und der Nesai. An der Ost= und Südküste kann ich bloß den Warongoi und Wulwut (Henry-Reid-river) mit Namen anführen. Die übrigen zahlreichen Wasser- läufe sind bislang noch unerforscht. Die Edelsteine unserer europäischen Alpen, die Seen, mangeln den Baininger Bergen ganz. sehr geringer Ersatz dafür sind vereinzelte tiefe, zum Teil mit Wasser gefüllte Einsenkungen, welchen man mitten im Urwald oder auch auf Abhängen be- gegnet. Der abergläubische Eingeborene schreibt ihre Entstehung dem Teufel zu, der hier sein Unwesen treibt und die Vorübergehenden eranlockt, um sie mit in die Tiefe zu ziehen. Ein Überraschend schöne Bilder gewähren die zahl- relchen Quellen der Bäche und Flüsse. Die dunkle Szenerie um dieselben, Felsengrotten, liebliche Farren- palmen, großblättrige wilde Bananen, mannigfache Aaronsarten, verleiht dem Quell etwas Ehrfurcht- gebietendes, wie einem Helligtume. Die Wasser kommen entweder aus einem tiefen Bassin oder ent- strömen den verwitterten Kalkgesteinen an der Ober- fläche des Bodens. Zwei der schönsten Quellen dieser Art find die des Nawin hinter der Station Wunamarita und die des Atmei in der Nähe von St. Paul. Der Atmei entspringt am Juße einer senkrecht abfallenden Felswand, die mit einem Gewirr von Schling- pflanzen überzogen ist. Das Wasserbecken ist etwa 5 m breit und 6 m tief. Dreimal hintereinander wirbelt der Quell aus der Tiefe in die Höhe, bildet rasch sich folgende Ringe, ruht dann eine Sekunde, gleichsam um Atem zu schöpfen, und beginnt dann von neuem aufzuwellen. Die hervorsprudelnde Wassermenge dürfte sich auf 1 chm in der Sekunde belaufen. An der rechten Seite des Beckens ergießt sich aus dem Lehmboden eine zweite Wasserader, die aber bei weitem nicht so stark ist. Das Wasser in beiden ist gewöhnlich krtistallklar; bei heftigen Gewitterregen wird es trübe, auch vermehrt sich alsdann die Wassermenge. Fische, groß und klein, tummeln sich mit Behagen in dem herrlichen Becken. Während die kleineren sich auch zuweilen über den Rand hinaus wagen und sich von der Strömung abwärtsgleiten lassen, bleiben die großen beständig im tiefen Wasser. Am scheuesten sind die Aale, von denen man nur hcchst selten einen erspäht. Sie halten sich mit Vorliebe unter den zerklüfteten Steinwänden verborgen. Es kommen ihrer wahre Prachtexemplare vor, bis zu 1 m Länge und noch darüber hinaus. Der Reichtum an Fischen und Flußkrebsen ist überhaupt in Baining ein sehr großer. Da der Balninger infolge des Mangels an Fisch- geräten nur in seichtem Wasser dem Fischfang ob- liegen kann, so wird der Fischstand kaum jemals vermindert. V. Wasserfälle. Der Reiz der Baininger Täler wird in hohem Grade durch die imposanten Wasserfälle erhöht, die in großer Anzahl vorhanden sind. Nennen wir u. a. nur den Hälka, der in den Patongo fällt, und die zwei kaum über 250 m voneinander ent- sernten Sturzbäche Narurungut und Malaulau im Süden von der Insel Missamissakor in unmittel- barer Nähe des Meeres. Beide stürzen von der Quelle an in terrassenförmigen Kaskaden durch eine engge Klause voller Steinblöcke hinab in die See. Der Eingang zum Malaulau ist über alle Be- schreibung schön. Rechts ein steil ansteigender Ab- hhang, mit der herrlichsten Vegetation überwuchert, links eine kleine Mangroveninsel, ein reizendes schwimmendes Boskett, und dahinter eine Reihe von