sehr unbestimmte Antwort. Ich möchte deshalb glauben, der Eingeborene denkt vor allem nur an Seelen jener, die er hier auf Erden gekannt hat, und kümmert sich um das Schicksal seiner Ahnen nicht mehr. Die Idee der Vergeltung, der Freude oder der Trauer im Jenseits ist ihm völlig fremd. Allgemein geglaubt wird auch die Existenz einer mythischen Schlange (a chamki), die auf hohen, knorrigen Bäumen lebt. Alle Bäume, welche an ihren Stämmen Auswüchse und Knorren zeigen, werden für Wohnsitze derselben gehalten. Die Aus- wüchse dienen ihr zum leichteren Auf= und Abllettern. Die Chamki hat auch Kinder, die wie die Mutter selbst jeden, der sich unterstehen würde, den Baum anzuplätzen oder zu fällen, so verwunden würden, daß er stürbe. Die Eingeborenen fürchten die Chamki mehr als die gewöhnlichen Geister, vor allem schon deshalb, weil sie direkt darauf ausgeht, ihnen zu schaden, ihnen Unglück, Krankheit oder Tod anzutun. Um sich gegen ihre Angriffe zu schützen, gebraucht der Eingeborne gewisse abergläubische Mittel, deren Kenntnis nur bestimmten Männern und Frauen eigen ist. Letztere unterscheiden sich aber durch nichts von ihren Stammesgenossen und erhalten auch keine Bezahlung für die Ausübung ihrer Kunst. Hin und wieder kommt es wohl vor, daß der eine oder andere dieser Eingeweihten den Leuten mit Behexung droht oder ihnen zur Zeit allgemeiner Krankheit oder Sterbens den Glauben beibringt, Gesundheit und Übelbefinden läge in seiner Händ. Forschen wir nach, von wem der Eingeborene in allen selnen aber- gläubischen Handlungen Hilfe und Schutz gegen böse Geister, übelwollende Menschen und Krankheit er- wartet, so weiß der Gefragte nichts zu antworten und ist erstaunt, wie wir ihm überhaupt eine solche Frage stellen können. Die Existenz der Geister steht für ihn gerade so felsensest, wie das Bewußtsein von der Macht seiner Zauberworte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, vor Jahrhunderten vielleicht, gesündere Vorstellungen über dieses mächtige Etwas, zu dem man in den verschiedensten Umständen des Lebens gewisse Worte spricht und bestimmte Zeremonien verrichtet, noch bestanden haben und erst im Laufe der Zeiten aus ihrer Erinnerung geschwunden sind. Das, was den Sinnen eutging, geriet in Vergessen- heit, die Außerlichkeit dagegen, welche die Anrufung dieses geheimnlsvollen Wesens begleitete, wurde zur Hauptsache und bis auf unsere Tage gerettet. Die Möhlichkeit dieses Vorganges wird um so glaub- würdiger, wenn wir die verschiedenen Zauberformeln näher prüfen. Sie sind meistens dunkel und ganz unverständlich gehalten. Die Sprache widerspricht oft den jetzigen Regeln der Grammatik. Zudem enthält sie Wörter, deren Sinn von den Eingeborenen selbst nicht mehr erklärt werden kann. Wir stehen also hier ohne Zweisel vor Resten eines verloren gegangenen Kultus. Fast mit jeder abergläubischen Handlung ist der Gebrauch von Kalkstaub verbunden. Die Anwendung desselben ist meistens unerläßliche 490 Bedingung für den Erfolg der Zeremonie. Es ist nach meinem Wissen noch von niemand zu erklären versucht worden, warum der gebrannte Korallenkalk nicht nur in Baining, sondern überhaupt in der Südsee eine so hervorragende Rolle im Haushalt der Eingeborenen, sowohl als Reizmittel, wie auch als ausschlaggebendes Begleitmittel bei allen Be- hexungen spielt, und vor allem, was ihm im letzteren Falle eine so wichtige Bedeutung hat geben können. Der Eingeborene vermag uns auch hier, wie in so vielen anderen Sachen, keine befriedigende Erklärung zu erteilen. Er beruft sich wie immer auf die alt- hergebrachte Sitte und denkt nicht im entferntesten daran, seine Handlungsweise einer Prüfung nach ihrem Wert oder Unwert zu unterziehen. XII. Geburt und erste Erziehung der Kinder. Der Baininger kommt unter wenig Umständlich- keiten auf die Welt. Es soll anscheinend keine aber- gläubische Zeremonie stattfinden, um die Geburt des zu erwartenden Kindes günstig zu beeinflussen. Fühlt die Baininger Frau die Stunde ihrer Entbindung nahe, so ruft sie die Nachbarsfrauen und Verwandten zu sich, um ihr beizustehen; meistens aber befinden sich überhaupt schon mit ihr in derselben Hütte eine ganze Anzahl Weiber. Das neugeborene Kind wird anfangs soviel als möglich an das Feuer gehalten, um es zu erwärmen, zuweilen wickelt man es auch zu diesem Zweck in ein Stück Tapa ein. Angeblich, um die Schädeldecke zu schützen, wickeln sie den Kopf in Gras und Blätter ein. Nach erfolgter Ge- burt ist es den Männern wieder erlaubt, die Hütte zu besuchen. Ist das neugeborene Wesen ein Knabe, so sagt der eine oder andere Besucher, indem er auf das Kind zelgt: „Goa anenka“, d. h. mein Namensvetter. Auf gleiche Welse steht es auch den Weibern zu, ihren Namen dem Kinde beizulegen. Die Namen der Eingeborenen haben alle eine Be- deutung; sie bezeichnen entweder eine Bewegung, ein Tier, ein Holz oder irgend einen Gegenstand. Bringt eine Frau ein totes Kind zur Welt, so wickelt es der Vater in Blätter ein und legt es auf einen Baum. Zmwillinge bleiben gewöhnlich am Leben, doch kommt auch der Fall vor, daß eines von beiden dem Tode preisgegeben wird. So weilß ich von einem Eingeborenen, dessen Frau mit Zwillingen beschenkt worden war, daß er einen davon in den Busch trug und ihn seinem Schicksal überließ. Stirbt eine Wöchnerin, so nimmt sich eine andere Frau des Säuglings an; doch kommt es auch vor, wenigstens habe ich einen Fall erlebt, daß das Kind erdrosselt wurde, da, wie man mir erzählte, niemand vorhanden gewesen wäre, um das Kind zu ernähren. Während der ersten Zeit nach der Entbindung ist der Mann verpflichtet, für seine Frau zu sorgen und die Speisen zu bereiten. Festlichkeiten oder Aus- teilung von Geschenken finden anläßlich einer Geburt nicht statt. Doch ist es Sitte, daß Freundinnen und