— nicht immer sofort den Ausbrüchen seiner Natur und Leidenschaften überläßt, so ist die momentane Züge- lung derselben nur auf Feigheit und Charakterschwäche zurückzuführen, die ihn abhalten, dem Beleidiger und Gegner im Angesichte zu widerstehen. Dies ist auch der Grund, warum er im Verkehr mit andern bei Festlichkeiten, wo es so leicht Reibungen geben kann, so selten in Streit gerät oder gar Händel sucht. Dieses sein Benehmen macht auf den Weißen im Gegensatz zu dem streit= und rauflustigen Charakter unserer europäischen zivilisierten Jugend in ihren Flegeljahren einen so günstigen Eindruck. So roh und tiefstehend der Baininger auch ist, er hat doch Sinn für üsthettsche Schönheit. Exakt ausgeführte Malereien auf seinen Tanzgegenständen, prächtige, geschmackvoll mit verschiedenfarbigen Federn geschmückte Speere, bunte, europälsche Stoffe, glän- zende Messer und Beile erregen sein Staunen. Der Baininger Künstler, der sich durch seine Fertigkeit im Zeichnen oder Erfinden neuer Muster hervortut, bleibt nicht unbekannt. Sein Ruf bringt ihm häufig Besuche aus Nachbargauen und Einladungen, anderswo bei Herstellung von Masken mitzuwirken. Seine Muster werden nachgeahmt und finden in den angrenzenden Gegenden Verbreitung. Der östhetische Geschmack ist jedoch in vielen Fällen ein anderer, als der unfrige. So z. B. hält er sich für reizend, schön, wenn eine Federspule des Kasuarflügels oder ein Dutzend kleiner Knochen des fliegenden Hundes seine Nasenflügel schmückt. Er ist stolz, wenn er am Tanztage infolge von vorhergehendem Fasten eine so dünne Taille bekommen hat, daß alle seine Rippen sichtbar werden und die Augen tief in ihren Höblen liegen. Europäer, die je Mitzuschauer dieses Schau- spiels gewesen sind, wurden von Mitleid für die Halbtoten ergriffen und wandten sich schaudernd von ihnen. Schmutz, Unrat im Hause und Hofraum oder am eigenen Leibe berührt ihn nicht, wohl aber wird er sich beim Anblick einer vernachlässigten Pflanzung verletzt fühlen. Auffallend ist, daß er europälschen Gegenständen, so lange sich dieselben noch nicht bel ihm eingebürgert haben, oder er deren Nutzen noch nicht eingesehen hat, so geringen Geschmack abgewinnen kann. Dahin gehören nicht zum letzten alle Musikinstrumente. Die ungewohnten lauten Töne werden ihm bald lästig. Die Art und Weise, wie dieselben erzeugt werden, nteressiert ihn nicht zu erfahren. Aber auch so — iche Sachen, wie Decken, die ihm doch so gute benfte in den frischen Nächten in seinen erbärmlichen g lelsten würden, versteht er nicht zu schätzen. * * #umer das alte Lied wieder. Eleichgültig- * g die Gewohnheit der Sippe bilden im Leben Sainingers die belden großen Klippen, die zu überwinden ihm Mut und An sehlen. Der Balninger ist Kaunibale, doch hegt er Liebe zu seinem Weibe und seinen Kindern. Er über- mimmt die schwersten Arbeiten in der Pflanzung und bei der Herstellung der Hütte. Er begleitet sein 487 — Weib ans Ufer zum Fischfang in der See, auf den Tanz, teilt seine Mahlzelten mit ihm. Es führt so gut das Wort bei Besuchen und vor Fremden, wie auch er. In Krankheiten wird er, falls sonst keine Frau in seiner Hütte wohnt, die Küche besorgen und die Kinder pflegen. Er weint bei ihrem Tod. Trägt sie Taros oder Holz, so wartet er das Kind. Eine Beleidigung seinem Weibe gegenüber trifft auch ihn. Er wird sich am Beleidiger rächen, sobald sich eine Gelegenheit einstellt. An Außerungen gegen- seltiger Liebe und Geneigtheit besteht wenig Aus- tausch. Sie liegen eben nicht in seinem Charakter, der anscheinend kalt und gesühllos ist. Das Robe, und Lieblose, das wir oft im Verkehr mit seines- gleichen bemerken, entspringt aber nicht immer seinem Willen, sondern seinem verkehrten morallschen Fühlen. Er ist in gewissem Sinne vertiert, seine Nerven, sind abgestumpft, doch im Kreise seiner Familie tritt er uns dann in andern Fällen wieder so freundlich ruhig und zuvorkommend entgegen, wie wir es von einem Naturmenschen und Kannibalen nicht erwar- teten. Wir dürfen eben bei seiner Beurteilung nicht unsere europäischen Sitten und Gebräuche, oder gar unser ganzes Sittengesetz als Maßstab für den herab- gekommenen Wilden gebrauchen. Von den vielen guten Anlagen, die auch ihm mit ins Leben gegeben worden, sind ihm trotz aller Verrohung noch manche geblieben, worin wir uns als Brüder wieder erkennen. Ein gewinnender Zug im Charakter des Bainin- gers ist selne herzliche Gastfreundschaft. Er häült jeden Vorübergehenden an, bei ihm einzukehren, Betel mit ihm zu kouen oder eine Taro anzunehmen. Die Weigerung, seiner Elnladung Folge zu leisten, würde er übel auslegen. Der Europäer ist jederzeit eines freundlichen Empfanges sicher. Da der Bai- ninger bislang nur gutes von ihm gesehen und empfangen, sowle einen mächtigen Verteidiger gegen seine Unterdrücker an ihm gefunden hat, ist die Vertraulichkelt und sichtbare, naive Freude, welche er bei seinem Erscheinen an den Tag legt, nicht schwer zu erklären. Von Mißtrauen und Furcht, welche wir nach langen Jahren des Verkehrs und Unter- richtes und nach steten Beweisen des Wohlwollens am Küstenbewohner noch bemerken, nimmt der Be- obachter im Charakter des Bainingers nichts wahr. Leider hat er ein zu großes Vertrauen auf andere. Wie schwer und oft er für diese Vertrauensseligkeit schon gebüßt hat, werden wir bei der Behandlung der Sklaverei erfahren. Stellt sich ein Besucher ein, so ist anfangs wenig von Freundschaftsbezeugungen nach außen zu be- merken. Das Herzliche und Zärtliche, das wir nach langer Trennung für unsere Familienangehörigen oder Freunde bekunden, kennt der Eingeborene nicht. Manche unserer Gefühlsausbrüche würden ihm lächerlich oder sogar unpassend erscheinen. Hin und wieder fällt elner dem andern um den Hals und drückt ihn lachend an sich. Für gewöhnlich ist der Hausherr äußerlich kalt, reserviert und abwartend.