W 68 20 steht es aber auch mit den Rohmaterialien, die wir, wie ich noch zeigen werde, aus unseren Kolonien beziehen können, und wenn man heute in allen Teilen der Welt nach neuen Petroleumquellen sucht und unter den hohen Monopolpreisen des Salpeters dahin gelangt ist, dies Produkt auf künstlichem Wege herzustellen, so wird man wohl bei anderen Rohmaterialien, bei denen es nicht viel besser sieht, als bei jenen bekannten Weltmonopolartikeln Pe- troleum und Salpeter, vor allem daran denken müssen, in seinem eigenen Kolonialbesitz unab- hängige Hilfsquellen gegenüber der Vertrustung des Weltmarktes und der Abhängigkeit von diesem zu schaffen. Dem Flächenausmaß nach hat Deutschland den dritigrößten Kolonialbesitz in der Welt. Deutsch- land besitzt sowohl Ansiedlungskolonien als auch Plantagenkolonien, aber das Verhältnis dieser beiden ist nicht sehr bekannt. Man darf annehmen, daß die Hälfte unseres Kolonialbesitzes der Fläche nach Ansiedlungskolonien sind und die andere Hälste Plantagenkolonien. Als Ansiedlungs- kolonien kommen in Frage Deutsch-Südwest- afrika in der eineinhalbfachen Größe des Deutschen Reiches und diejenigen hochgelegenen malaria- freien Strecken von Deutsch-Ostafrika, welche etwa die Größe des Königreichs Preußen haben. Roh gesprochen also sind zweimal die Flächen Deutsch- lands in unseren Kolonien Ansiedlungskolonien, wenn man aus der Südsee diejenigen für Euro- päer bewohnbaren Inseln noch hinzurechnet. Die andere Hälfte Deutsch-Ostafrikas mit seinen tropi- schen Gebieten und seiner Küste, Kamerun und Togo und die tropischen Südseeinseln und Neu- Guinea, gleichfalls im Ausmaß zwei- bis dreimal so groß wie das Deutsche Reich, sind Plantagen- kolonien, d. h. sie sind für den dauernden Aufent- halt von Europäern nicht geeignet. Dieses Ver- hältnis kann sich mit der Zeit vielleicht zugunsten der Ansiedlungskolonien um ein geringes ver- schieben. Wichtig ist nunmehr auch, die Bevölkerung ins Auge zu fassen, und man kann dabei sagen, daß Deutschland hierbei nicht schlecht gefahren ist. Die westafrikanischen Kolonien, Togo und Kamerun, wenn sie auch zur Zeit noch eine moralisch sehr min- derwertige Bevölkerung tragen, haben doch das- jenige Menschenmaterial, welches in den Vereinig- ten Staaten zur Zeit die Baumwollproduktion allein besorgt. Und wenn auch die klimatischen Verhält- nisse sehr verschieden sind und demnach die Arbeits- leistung der Eingeborenen in den tropischen und überaus feuchten westafrikanischen Kolonien nie sehr hoch wird gespannt werden können, so findet dies doch einen Ausgleich in den außerordentlich fruchtbaren Gebieten, die eben eine so intensive Arbeit nicht erfordern. In Ostafrika haben wir im allgemeinen ein nicht unbrauchbares Menschen- material, welches über das Gebiet allerdings sehr ungleich verteilt ist. In dem großen südwestafrika- nischen Besitz ist leider der wichtigste und, wie sich wohl behaupten läßt, auch für die Arbeit brauch- barste Stamm der Hereros in dem Kriege der letz- ten 2 Jahre dezimiert worden. Immerhin wird sich auch dieses Volk unter verständiger Fürsorge retablieren können. Wenn ich nun an die Beantwortung der Haupt- srage gehe: können wir uns einen erheblichen Absatz für heimische Produktion auch in unseren Kolonien schaffen, so kann man dies ohne weiteres bejahen. Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, daß gegenwärtig die Ausfuhr aus Deutschland nach unseren Schutzgebieten im wesentlichen auf Kriegs- bedürfnissen aufgebaut sei. Von den rund 100 Mil- lionen Mark deutschen Handels mit den Schutz- gebieten ohne Kiantschou, Ein- und Ausfuhr zu- sammengerechnet, den das Jahr 1905 gehabt hat, entfällt auf die Exporte für die kriegerischen Unter- nehmungen in Südwest überhaupt nichts. Die Militärtransporte und Nachschübe sind in der Sta- tistik nicht gezählt. Die Einfuhr allein in den afrikanischen Schutz- gebieten betrug im letzten Jahre 63 Millionen Mark, während die nach einem der wichtigsten überseeischen Absatzgebiete, nämlich China, nur 53 Millionen Mark betrug. Der Anteil Deutschlands an dem Gesamthandel unserer Kolonien ohne Kiautschon stieg nach deren eigener Handelsstatistik von 50,70% auf 63,7% von 1903 bis 1905, Eng- lands Anteil ist von 11,5%% auf 6,2005 gesunken, und Nordamerika und Japan, die unseren Anteil am chinesischen Handel von 6 auf 595 herabdrückten, lommen als Konkurrenten in unseren Schutzgebie- ten nicht in Frage. Man sieht also, wie sich unsere Kolonien zu sicheren Absatzgebieten unserer In- dustrie entwickeln. Prozentual besonders rasch steigt der Handel in Deutsch-Ostafrika, wo der Gesamthandel von 18 auf 27 Millionen Mark und die Einfuhr von 11 auf 17 Millionen Mark von 1903 bis 1905 gewachsen und die Beteiligung Deutschlands daran jetzt unter Zu- rückdrängung Sansibars an erster Stelle steht. Es ist nun behauptet worden, daß die Bevölke- rung in unseren Kolonien nicht konsumfähig sei, und das ist bis zu einem gewissen Grade richtig- Aber unrichtig ist, daß sie nicht konsumfähig gemacht werden könne, das ist eben die Kulturarbeit, die an dieser Bevölkerung getan werden muß. Mit dem Steigen der Kultur steigen die Bedürfnisse und mit dem Arbeitslohn die Kaufkraft und die Kauflust. Ich würde Sie ermüden, wenn ich Ihnen an dem Beispiel der anderen englischen, portugiesischen und französischen Kolonien zeigen wollte, wie starl auch in Plantagenkolonien die Einfuhr, das heißt