geschickt diese Leute in Geschäften sind. Auf meinen verschiedenen Reisen an den Küsten des Indischen Ozeans habe ich feststellen können, daß es im Grunde weder die Engländer noch die Deutschen oder Franzosen sind, die diese Küsten tatsächlich kolonisieren, sondern die Inder. Jedesmal, wenn eine europäische Nation mit großen Opfern eine neue Kolonie schafft, büßen die Inder, die schon längst am Platze sind, etwas von ihren Vorrechten ein; aber sie reißen fie schnell wieder an sich, und ihre Zahl verdoppelt sich. Kochinchina ist in ihren Händen; in Mombassa sehen wir, daß alle gut besuchten Läden Indern gehörten; sie haben die besten Plätze in Sansibar sowohl wie in Daressalam; in Majunga gedelhen sie trotz der bedeutenden Steuern, die ihnen General Gallieni auferlegt hat; auf der Insel Reunion find sie im Begriff, die Bodenwirtschaft an sich zu reißen; auf Mauritius werden sie, wenn das erst geschehen ist, bei der Wahl nach und nach die Mehrheit bilden. In Deutsch-Ostafrika sind sie in einer Zahl von zwanzigtausend vorhanden. Und zwar sind das W Untertanen. Ich habe diese Frage be- sonders studiert, und es ist nach meiner Meinung unerläßlich, daß die Deutschen diese Hindukaufleute kräftig zur Naturalisation zwingen, wenn sie ver- meiden wollen, daß später diplomatische Konflikte entstehen. « » Auf den Straßen der Städte und besonders in den Dörfern des Inneren muß man sich über das Ansehen wundern, das jetzt noch die Suahelis, diese Mischlinge von Arabern und Afrikanern, genießen. Vor 30 Jahren waren sie die Herren von Süd- und Ostafrika; Deutschland hat ihre politische Macht gebrochen, und Wissmann hat sich dadurch ein Ver- dienst um die Zivilisation erworben, denn sie beuteten Afrika durch ihren Sklavenhandel aus. Aber ihr Einfluß ist immer noch groß genug; als Karawanen- führer und Kleinhändler spielen sie eine bedeutende Rolle, und im Inneren sind sie sogar ziemlich häufig Grundbesitzer. Nach meiner Ansicht find auch sie gefährlich, vielleicht sogar die gefährlichsten der deutschen Untertanen: sie können Aufstände hervor- rufen und sie recht rasch verbreiten, erstens, weil sie, weniger intelligent als die Inder, nicht durch ihr geschäftliches Interesse von solchen Unternehmungen zurückgehalten werden, und dann, weil sie enge Be- zungen zu der ganzen Bevölkerung des Inneren aben. Unm sie in Schach zu halten, wäre es von Wichtigkeit, für die freiere Entwicklung der Bantu- rasse zu sorgen. Diese große Rasse von Südafrika ist bisher von den Europäern wenig beachtet worden, well die Leute still und furchtsam sind und deshalb für beschränkt gelten. Aber es ist eine außerordent- lich sympathische Rasse, hervorragend im Ackerbau, voll Famtliensinn und viel intelligenter, als man glaubt. Ihr Volkstum, das leider durch die kriege- rische Tyrannel der Massais und der Zulus unter- 571 Begriff davon machen, wie findig, geschmeidig und drückt worden ist, zeigt großzügige, malerische Einzel- heiten. Die Deutschen haben das größte Interesse daran, daß sie in ihrem Ostafrika gedeihen, und nach meiner Ansicht wäre sogor der Versuch lohnend, sie als Gegengewicht gegen die Hereros nach dem deutschen Südwestafrika zu ziehen. Besser als die chinesischen Kulis werden sie ver- stehen, sich das ausgedehnte Steppenplateau des Inneren zunutze zu machen. Dieses Gebiet ist ohne Zweifel ziemlich arm. Wie auf Madagaskar fällt die Einförmigkeit auf; aber es gibt auch fruchtbare Täler, sobald sie gegen die Winde geschützt find. Man müßte nur in Deutschland den Wert dieser Länder nicht nach den Analysen beurteilen, die in den Laboratorien gemacht werden. Als ich von der französischen Regierung nach Madagaskar geschickt wurde, habe ich die größte Sorgfalt darauf ver- wandt, herauszubekommen, ob die dortigen Plätze und das ganze Land wirklich so arm wären, wie es die berühmten Pariser Chemiker in ihren Labo- ratorien versicherten. Es war glücklicherweise nicht der Fall; ich konnte feststellen, daß es zwei Elemente gibt, mit denen man nicht gerechnet hatte. Das sind die Wärme und das Wasser, die in jenen armen Gebieten die Fruchtbarkeit verbürgen. Stanley hatte also unrecht, wenn er sagte, daß bei dem englisch-deutschen Abkommen Deutschland einen neuen Pantoffel gegen einen alten Hosenknopf elngetauscht hätte. Nicht sowohl das deutsche Süd- westafrika, aber Deutsch-Ostafrika hat eine große Zukunft. Und es wird außerordentlich interessant sein, zu beobachten, ob es Deutschland verstehen wird, sich immer mehr mit praktischem Verständnis der Kolonisation zu widmen. Durch seine Ausdauer hat es bereits ein hinreichendes Resultat in bezug auf die Zivilisierung erreicht; nun muß es auch seinen Nutzen aus dem Gebiet ziehen. Dazu wäre es freilich notwendig, daß mehr Kolonisten und we- niger Beamte dorthin geschickt würden. Es macht ja gewiß großes Vergnügen, die eingeborenen Truppen in unvergleichlicher Ordnung auf den prächtigen Straßen, die dort angelegt sind, manövrieren zu sehen. Aber hübscher wäre es doch, wenn die jungen Leute, die Studien halber nach Deutsch- Ostafrika geschickt werden, sich in das Innere be- gäben, dort llebevoll die Bantus studierten, sie schätzen lernten und allmählich an eine rationelle Bewirtschaftung des Bodens gewöhnten. Wenn man nicht bald darauf bedacht ist, elnen derartigen Zu- stand zu schaffen, so ist zu befürchten, daß die Eisen- bahn Bankerott macht. Eine große Gefahr für die Deutschen bildet freilich sicherlich das Klima. Es ist zwar nicht so ungesund, wie man gewöhnlich annimmt; aber es macht alle zwei bis drei Jahre einen Erholungs= Aufenthalt in einem gemäßigten Klima erforderlich. Ein verbreiteter Irrtum, der für die Zukunft der deutschen Kolonisation ins Gewicht fällt, ist nun der, daß man aus dieser Tatsache folgert, man müßte