G 672 20 Aufgabe, vor die der überraschende Ausbruch und der wachsende Umfang eines Aufstandes im weiten unerschlossenen Kolonialgebiet uns ellte. Anläßlich der Rückgabe der Bahn in Regierungsbetrieb und der Auflösung des Eisenbahn-Bataillons spreche ich der militärischen Betriebsleitung und dem gesamten Personal meine volle Anerkennung für das Geleistete aus. Ich ersuche Sie, zu geben. diese Verfügung bekannt gez. v. Deimling, Generalmajor und Kommandeur. An Herrn Major Friedrich, Kommandeur des Eisenbahn-Bataillons Swakopmund. 752 Deutsch-Ostafrika. Rechtsgewohnheiten der Wangoni.“) Die Rechtsanschauungen der Wangoni, wie sie in dem nachstehenden Bericht geschildert werden, bestehen zum größeren Teile noch jetzt fort; sie sind aber doch durch die deutsche Herrschaft in manchen Dingen wesentlich beeinflußt. Mancher Brauch, wie Blutrache, ist als unvereinbar mit enropäischer Verwaltung ganz verschwunden oder besteht nur noch im geheimen. Um ein Beispiel aus dem Schuldrecht anzuführen, so ist an Stelle des Faustrechtes die Zivilklage mit 5 Prozent Gebühren getreten; in personenrechtlicher Hinsicht macht sich eine freiere und mildere Auffassung des Sklavereiverhältnisses als Folge der Kriegs- ereignisse bemerkbar. Zum Teil habe ich Selbstbeobachtetes berichtet, zum Teil war ich auf Erkundigungen angewiesen. Bei den letzteren hielt ich mich stets an eine größere Anzahl von Persönlichkeiten, zum über- wiegenden Teile an Einheimische, und zwar zu verschiedenen Zeiten. Meine Erfahrungen er- strecken sich über einen Zeitraum von zwei Jahren. Ich hoffe daher, daß das meiste zutrifft, wenn auch einzelne Irrtümer nicht ausgeschlossen er- scheinen. 14 1 1# Personenrecht. I. Ehe. Die Ehe ist, wie auch anderwärts in der Kolonie, ein Kaufgeschäft. Wer ein Weib heiraten will, zahlt an den Vater oder die sonstigen Be- rechtigten einen Betrag, der in seiner Höhe ziem- *) Aus einem Pericht des Begirksamtmanns Haupt- mann a. D. Richt lich verschieden ist. Als Durchschnittspreis wird man 8 bis 10 Ziegen, also (vor dem Aufstande) 10 bis 15 Rupien annehmen können. Zur Zeit dürfte es allerdings schwierig sein, mit Ziegen zu zahlen. Dieser Kaufpreis wird bei der Scheidung zum Teil zurückerstattet, ganz dagegen, wenn die Frau entläuft oder stirbt. Der Witwer kann aber auch mit seinem Schwiegervater, falls dieser noch eine Tochter hat, ein Übereinkommen dahin treffen, daß das Heiratsgut in dessen Händen verbleibt. Hierfür hat er die andere Tochter her- zugeben, für die dann nur ein ganz geringer Betrag (etwa 2 Ziegen) zu bezahlen ist. Besteht der Kaufpreis in Vieh, so hat der Schwiegersohn, falls ein Stück eingeht, dieses zu ersetzen. Den Kaufpreis erhält entweder der Vater, oder, wenn dieser nicht mehr lebt, stets in erster Linie ein männlicher Verwandter der Frau. Ist ein solcher nicht vorhanden, so hat die Mutter Anspruch. Verheiratet sich ein Weib zweimal, so erhält den ersten Kaufpreis der Vater, den nächsten bekommen die Brüder. Bisweilen kommt es vor, daß das Weib eines der großen Sultane nach dessen Tode in einer Art wilder Ehe mit einem unfreien, wenn auch verdienten Manne lebt. Die einer solchen Ver- bindung entsprossenen Kinder gelten jedoch als dem verstorbenen Sultan ebenbürtig; sie nennen diesen ihren Vater, sind daher Freie und er- wähnen ihren eigentlichen Vater nicht gern. Heiratet dieser die Sultanswitwe, d. h. bezahlt er einen Kaufpreis für sie, so sind, wenn die Witwe selbst keine Freie ist, die Kinder Sklaven, folgen also dem Stande des Vaters und gelten als seine eigenen Kinder. Ist die Sultanswitwe jedoch ein freies Mgoniweib, so sind auch in diesem Falle die Kinder Freie, obwohl ein Sklave als ihr rechtmäßiger Vater auftritt. Wie in Sultansfamilien durch die Stellung der Weiber und die Erlegung eines Kaufpreises die Thronfolge beeinflußt wird, sei durch nach- folgendes Beispiel erläutert: Der kürzlich hin- gerichtete Sultan Mgendera war der Sohn eines Sklaven, Namens Magodi. Dieser Magodi hatte mit der Witwe eines vornehmen Mgoni (Mavaso) in wilder Ehe den Mgendera gezeugt. Mgendera gilt als rechtmäßiger Sohn des Mavaso, nicht als Sohn des Magodi. Der Bruder des Mgendera, Voneja, ist ein Sohn des Mavaso mit „'suria“.Nach dem Tode des Mavaso trat nicht Voneja die Herrschaft an, weil er nur von einer »suria« abstammte, sondern Mgendera als Sohn einer rechtmäßigen Frau — obwohl Mavaso nicht sein Erzeuger war. Hätte Magodi die Mutter Mgenderas rechtmäßig geheiratet, so wäre Mgen-