V. 112 20 Heimat muß lernen, diese Leute zu be- lohnen nach ihrem Opfer und nach ihrer Leistung, sie muß ihnen ihre Karriere und ihre Zukunft so gestalten, daß die besten Leute in den Dienst der Kolonien kommen und für sich selbst einen freien Blick, eine große Er- fahrung und mannigfache Eindrücke mitbringen, die ihnen für den Rest ihres Lebens Reichtum an Gedanken und Freude am Geschaffenen zu- rückläßt. Nicht anders aber der Farmer und der Plantagenbauer. Auch sie haben mancherlei neue und ungewohnte Arbeitsmethoden zu be- meistern. Sie haben den Umgang mit einer fremden Rasse zu lernen; sie werden in ihren Kulturen mancherlei Fehlschläge zu erwarten haben, sie müssen wissen, daß nur unermüdlicher Fleiß, genaue Verfolgung der Erfahrungen der anderen kolonisierenden Nationen, richtige Be- urteilung der Lage des Weltmarktes oder der Bedürfnisse ihrer Umgebung sie vorwärts bringen kann. Und nicht zuletzt muß der Kaufmann, derjenige, der zuerst mit den fremden Kulturen, mit den fremden Menschen in Berührung kommt, sich alle Zeit eingedenk sein, daß er nicht nur seiner wirtschaftlichen Erfolge halber da ist, son- dern daß der Schutz, den ihm das Deutsche Reich in seinen Unternehmungen gewährt, auch die vor- nehme Aufgabe bringt, sich dem Deutschen Reiche als Kulturträger würdig zu erweisen. Diese drei letztgenannten Klassen stehen ja schon ziemlich lange im Kolonialwesen, und sie haben ihre Er- fahrungen gemacht, sie haben gern gelernt, und es ist mit Freude zu konstatieren, daß sie sich alle diesen neuen Aufgaben ernsthaft anzupassen versuchen. Aber auch da ist der Erfolg nicht überall vorhanden. Ganz besonders schwierig liegt die Sache bei den Beamten, deren heimische Vorbildung besonders ungeeignet ist, ein schnelles Einleben herbeizuführen, und die mit manchem europäischen Gepäck in die Kolonien abmarschieren, das sie je eher je besser über Bord werfen, um auf die Entwicklung derjenigen Eigenschaften den größten Nachdruck zu legen, die, mit einem un- ersetzten Fremdwort der Engländer, einen „Gentle- man“ machen und in dem Nachbarn einen solchen sehen. Meine Herren, wenn ich die Liste der Be- amten und der Offiziere durchsehe, deren un- mittelbarer Vorgesetzter ich den Vorzug habe zu sein, freut es mich, daß gerade unter den tüchtigsten besten, denen, die dem Ideal am nächsten kommen, Ihre Landsleute vertreten sind. Wir haben einen bayerischen Gouverneur in einer unserer Kolonien, der ein echter und vor- trefflicher Mann ist. Wir haben unter den Helden, die selbst in Todesnot unnötiges Blutvergießen!. verhütet haben, den Grafen Fugger, dessen heldenmäßiges und tragisches Ende jedem von Ihnen bekannt ist. Etwa 1000 Bayern sind bisher als Beamte und Militärs in dem vater- ländischen Dienste der Kolonien gewesen. Aber nicht nur für unsere Kolonien, auch für unsor inneres deutsches politisches Leben werden wir aus dieser eben gekennzeichneten klaren und selbst- losen Verfolgung großer Ziele keinen geringen Gewinn haben. Die Gleichgültigkeit der deutschen Nation gegenüber den Kolonien hat es zuwege gebracht, daß einige eifrige Männer mit Motiven besonderer Art und einseitigen und zum Teil kleinlichen Gesichtspunkten um unser koloniales Wesen große Scheiterhaufen angegündet haben, in denen sie versuchen, unsere Bestrebungen, unsere Beamten, unsere Einrichtungen und unser Wollen in Bausch und Bogen zu verbrennen. Neben diese Scheiterhaufen haben sie die eigenen kleinen selbstsüchtigen Suppentöpfchen gestellt, um dort ein Gebräu gar zu machen, das sie als die Essenz des deutschen kolonialen Wesons und Strebens ausgegeben haben und mit dem sie unsere Nation und, wie ich hoffe, nicht zuletzt sich selbst vor In= und Ausland heruntergesetzt haben. Meine Herren, diesen Scheiterhaufen werfen wir zusammen, und wir errichten an seiner Stelle ein Fanal hoch und klar, wie ein elektrisches Licht und kalt wie die Wahrheit, die wir versuchen zu verbreiten ohne Beschönigung und ohne Selbstgefälligkeit, aber mit denjenigen gesunden Sinnen für Aktion und Fortschritt, ohne die wir weder im Kolonialwesen noch in einer anderen Politik gedeihen können. Um dieses Fanal können sich alle deutschen Stammesgenossen von Süd und von Nord, alle Konfessionen, alle Berufsstände zusammenfinden, jeder intellektuelle Deutsche gehört in diese Armeec, und das ist der Gelehrte wie der Kaufmann, der Beamte wie der Arbeiter, nämlich jeder Arbeiter, der sich von der unfruchtbaren Verneinung und von den längst überwundenen, aber desto heiliger gehaltenen Vorurteilen und Doktrinen freimacht und sich ent- schließt, mit seinen eigenen Gedanken sein eigenes Dasein zu verstehen. Auf dieser Armee beruht aber nicht nur die koloniale Zukunft Deutschlands, sondern die Zukunft unserer ge- samten deutschen Politik, und wenn sie sich ein- mal hier zusammengefunden hat, so kann man die Hoffnung hegen, daß auch in anderen großen nationalen Fragen diese selben Elemente sich zusammenfinden, um sic zu lösen in nationalem Sinne zur Ehre des deutschen Namens und zum Heile unseres großen gemein- samen deutschen Vaterlandes. 1# 1#