W 287 20 praktischer Tätigkeit leider nicht viel Zeit ließen. Hier soll nur vom „Kalid“ als Arzt die Rede sein. Die Zahl der Kalids beiderlei Geschlechts ist sehr groß; es gibt unter ihnen mehr oder weniger berühmte Leute. Meist an einem land- schaftlich ausgesucht schönen Platze, auf steiler Bergeshöhe, oder auf einer Klippe am Meere, auch auf einer lieblichen Wiese am Bache steht das Kalidhaus, in dem der Zauberer aber nicht wohnt, sondern nur Konsultationen erteilt. Das Kalidhans unterscheidet sich schon äußerlich von den anderen öffentlichen oder privaten Gebäuden Es ist in der Regel zweistöckig, außen mi wunderbaren Linien und Verzierungen bemalt, die auf die Phantasic des Besuchers berechnet sind und ihn in die richtige Stimmung, in den geheimmisvollen Schauer vor dem Übernatürlichen dersetzen sollen. Im unteren Stockwerk warten 155 sets in großer Zahl mitkommenden Ange- Pb Zen, während der Rat Heischende sich in das obere Stockwerk begibt, das durch Zwischenwände im mehrere zZellen geteilt ist. In einer dieser Zellen, in einem kastenartigen Gehäuse, sitzt der Kalid. Nachdem er sich durch fortwährendes Kauen großer Mengen von Betelnüssen in einen rauschartigen Zustand versetzt hat, gibt er mit kremdartig klingender Stimme seine Anweisungen; diese lauten meist dahin, daß der „Kalid“, der Geist, ein Schwein oder sonst eine größere Menge Lebensmittel wünscht. Oft tut er es nicht billig, sondern verlangt bedeutende Summen in Palau= geld, Summen, die nach unserem Werte zwischen 10 und 500 Mark variieren. Eine auch für senotische Arzte annehmbare Taxe! Die ge- rderte Summe wird anstandslos bezahlt. Nun verkündet der Kalid, daß der werd 2 Kranke gesund berden würde. Stirbt er trotzdem, so ist eben ein noch mächtigerer und wahrscheinlich von Leuten, die aus irgendwelchen Gründen ein Interesse an dem Tode des Betreffenden hatten, noch besser bezahlter Kalid an der Arbeit gewesen. Hier möchte ich gleich erwähnen, daß „Kalid“ sowohl der Ausdruck für die Geister, als auch für den Zauberer ist, der den Verkehr mit den ersteren vermittelt. Der Kalid als Arzt führt en Beinamen „Mangelil“. Die Laufbahn der Kalids datiert meist von einem ganz bestimmten Zeitpunkte ab. Sie werden gewissermaßen „erweckt". Bei einigen beginnt die Praxis mit einem wirklichen oder singierten Deliriumsanfall. Diese mir von Ein- geborenen gemachte Angabe stimmt mit Semper überein, dem ein alter Häuptling auf Kaiangel erzählte, daß die Kalids Menschen seien, welche ihren gewöhnlichen Verstand verloren und ein wenig von dem der wirklichen Kalids bekommen hätten. Das war auch bei dem Kalid Ardial von Angkaklau der Fall, mit dem ich persönlich in Berührung kam. Er ist ein brachycephaler Mann mit auffallend vornehm geschnittenem, sehr intelli- gentem, aber verschlagenem Gesicht. In Natpang hauste während meiner Anwesenheit auf Palan eine Kalidfrau; sie erteilte ihre Weisungen nur, wenn sie in einen somnambulen Zustand ver- fallen war. Leider ist es mir nicht möglich ge- wesen, diese interessante Frau zu besuchen, da eine Reise von Mologejok nach Natpang sehr beschwerlich und zeitraubend gewesen wäre; doch hoffe ich, bei meinem nächsten Aufenthalt diesen Besuch nachzuholen. Ganz im Gegensatze zu denen von Jap be- fassen sich die „Mangelils“ in Palau nicht mit der Ab= oder auch nur mit der Angabe von Medikamenten an die Kranken. Sie erteilen lediglich Rat, üben gewissermaßen nur konsultative Praxis aus. In dem Falle einer kranken Rupak- frau in Koros, wo es sich wahrscheinlich um ein Uterusleiden mit wiederkehrenden Blutungen handelte, bat die Frau ihren Mann, mich aufzu- suchen. Dieser aber, ein enragierter Kaliddiener, fuhr sie an: Der Kalid, der dich krank gemacht hat, wird dich auch wieder gesund machen. So wurden alle möglichen Kalids konsultiert, Feste und Tänze veranstaltet, um die Geister zu ver- söhnen. Doch der Zustand der Frau verschlechterte sich immer mehr. Eine Kalidfrau gab schließlich folgende Erklärung des Krankheitszustandes ab: Rings um das Haus der Frau schlichen zahlreiche Geister, die ihren Körper zerrissen und so die Blutung erzeugten. Diese Geister mußten natürlich verscheucht werden durch zahlreiche Sühnopfer, die wohl alle ihren Weg in die Schatz= und Speise- kammer der schlauen Kalidfrau gefunden haben. Die Zahl der Arzneikräunter und Früchte ist sehr groß, ihre Kenntnis wie ihre Anwendung sehr verbreitet. Hier will ich nur erwähnen, daß als Adstringens bei blutenden Wunden der Saft der Limonen verwandt wird und daß auf die Wunde selbst gestampfte Limonenblätter gelegt werden. In großem Umfange wurden früher von den Mädchen Abtreibemittel eingenommen, als die noch herrschende „Mongol“-Sitte (s. u.) eine möglichst lange Erhaltung jugendlicher Reize erheischte. Interessant ist die Anwendung von Knebel- tourniquets bei schmerzhaften Kopf= und Bauch- leiden; ich sah sie oft so fest gedreht, daß es mir unfaßbar schien, wie die Leute den Druckschmerz aushalten konnten. Bei Entzündungen der ver- schiedensten Art wird ein Haarseil angewendet, man bohrt dabei Kokosbindfaden von Streichholz-= dicke in eine Stichwunde hinein, um eine ab- leitende Eiterung zu erzeugen. Der gleiche Brauch herrscht übrigens auch in Jap.