W 444 T Länder beizeiten zu vervollkommnen und den ge- sammten Anbau in moderne Bahnen zu lenken. Mächtig treibende Faktoren kommen hierbei zur Geltung: die Rohstoffversorgung des Mutterlandes und die wirtschaftliche Stärkung der Kolonien selbst. Dort handelt es sich um die für unsere Industrie und Volksernährung unentbehrlichen Produkte, die wir heute in ungeheuren Mengen aus dem Auslande beziehen müssen — jedoch nur um solche Produkte, die sich bei Lohnarbeit in Plantagen-Unternehmungen gewinn- bringend nicht erzeugen lassen — hier um diejenigen Erzeugnisse, die zur täglichen unent- behrlichen Nahrung der Eingeborenen gehören. Zum mindesten kann gefordert werden, daß eine jede tropische Kolonie ihren eigenen Bedarf an solchen Produkten selbst deckt, daß sie nicht darauf angewiesen bleibt, einen gewissen Teil davon aus dem Auslande zu beziehen; sie muß aber ihre Produktion auch dauernd auf einer solchen Höhe erhalten, daß sie bei etwaigen unvorhergesehenen Zwischenfällen — wie z. B. bei Dürreperioden — vor Hungersnot, einer der empfindlichsten wirtschaftlichen Störungen, bewahrt bleibt. Selbst die sinnreichsten, auf afrikanischer Erde schon erdachten Methoden stehen weit zurück hinter dem Mindestmaß der Anforderun- gen, welche die Zukunft an den Ackerbau in Afrika stellen muß. Versagen doch alle jene Methoden — wie allerdings auch in großen Gebieten Indiens — sobald im flachen Lande eine bei der Unbeständigkeit des Klimas in Steppenländern häufiger wiederkehrende Periode der Dürre, eine Mißernte eintritt und damit das Gespenst der Hungersnot im Hintergrunde erscheint. Dann versagt der Ackerbau bei der heutigen Art des Betriebes überall dort, wo bei dem Mangel an Verkehrsmitteln einzelne Landschaften von der Zu- fuhr an Lebensmitteln abgeschnitten werden, weil die üblichen Vorräte nicht bis zur nächsten Ernte vorhalten. Als ich im Frühjahr 1901 während der Hungersnot das Gebiet der Wahiav am oberen Rovuma bereiste, ist es mir von Tag zu Tag immer deutlicher vor Augen getreten, daß hier nur die Unkenntnis rationeller landwirtschaftlicher Methoden jenen fruchtbaren Strich dem Ver- derben ausgeliefert hatte — ein Gebiet, dessen natürliche Bedingungen die Möglichkeit einer Hungersnot eigentlich ausschließen sollten. Zwei Momente sind es, die sich dem Reisenden beim Studium der landwirtschaftlichen Verhältnisse in Afrika besonders eindringlich bemerkbar machen: einmal die Tatsache, daß der Neger im allge- meinen nicht gewöhnt ist, über seinen voraus- sichtlichen Jahresbedarf hinaus zu prodnzieren, und zweitens der Umstand, daß in großen, von der Natur nicht gerade stiefmütterlich behandelten Gebieten ein viel zu einseitiger Anbau be- trieben wird. Die erstgenannte Gepflogenheit verschwindet dort in kurzer Zeit von selbst, wo die betreffenden Produk- tionsgebiete durch Eisenbahnen erschlossen werden, wo neue Absatzmöglichkeiten geschaffen werden, die naturgemäß überall eine Steigerung der Produktion zur Folge haben. Die Methodik des Ackerbaus wird dadurch jedoch nicht be- einflußt, der Neger wird nach wie vor bei der alten Väter Sitte bleiben; alle Mängel und Nach- teile einer antochthonen Kultur eingeborener Naturvölker werden ihr weiterhin Jahrhunderte hindurch als Hemmschuhe anhangen, wenn nicht Belehrung und praktische Unterweisung in den Methoden eines rationellen Ackerbaus Wandel schafft. Die Forderung, in dieser Richtung tätig vor- zugehen, den Neger zum Produzenten zu erziehen, ihm zu zeigen, wie man den Acker- bau nicht nur zum Zwecke der eigenen Ernährung, sondern auch als Gewerbe betreibt, ist selbst- verständlich in erster Linie eine wirtschaftspolitische. Hier treffen sich auch die Interessen der koloni- sierenden Nationen mit denen der produzierenden Bölkerschaften. In Indien hat es lange Zeit gebraucht, bis man zu dieser Erkenntnis gelangte, bis man sich anschickte, systematisch die Produktion der Eingeborenen auf eine höhere Stufe zu heben und damit die wirtschaftlichen Verhältnisse des großen Besitzes zu verbessern. Aber in den letzten Jahrzehnten ist dort außerordentliches geleister worden, namentlich in der Anlage von Versuchs- stationen und Lehrfarmen in allen Provinzen, in der Vervollkommnung der landwirtschaftlichen Methoden, in der Einführung rationeller Betriebs- formen. Wenn auch — wie die amtlichen Be- richte immer wieder betonen und wie aus dem Folgenden ersichtlich ist — noch sehr viel dorrt zu tun übrig bleibt, so genügt doch das Vor- handene schon, um für afrikanische Kolonisations-= arbeit manche Lehren daraus zu ziehen. Von unseren Kolonien ist Deutsch-Ost- afrika dasjenige Land, dessen natürliche Be- dingungen mit denen Vorderindiens die größte Verwandtschaft aufweisen. Gleiche oder ähnliche klimatische Verhältnisse beherrschen beide Gebiete, in beiden finden wir u. a. dieselbe Unbeständigkeit des Klimas, wir treffen über weite Strecken die gleichen Boden- arten und stoßen auf die gleichen Schwierigkeiten, die sich der Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens entgegenstellen. Daher liegt es nahe, bei den verschiedensten Aufgaben der Landeskultur den Blick nach