Nach Passierung des Lamassa-Kanals fuhr der „Seestern“ hart an der Küste entlang weiter, und gegen 4 Uhr mittags kamen wir auf der Höhe der Insel Lambom an. Hier wurde die Fahrt für heute beendet. Ich wollte einmol der Insel Lambom einen Besuch abstatten und dann auch die Stätte aufsuchen, an der sich vor nunmehr 25 Jahren das furchtbare Drama der Marquis de Rays-Expedition abge- spielt hat. Während der „Seestern“ in den Breton-Hafen bineindampste, fuhren wir in einem Kutter an Land. Ich besuchte auf der Insel Lambom die beiden Dörfer Liliua und Kanarau, die sich in kurzer Entsernung voneinander am Strande hinziehen. Der Verkehr mit den Eingeborenen gestaltete sich auf das freund- schaftlichste. Fast jeder der erwachsenen männlichen Inselbewohner hat schon bei Weißen gearbeitet, teils in Samoa, teils im Archipel und in Neu-Guinea. Elne Verständigung mit ihnen begegnete daher keinerlei Schwierigkeiten. Klagen hatten sie nicht vorzubringen, und man gewann den Eindruck, daß Ruhe und Frieden herrschte. Verschiedene ältere Eingeborene, die offenbar die bereits erwähnte berüchtigte Expedition noch erlebt haben müssen, fragte ich, ob sie sich noch an jene Vorgänge erinnern könnten. Keiner wußte aber aus eigener Anschauung mehr zu berichten. Einen Zeugen an jene Zeit fanden wir aber doch in dem Dorse Kanarau. Es stand dort auf dem Dorfplatze ein großes eisernes Kammrad, von Zier- sträuchern umrahmt. Für eine der vielen „Zucker- mühlen“ war es bestimmt, die dort in der Phantasie des Marquis de Rays angelegt werden sollten, und nun diente es einem Eingeborenendorfe als Zierat. Nachdem wir uns von den Haäuptlingen der beiden Dörfer verabschiedet hatten, fuhren wir nach dem „Seestern“ zurück. Dieser war mittlerweile in der Bucht vor Anker gegangen. Der Hafen ist nicht besonders gut zu nennen. Das Wasser ist ziemlich tief, und es kann auch bei steifem Südwestwind eine ziemlich starke See in ihm aufkommen. Am Donnerstag den 7. Juni besichtigten wir morgens in aller Frühe die ehemalige Niederlassung der französischen Kolonisten. Das Land ist an der betreffenden Stelle für eine Ansiedlung denkbar un- günstig: sumpfiges Vorland, und gleich dahinter schroff ansteigend, mit Steinen und Felsen dicht be- säte Berge. Sicherheit sagen zu können, daß dort niemals ein Pflanzungsunternehmen gedeihen kann, zumal auch bei der spärlichen Bevölkerung gerade jenes Küsten- striches ein den Pflanzungsbetrieb unterstützender Handel nicht betrieben werden könnte. Die Niederlassung selbst ist mehrfach und erst. lürzlich von dem Marinestabsarzt Emil Stephan im Globus, Band LXXXVIII Nr. 21, S. 325, be- schrieben worden. Es erübrigt daher eine Schilderung an dieser Stelle. Erwähnt mag werden, daß nur noch wenige Spuren an die ehemalige Ansiedlung 680 Der erste Anblick genügt, um mit erinnern. Besonders ins Auge fallend ist ein sehr großer, ausgezeichnet erhaltener Mühlstein, der eine beredte Sprache redet, mit welchen Plänen und Hoffnungen die unglücklichen Kolonisten seinerzeit nach dem viel verheißenden Lande ausgewandert sind. Nach Rückkehr an Bord, gegen 8½⅛ Uhr mor- gens, gingen wir alsbald in See. Kurz nach 9 Uhr passierten wir das Kap St. Georg und erreichten damit die Ostküste von Neu-Mecklenburg. Gegen 9¾ Uhr gingen wir in der Bucht von Likiliki vor Anker. Hier hatte seinerzeit der „Gouverneur“ De la Croix ebenfalls Kolonisten gelandet, denen es, wie Stabsarzt Stephan a. a. O. beschreibt, noch schlimmer erging, als ihren Landsleuten im Port Breton. Das Land ist hier ebenso ungeeignet zur Ansiedlung Weißer als in Port Breton. Irgend welche Spuren einer früheren Niederlassung sind nicht mehr zu finden gewesen. Nach kurzem Aufenthalte suhren wir denn auch weiter, um noch am gleichen Tage den Siara-Distrikt zu besuchen. Wir passierten um 12 Uhr das Kap Bougainville und ließen bei dem Dorfe Waitin halten. Das Landen ist hier während des Südostmonsuns sehr schwierig, ja manchmal unmöglich. Glücklicherweise wehte nur eine schwache Brise, und es gelang uns deshalb die Landung. Der Hauptzweck des Besuches dieser Landschaft war, festzustellen, ob die vor etwa 1½ Jahren erfolgte Einsetzung des Häuptlings Bogias Schwierlgkeiten im Gefolge hatte oder ob die Eingeborenen ihn als Haupt anerkennen würden. Unter den Eingeborenen, die uns bei der Landung in der zuvorkommendsten Weise behilflich waren, war der erste, der uns begrüßte, der eben genannte Bogias. Wir besuchten mit ihm die am Strande sich entlang ziehenden Niederlassungen der Eingeborenen und kamen dann nach Passierung einer vorspringenden Landzunge in das eigentliche Dorf „Siara“. Auch hier wurden wir, wie an den übrigen Plätzen, von den Eingeborenen gut ausgenommen. Das Dorf macht einen ansehnlichen, verhältnismäßig recht saube- ren Eindruck. Ich unterhielt mich mit verschiedenen Eingeborenen, dle auch zum größten Teile schon bei Weißen gearbeitet haben. Sle waren alle zufrieden und hatten nach ihrer Angabe keinen Anlaß zu Klagen. Mit ihren Inlandnachbarn leben sie, wie sie ver- sicherten, in gutem Einvernehmen. Mit der Wahl des Boglas als des von der Regierung bestellten Häuptlings waren sie offensichtlich zufrieden. Boglas versicherte mir auch, er habe keinerlei Schwierigleiten gehabt, sondern sel von seinen Stammesgenossen willig als Oberhaupt anerkannt worden. Mit Stolz holte er aus seiner Hütte die Zelchen seiner Würde, Häuptlingsmütze und Stab, hervor und brachte aus einem Holzkoffer, wohl verwahrt, die Bestallungs- urkunde heraus, durch die seine Einsetzung als Häupt- ling von dem Gouverneur bekräftigt worden war. Vor Einbruch der Dunkelheit kehrten wir an Bord des „Seestern“ zurück und nahmen nun direkten Kurs nach Namatanai.