G 288 20 Bei einem Besuche des verfallenen Kalidhauses in Angeklau an der Ostseite von Palau erwarb ich eine Reihe von geschnitzten und bemalten Holzsiguren; sie waren an den Fenstern des oberen Stockwerkes aufgestellt und hatten mit ihren starren Gesichtern dazu beitragen müssen, den Hilfesuchenden in die richtige gläubige Stim- mung zu versetzen. Leider konnte ich bei der Abneigung der Pa- lauer, Fremde in die Mysterien des Kalidkultus einzuführen, nichts Authentisches über die Bedeu- tung der Figuren erfahren. Ich vermute aber aus verschiedenen Gründen, daß einige kleinere Holzfiguren, schwangere Frauen darstellend, in Beziehung standen zu der Aufgabe des Kalids, leichte Entbindungen bei den Geistern zu erbitten. Ferner befanden sich da noch die etwa einen Meter hohe Statue eines Europäers mit Zylinder, kurzer schwarzer Jacke, weißen Beinkleidern und erheblichen O-Beinen, sowie die Figur einer nackten weiß angemalten europäischen Frau. Ich bemerke hierbei, daß die Palaufrauen darstellen- den Figuren bekleidet waren. Jene beiden Puppen standen offenbar mit der politischen Aufgabe der Kalids, Palau von den weißen Eindringlingen zu befreien im Zusammenhang und wurden wohl bei den Bezauberungen als Fetische benutzt. * r * Die klassischen Arbeiten von Kubary und Semper gelten für das heutige Palau noch ebenso, als wären sie heute verfaßt. Eine fast zwanzig- jährige Tätigkeit der Mission hat wenig vermocht, die Palauer ihren alten Sitten und Gebräuchen zu entfremden. Aus der Fülle des interessanten Volkslebens greife ich nur diejenigen Beobach- tungen heraus, welche zu den Gesundheitsverhält- nissen des Volkes in Beziehung stehen. Da ist vor allem das einst blühende, seit einem Jahre von der Regierung aufgehobene „Armongol“= Wesen zu nennen. In jedem Dorfe existierten (und existieren auch heute noch) mehrere Klubs, die ihre eigenen Versammlungshäuser haben. Diesen Klubs dienten jeweils eine Anzahl von Mädchen längere Zeit. Nach Ablauf ihrer Zeit kehrten sie reich belohnt in das Elternhaus zurück. Das Motiv der Mädchen, in solche Klubhäuser zu gehen, war, wie mir wiederholt von Palau- frauen versichert wurde, einzig und allein das Streben nach Geld, das Streben, ihre Familie reich zu machen. Die Habgier ging so weit, daß früher bei Geburt eines Kindes der Vater unge- halten wurde, wenn es ein Knabe war, daß er deswegen nicht selten die Frau sogar verstieß, während ihn die Geburt eines Mädchens hoch erfreute. Denn dieses brachte später viel Geld ins Haus.“) Leider wurden früher auch Mädchen im Kindesalter, mit 8 bis 9 Jahren, von ihren habgierigen Vätern in die „Bais“, d. h. Klub- häuser, gegeben — angeblich nur, um die älteren Mädchen zu bedienen. In vielen Fällen wurden aber auch diese Kinder geschlechtlich benutzt. So fand man in den „Bais“ alle Altersklassen zu- sammen, vom Kinde bis zur „Matrone“. Hier spielte sich dann jenes ungenierte Leben ab, das die alten Jesuitenmissionare zu einem so herben Urteil über die Palauer veranlaßt hat. Nament- lich Cautova entwirft ein abschreckendes Bild. Außer den Mitgliedern des Klubs hatte aber jedes Mädchen auch noch im Dorfe einige Lieb- haber, mit denen es außerhalb des Bais zu- sammenkam und von denen es später, wenn seine Zeit um war, ebenfalls Geld einkassierte. Als Folge dieses namentlich in den letzten Jahren ausartenden Zustandes kam es vor, daß in manchen Dörfern die jungen Männer sämtlich Junggesellen, die jungen Mädchen aber alle „Mongols“ (Klubmädchen) in den Bais eines oft weit entfernten Dorfes waren. Die Kinder- zahl ging immer mehr herab, zumal auch die „Mongols“, wenn sie schwanger wurden, meist die Frucht abtrieben. Der Ausbreitung geschlecht- licher Krankheiten war Tür und Tor geöffnet. Bald zeigten sich die guten Folgen der im Jahre 1905 erfolgten Aufhebung dieser Landes- sitte. Es wurden wieder Ehen geschlossen, zahl- reiche, auch ältere Frauen wurden schwanger. Heute beginnt sich wieder etwas mehr Familien- leben auszubilden. Eine zweite Volkssitte von weittragender hygienischer Bedeutung ist die Benutzung gemein- samer nach Geschlechtern getrennter Badeplätze. Im Gegensatze zu den Japern sind die Palauer Fanatiker für körperliche Sauberkeit. Mehrmals am Tage wird ein Bad genommen, außerdem noch nach jeder Anstrengung, die den Körper etwa in Schweiß gebracht hat. Nach jeder Mahl- zeit wird der Mund gereinigt und gespült, wer- den die Hände besonders gewaschen. Leider hat diese an sich sehr sympathische Gewohnheit ihre großen Schattenseiten. Die Badeplätze sind große mit Steinen ausgelegte, in die Erde gegrabene Bassins, welche meist etwas abseits vom Dorfe in reizender Umgebung liegen. Diese Bassins sind 8 bis 10 m im Quadrat groß und 1½ bis 2 m tief. Wenngleich nun auch der Boden dieses Bassins etwas durchlässig ist, so erfolgt die Er- neuerung des Wassers doch lediglich an der Ober- fläche durch Uberlaufen nach starken Regengüssen. In trockener Zeit sind die Badeplätze geradezu als stagnierende Sümpfe zu bezeichnen. Da nun *) Ugl. Deutsch. Kol. Blatt 1906. S. 206 ff.