W 620 20 Spuren früherer Menschensiedlungen in dem un- endlichen Grasmeer, das man von den Hügeln überblickt. Das Land ist gewellt, die einzelnen Schilfstanden sind oft 3 Meter hoch und stehen, eine fast undurchdringliche Mauer bildend, ge- schlossen beieinander. Auf engem Pfade, über dem sich das Riesengras schließt, ist das Vor- wärtskommen um so schwieriger, weil sich in jeder Geländesenke Sumpfland mit dichtverwachsener Palmenvegetation gebildet hat. Diese Dschungeln sind in der Regenzeit selbst für die Eingeborenen Unpassierbar; die eigentliche Verkehrsstraße führt vom Messina Mawede in sieben Stunden nach Gumfok und von dort über Bissoke in dreizehn Marschstunden nach Bengalong, wo schon seit Jahresfrist mehrere Faktoreien unter europäischer Leitung bestehen. Seit zwei Monaten hatte sich ein sehr rühriger Accra-Händler der Firma Lubcke, um den Gummi- quellen, die das Waldgebiet am Njong und Dume bildet, recht nahe zu sein, südlich Bengalong, in Schimekoa, seßhaft gemacht, von wo er, ebenso wie der Händler Zampa von Kabom aus, durch die Makasperre hindurch, Händler nach Bertua vorzutreiben suchte. Bertua wurde bisher vom Süden her, also vom oberen Njong aus, von der Gesellschaft Südkamerun und vom Norden her, von Dendeng aus, von den meisten Firmen des Südbezirks bearbeitet. Der Verkehr nach Dendeng geht über Bengalong, oder von Nanga-Eboko über Mole mit zweimaligem Übersetzen über den Sanaga vor sich. Die direkte Straße Bengalong-Bertua sperrten bisher die Makas des Häuptlings Be- tuge-Rsana, gegen die Sekretär Mühling im Dezember 1905 seinen Nachschubtransport für die Ost-Grenzexpedition durch mehrere Gefechte decken mußte. Den Weg Schimekoa —Bengalong, der aber als Handelsstraße kaum in Frage kommen wird, weil er oft Kilometer weit durch mannes- tiefe in der Regenzeit überhaupt unpassierbare Sümpfe führt, beherrschte der regierungsfeindliche Schname. Gegen Timbi, der acht Haussas hatte ermorden lassen, gegen Schuame und Betuge Nsana richteten sich also von Schimekoa aus meine weiteren Operationen. Schimekoa (Häuptling und Ort führen den gleichen Namen) wird von Beles und Makas bewohnt. Letztere sind überall, wo sie nicht mitten im Urwald sitzen, von den Beles unter- worfen; diese ihrerseits sind ein Sudanstamm, den Wutes und Jekabas eng verwandt; sie er- kennen den Jekaba-Oberhäuptling Nanga-Eboko als ihren Herrn an. Die Beles bauen Rund- häuser, während die Makas, auch wo sie unter Herrschaft von Sudanstämmen leben, die Bantu- Gewohnheit des eckigen Hüttenbaues beibehalten haben. Während die Makas im Urwald von Ngele-Mendnka bis Bertua, in der Parallel= richtung zum Njong und in dem Kickriawald zwischen Bengalong-Schimekoa und Berta regel- los verstreut in zahlreichen Siedlungen leben, sind in der Grassavanne kilometerweite Strecken menschenleer. Wo aber fruchtbarer Ackerboden ist, finden sich geschlossene Dorfschaften und reicher Feldbau. Die spitzen Rundhütten der Beles sind in solchen Mischdörfern von Mais und Durrah= feldern, die Rindenhäuser der Makas in der Regel von Bananenhainen umgeben. Großvieh fehlt überhaupt, und auch an Ziegen und Schafen herrscht auffallender Mangel. Das hohe Schilfgras scheint selbst dem Büffel nicht zuzusagen; auch Elefantenfährten spürten sich nur vereinzelt. Den durchaus falschen An- schauungen gegenüber, die auch in den leitenden Kreisen über den Wildreichtum der Kolonie herrschen, führe ich auch hier wieder an, daß ich auf dem Hunderte von Kilometern langen Marsch von Jannde bis zum heutigen Tage kein einziges Stück Wild auf Läufen ange- troffen habe. Dieser Fleischmangel mag die Ursache sein, daß die Makas selbst ihre eigenen getöteten Stammesgenossen mit Gier auffressen; ja sie haben bereits in der Verwesung begriffene Leichen aus- gegraben und einen mit Petroleum übergossenen beerdigten Gefallenen verzehrt. Kämpften die Omwangs des Häuptlings Ngele-Menduka mit der Muskete, so herrscht um Bertua Bogen und Pfeil vor. Da die Makas sich im hohen Grase oder hinter dicken Bäumen sehr geschickt decken und den Gegner auch furchtlos so nahe kommen lassen, bis sie ihn treffen, sind die Verluste meiner Abteilung gegen Timbi, Schuame und Nsang bedeutend gewesen. Am 13. Dezember ging ich von Schimekoa in den dichten Urwald, wo gefällte Kickriabäume überall zur Evidenz den Unverstand der Kauf- leute und Eingeborenen zeigten, mit starken Pa- trouillen gegen Timbi und gegen Schuame an der Hauptstraße vor. Im letzten Ort wurde eine Gummikarawane der Firma Randad & Stein, die aus Bertua kam, kurz vor dem Eintreffen meiner Spitze zersprengt, zwei abgeschlachtete Etumträger lagen im Dorfe, ein Teil der ge- flohenen Träger fand sich abends beim Zapfen- streichblasen im Lager ein; sie hatten sich, bis zum Halse im Sumpf versteckt, vor den Makas geborgen. Diese leisteten an beiden Plätzen, geschlossen, überhaupt keinen Widerstand, wohl wissend, daß Wald und Sumpf ihr bestes Kampf- mittel sind. Unausgesetzt arbeitete ich mit Pa- trouillen, deren Erfolge in erster Linie den Hilfs- völkern zuzuschreiben sind.