— 364 — feierlichen Empfang. Am dritten Tage nach ihrer Ankunft ertönten die großen Elfenbeinhörner, die das Volk von Bali bei besonderen Anlässen zusammen- rusen. In der Mitte des Marktplatzes, wo sich die Steinpyramide befindet, von der aus die Staats- reden des Herrschers gehalten werden, spielte eine . Musikbande auf Trommeln und Flöten. Am Ein- gang des Palastes, der unmittelbar am Marktplatz liegt, wehte auf der einen Seite die schwarz-weiß- rote Flagge, auf der anderen das weiße Bali- Banner. Vor dem Tor war auf dem Erdboden eine Rindshaut ausgebreitet, worauf ein mit Perlen reich verzierter Schemel stand, der Sitz des Königs, rechts und links eine Anzahl anderer Schemel für die Gäste. Von allen Seiten strömten festlich ge- schmückte Männer, Weiber und Kinder herbel. Als die Missionsleute hier einige Minuten gewartet hatten, entstand plötzlich tiefe Stille. Alles schaute nach dem Eingang des Gehöfis. Da erschien „er" in einem wallenden, dunkelroten, samtenen Haussa- gewand. Auf dem Kopfe trug er eine aus ein- heimischer Baumwolle gestrickte Zipfelmütze. Er schrtt auf die Ankömmlinge zu, reichte ihnen die Hand zum Gruß und lleß sich dann auf seinen Staatsschemel nieder. Seine Göste forderte er auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Währenddem klatschte die versammelte Menge, die eine gebückte Haltung einnahm, im Takt in die Hände und huldigte ihm dabei: „Tsawe mfonl“ „Tsawe mfon!“ Das bedeutet etwa: „Mächtigster König!"“ Wörtlich: „Du übertriffst" (nämlich alle anderen). Etwas seitlich hockten etwa 30 bis 40 alte Balimänner in langen Gewändern, ihre großen Pfeifen rauchend und die Neulinge mit ihren Blicken musternd. Nun gab der König den in der Nähe stehenden beiden Bläsern ein Zeichen, wonach diese ihren Elfen- beinhörnern schmetternde Töne entlockten. Nach diesem Signal setzte eine Musikkapelle ein, und der Tanz begann. Alles bewegte sich anmutig im Kreise, Männer und Weiber, alt und jung. Währenddem trugen einige Königsweiber gekochten weißen Palmwein und saftige Bananen auf. Eine Frau verscheuchte mit einem Pferdeschweif, dessen Griff mit Perlen verziert war, die Fliegen aus der Nähe des hohen Herrn; eine andere hockte am Boden und kredenzte aus einer Kürbisschale den warmen Palmwein. Der König frug die Missionsleute, ob sie gut gereist seien, was sie bejahen konnten. Gegen W verstummte die Musik, und alles ging nach ause. 1 den gegenwärtigen Stand der Missions- tätigkeit im Grasland suchte der Generalpräses Lutz von Buea im Verein mit dem Missionar Stolz von Bonaku durch eine im vorigen November und De- zember unternommene Besuchsreise Klarheit zu ge- winnen. In seinem Bericht schreibt er u. a.: „Beim Examen in der Schule zu Bali, zu dem sich auch der König einstellte, durften wir uns überzeugen, daß die Schüler in der biblischen Geschichte schon recht zu Hause sind. Auch im Lesen, Schreiben und Rechnen sind gute Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem wird der Gesang gepflegt, und Missionar Ernst hat schon eine ganze Anzahl Lieder in die Ball- sprache übertragen; seine Schüler singen einige dreistimmige Lieder ganz ordentlich. Missionar Göhring, der eine Druckerpresse und die notwendigsten Buchbindereiwerkzeuge mitgebracht hat, ist gegen- wärtig damit beschäftigt, eine Fibel und die biblische Geschichte zu drucken. Wenn auch der König keine so großen Erfolge im Lernen mehr erzielen wird wie seine jugendlichen Untertanen, so bekommt er doch allmählich einen weiteren Blick; er wird auf die heidnischen Schäden in seinem Lande aufmerksam und lernt sie anders beurteilen. Im Gegensatz zu vielen seiner Untertanen ist der Balikönig sehr flelßig. Er geht selbst auf seine Felder und beaufsichtigt seine Arbeiter und Weiber. Auch beim Bau der Schulhäuser oder der Kapelle stellt er sich ein und sieht nach, daß alles recht gemacht wird.“ Daß die Missionare das Vertrauen Fonyongas und der Häuptlinge in der Nachbarschaft gewonnen hatten, zeigte sich bei den polltischen Unruhen, die im Sommer 1905 ausbrachen, als der Höäuprling von Bawatju, einer drei Tagereisen von Bali ent- fernten Stadt, erschossen war. Sie vermittelten damals mit dem Chef von Bamenda, in dessen Bezirk sie wohnen. Es gelang ihnen auch, die Be- wohner der noch weiter entfernten Stadt Bansoa zur Ruhe zu bringen. Fonyonga aber fiellte dem Stationschef 1000 Balimänner zur Verfügung, als es galt, das aufständische Fongu zu züchtigen. Die erste namhafte Erwelterung der Bali-Mission bahnt sich allem Anschein nach in der mehrere Tage- reisen östlich gelegenen großen Stadt Bamum an. Die beiden Visitatoren reisten im Anschluß an ihren Besuch in Bali dorkhin und wurden dabei von zwei Missionaren aus Bali und vielen der dortigen Schüler, die gerade Ferien hatten, begleitet. Missionar Stolz schreibt darüber in der Mainummer des „Heidenboten“: Bamum ist eine große befestigte Stadt. Früher sollen Reiter aus Norden gekommen sein und sie zweimal niedergebrannt haben, weshalb der Großvater des jetzigen Königs seine Residenz befestigte. Letzterer begrüßte uns. Er entschuldigte sich, daß er uns nicht entgegengekommen sei; er habe gar nichts von unserm Kommen gewußt. Darauf ließ er uns in unsere Herberge bringen, die luftig und geräumig war. Kaum waren wir in unserm Quarteer, als auch schon 20 Abgesandte von ihm kamen und Begrüßungsgeschenke brachten. Wir erhielten auch an den folgenden Tagen alles, was wir zum Unter- halt bedurften. Der König Nyoya soll 26 Jahre alt sein. Er ist nicht sehr groß, aber kräftig gebaut und macht einen guten Eindruck. In seinen Zügen liegt etwas Gutmütiges; dabei ist er eine ruhige, überlegende Natur. Zunächst interessierte er sich sehr für unsere heimatlichen Verhältnisse und war erstaunt zu hören, daß man ihn in Deutschland kaum „König“