W 153 20 Finanzwirtschaft sprechen? Hierbei muß zunächst von Südwestafrika abgesehen werden, das nach zwei langen Kriegsjahren eine außerordentliche Zerstörung an Leben und Eigentum mit sich ge- bracht hat, unserem Vaterlande die größten finan- ziellen Opfer auferlegt und jetzt erst wieder am Beginn einer friedlichen und, wie wir hoffen dürfen, glücklicheren Entwicklung steht. In einer Denkschrift, welche dem Deutschen Reichstage mit dem Titel: „Die finanzielle Entwicklung der deutschen Schutzgebiete ohne Kiautschon“ vorgelegt worden ist, ist aus amtlichem Material nachge- wiesen worden, daß im Jahre 1903 die ge- samten Ausgaben des südwestafrikanischen Schutz- gebiets, ohne die Militärlasten, 4,81 Millionen, die gesamten Einnahmen 2,23 Millionen gewesen sind. Und wenn man die für die reinen Zwecke der Verwaltung — abgesehen von den für werbende Zwecke — gemachten Auslagen mit den reinen Einnahmen vergleicht, so überstiegen die Ausgaben in diesem Jahre die Einnahmen noch um 1 310 000 Mk. Wie sich die Sache von nun ab gestalten wird, ist schwer sicher zu überschauen. Der Krieg ist ja erfreulicherweise seinem Ab- schluß sehr nahe gerückt, die weiße Bevölkerung hat zugenommen, die Industrie beginnt sich neuerdings zu entwickeln, deutsche Kapitalien gehen befruchtend in das Land, und die Land- gesellschaften haben angefangen einzusehen, daß ihre bisherige Politik eine verkehrte war, die den Unwillen von Parlamem und Bevölkerung, zum Teil nicht mit Unrecht, hervorgerufen hat, aber mmmerhin muß dieses Land noch stark besetzt werden; es ist, wenn mineralische Schätze nicht m erheblichem Umfange noch neu erschlossen werden, minder begünstigt. Und wenn es auch dem deutschen, regsamen Ansiedler, der mit dem hinreichenden Kapital dort hinkommt, einen ziemlich scheren Erwerb bieten wird, so ist die Frage der Staatseinnahmen und zausgaben doch mit vielen unsicheren Faktoren umgeben. Ein Eden wird leses Land vielleicht nie werden, aber ein Land, in dem tüchtige Deutsche ein erfreuliches Dasein in größerer Anzahl führen werden, alsjetztangenommen wird. Ich scheide aus den erwähnten Urfachen deshalo Südwestafrika zunächst aus. G Dann aber stellt sich die Frage der eigenen Znnahmen unserer Schutzgebiete, wie folgt: Aus- whließlich Südwestafrika betragen nach dem Etat für das Jahr 1906 einschließlich der Ersparnisse aus srüheren Rechnungsjahren die eigenen Einnahmen 10 316 000 Mk., und sie sind für das Jahr 1907 geschält auf 11 240 000 Mk. Diesen Einnahmen * an fortdauernden Ausgaben vorläufig noch a 326 000 Mk. gegenüber. Diese Ausgaben nthalten die militärischen Lasten der Kolonien und eine Anzahl von Ausgaben, welche für die Vorbe- reitungen werbender Zwecke gemacht werden. An einmaligen Ausgaben sind 2 887 000 Mk. vorge- sehen. Die reine Verwaltung unserer sämtlichen Kolonien ausschließlich der militärischen Ausgaben kostete im Jahre 1905 8 820 000 Mk., die reinen Verwaltungseinnahmen betrugen 10 920000 Mk., d. h. die reinen Einnahmen überstiegen die Ver- waltungsausgaben in diesem Jahre bereits um 2,10 Millionen Mark. Vergleicht man dagegen die Ausgaben einschließlich derjenigen zur Förderung oder Errichtung werbender Anlagen mit den Ge- samteinnahmen, so kommt man in den gleichen Jahren auf ein Defizit von rund 8,8 Millionen. Von unseren Kolonien ist ganz aktiv Togo, bis auf den Militäraufwand aktiv Kamernn, nahezu aktiv Deutsch-Ostafrika. Über Südwest- afrika ist bereits gesprochen. Mit anderen Worten, wenn man die Formel der Engländer anwenden würde, wonach Ausgaben für werbende Zwecke auf Anleihen der Schutzgebiete übernommen werden, die Militärlasten aber zum größten Teile auf dem Budget des Vaterlandes ruhen, würde ein großer Teil unserer Kolonien einen Uberschu der Einnahmen über die Ausgaben zeigen, der zur Verzinsung mäßiger Anleiheschulden verwend- bar wäre und eine Selbstverwaltung in beschränktem Umfange rechtfertigen könnte. Um Ihnen das englische Schema zu zeigen, möchte ich Sie auf die Verhältnisse der Kapkolonie hinweisen. In der Kapbkolonie eristiert eine IGendarmerie, genannt „Jäger zu Pferde“, be- stehend aus 709 Offzieren und Mannschaften. Außerdem ist auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1878 jeder gesunde Mann in der Kolonie zwischen 18 und 50 Jahren zum militärischen Dienst ver- pflichtet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kolonie. Hieraus rekrutieren sich im wesent- lichen 9113 sogenannte Freiwillige. Daneben besteht natürlich noch die lokale Polizei. Dagegen erhält England in der Kapkolonie einen Anteil aus der Reichsarmee, ein Kontingent von unge- fähr 9000 Mann und 4 Kriegsschiffen; während die Kosten der Verteidigung der Kolonie, wolche derselben obliegen, 262 000 Pfund Sterling be- trugen = 5 300 000 Mk., hatte das Reichsbudget zu tragen 506 000 Pfund Sterling = etwa 10½ Millionen Mark. Ihre werbenden Anlagen deckt die Kapkolonie aus Anleihen, welche ohne Garantie der Heimatsregierung ausgegeben werden. Die Kolonie hatte am 1. Jannar 1905 eine öffentliche Schuld von 800 Millionen Mark, ein- schließlich 100 Millionen Mark Stadtanleihen. Nahezu der ganze Betrag der Anleihe ist für öffentliche Arbeiten ausgegeben, und zwar etwa fünf Achtel für Eisenbahnen. Es ergibt sich also“ folgendes Bild: Die Kolonie deckt ihre eigenen Verwaltungsausgaben und den Dienst ihrer