W 157 20 lassen, Eisenbahnen zu bauen, die zunächst wirt- schaftlich überhaupt keine Räson zu haben scheinen, und in dieses Kapitel gehört die Möglichkeit der Unterdrückung von Aufsständen, die nur in den allerseltensten Fällen da vorkamen, wo schnell Truppen erscheinen können, da sie dann auch für eine Ausbreitung keine Möglichkeit haben, weil entsprechende Vorbengungsmaßregeln getroffen werden können. Durch die Eisenbahn wird auch der Wert des Kronlandes erhöht, das einen Teil des Finanz- vermögens des Staates bildet. Für Südwest- afrita wurde von dem kolonialrechtlichen Sach- verständigen Dr. Hermann Hesse die Größe des Kronlandes, das der Regierung zu Siedelungs- zwecken zur Verfügung steht, einschließlich des Be- sives der uns im Aufstande feindlich gewesenen Stämme, auf 50 000 000 Hektar berechnet. In Ostafrika ist der Wert des Kronlandes wohl noch bedeutender als in Südwest. Dazu kommt Ka- merun mit beträchtlichem Kronland, wogegen dessen Bedentung in Togo eine geringere ist. Das gleiche wie für das Kronland gilt auch für die Regalien, d. h. die Nutzungsrechte des Staates bezüglich Jagd, Fischerei, Forsten und besonders des Bergbaues — alles Finanzquellen, die bei einer fortschreitenden Erschließung des Landes durch Eisenbahnen nur gewinnen können. Es kommt dazu der Vorteil, daß Epidemien und Viehseuchen bekämpft und dadurch wichtige Aktiven erhalten werden können. Ebenso wichtig ist aber auch, daß durch die Eisenbahn der Ein- äug der Kultur materiell und ideell gefördert wird, was neben der bereits erwähnten Steigerung der Einfuhrzölle auch eine Ausbreitung christlicher Ge- littung und eine Erleichterung des Missionswerkes bedeuet, und das sind geistige Waffen gegenüber Roheit und Unkultur, die nur Toren unterschätzen können. Die Missionsfrage ist eine außerordentlich schwierige, und ihre Lösung schreitet in Afrika ganz besonders langsam vorwärts. Sie würde en ansgewandten Mühen der Missionare und Lehrer entsprechenden Fortgang nehmen, wenn die entsprechenden Verkehrswege geschaffen werden. Dies hat sehr fein und geistreich der Pater Acker von der Mission in Horrem kürzlich in einem Vortrage auseinandergesetzt. Weiter aber sind die Eisenbahnen auch ein Vorbeugungsmittel gegen eine in unkultivierten und unzugänglichen Ge- genden nicht gerade seltene Erscheinung, nämlich as Entstehen einer lokalen Hungersnot, die, wie er Forschungsreisende Kaiser versichert, z. B. in lganda im Jahre 1898 bei einem Stamme nicht weniger als 15 Prozent und bei einem anderen logar 25 Prozent der einheimischen Bevölkerung dahingerafft hat. Schließlich aber geben die Eisen- ahnen den Eingeborenen eine leicht erlernbare Arbeit und Beschäftigung und gewöhnen sic, die ja zum großen Teile noch nomadisch leben, an eine gewisse Tätigkeit, wie ja auch bei der Uganda- bahn im Jahre 1905 bereits über 3000 afri- kanische Eingeborene gearbeitet haben, während vorher die Arbeiter überwiegend importierte indische Kulis gewesen sind. Der staatlichen Erbauung und dem Staats- betriebe der Eisenbahn sind gleichzustellen solche Bahnbauten, welche von Privatunternehmern ge- baut, von ihnen auf eine bestimmte, nicht zu lange Reihe von Jahren gepachtet sind und welche als- dann zu ihrem Zeitwert auf den Staat über- nommen werden können; ja in gewisser Beziehung genießen diese einen Vorzug so lange, als die Einrichtung von Verwaltung und der Ersatz der Beamten noch mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Der nächste Leitsatz beschäftigt sich mit der Art der fiskalischen Einnahmen, die aus den Kolonien gezogen werden können, und stellt zu- nächst unzweifelhaft richtig fest, daß dafür eine auf alle Kolonien, besonders wenn sie in ver- schiedenen Weltteilen gelegen sind, anwendbare Grundnorm nicht gegeben werden kann. Aber in dem folgenden Satze wird doch im allgemeinen als richtig hingestellt, daß die indirekten und Ertragssteuern für Kolonien, die sich aus Ein- und Ausfuhrzöllen, Produktionsabgaben, Umsatz= steuern beim Verkauf von Grundeigentum, Wert- erhöhungssteuern ergeben, unter Hinzuziehung der Lizenzen für bestimmte Gewerbe, den Vorzug ver- dienen. Direkte Steuern haben schon den Nach- teil, daß sie, abgesehen von der rohen Form, in der die Hüttensteuer erhoben wird, große Ver- anlagungsschwierigkeiten machen und ein unver- hältnismäßig großes Personal erfordern, mit dem man in den Tropen ganz besonders sparsam zu sein hat. So schließt die Steuer= und Abgaben- liste der Kapkolonie das Folgende ein: Zölle ein- schließlich Hafenabgaben, Hüttensteuer, Grund- stener, Versteigerungssteuer, Erbschaftssteuer, Hans- steuer, Stempelsteuer, Banknotenstener, Steuer auf den Ausschank geistiger Getränke, Gerichts- gebühren, Minenabgaben. Dies System der in- direkten Steuern, Verkehrs= und Ertragssteuern hat den Vorzug, daß es langsam und nach der Leistungsfähigkeit der Kolonien eingeführt werden kann und hinreichend flexibel ist, auch in un- günstigen Jahren keine zu scharfe Belastung zu geben. Solange aber eine Kolonie noch nicht sehr leistungsfähig ist, solange sie noch im ersten Stadium ihrer Entwicklung steht, muß auch der Fiskalismus sich eine größere Zurückhaltung auf- erlegen, und es ist ganz gewiß ein Fehler der deutschen Kolonialverwaltung gewesen, daß sie das Fiskalsystem gleich von vornherein zu umfang- reich und zu detailliert gestaltet hat und dadurch