G V737 20 hierdurch auch eine andere Ausbildung bedingt wird. Diese muß für den kolonialen Soldaten ein ganz besonderes individuelles Gepräge tragen, wie es allein eine nur kolonialen Wehrzwecken dienende Organisation verbürgen kann. Die Notwendigkeit der Schaffung einer Ko- lonial-Stammtruppe erscheint vom mili- tärischen Standpunkt aus durch die Er- fahrungen dieses Krieges klar erwiesen. Die zahlreichen Lehren, die die Kämpfe in Süd- westafrika hinsichtlich der Ausbildung, Führung und Verwendung kolonialer Truppen bieten, können bei der Bildung einer solchen Organisation von unschätzbarem Werte sein, für europäische Verhältnisse haben sie jedoch nur eine sehr be- schränkte Bedeutung. Was allgemeinen und bleibenden Wert hat, liegt auf anderem Gebiete. Fast 40 Monate hat die deutsche Schutztruppe im Felde gestanden gegen einen Feind, der in seltener Zähigkeit und Ausdauer und mit dem Mute der Verzweiflung um seine Unabhängigkeit kang. Groß waren die Opfer, die der Kampf sorderte, größer noch die Lücken, welche An- strengungen und Entbehrungen und in deren Gefolge verheerende Krankheiten in die Reihen der deutschen Reiter rissen. Leiden aller Art, Hunger und Durst, jener schrecklichste Feind afri- kanischer Kriegführung, haben die Widerstandskraft der Braven einer schweren Prüfung unterzogen. Der deutsche Soldat darf das stolze Gefühl in sich tragen, in diesem harten Kampfe ganz seinen Mann gestanden zu haben. Er war ein Held nicht nur der Tat, sondern auch des stillen, ge- duldigen Leidens und Entbehrens und hat selbst in verzweifelten Lagen echt kriegerischen Geist an den Tag gelegt. In ihm lebte der zähe, durch keine Leiden zu bezwingende Wille zum Sieg. Es ist ein leichtes, solchen Geist in einer Truppe äu erhalten, der es vergönnt ist, von Sieg zu Sieg, von Erfolg zu Erfolg zu schreiten, hier aber mußte er sich bewähren in einer langen, schweren Leidenszeit, in der nur zu oft die sichtbaren Erfolge ausblieben, und Mühsale und Ent- behrungen scheinbar vergeblich ertragen werden mußten. Wie viele Hunderte, ja Tausende von Kilometern ist die Truppe in jenem unwirtlichen ande in der Glut der afrikanischen Sonne hinter dem flüchtigen Gegner hergejagt, oft ohne daß es gelang, ihn zum Kampfe zu stellen! 4 Jene endlosen und aufreibenden Verfolgungs- züge, in denen die Truppe häufig ihr Letztes bergab, ohne einen Lohn für alle ihre Mühe einheimsen zu können, haben diesen Geist fürwahr auf eine harte Probe gestellt, und doch blieb er, wie alle Kriegsberichte übereinstimmend melden, vom ersten bis zum letzten Tage des Feldzuges ein unvergleichlicher. Gegründet auf eine Manns- zucht, die ihre starken Wurzeln in dem gegen- seitigen Vertrauen zwischen Führer und Soldat hatte, war er erprobt in der Schule der Leiden. Der Führer wußte, daß, wenn die Lage es er- forderte, er von seinem Soldaten alles verlangen konnte, und dieser ihm willig und gern auch in den Tod folgte. Groß waren die Opfer, die die Führer der Truppe auferlegen mußten, größer jedoch die Anforderungen, die sie an sich selber stellten. In schwerer Stunde war der Soldat gewohnt, in seinem Führer ein Vorbild zu sehen, an dem er sich aufrichten konnte, denn rücksichtslos setzte dieser seine Persönlichkeit für die Sache ein, der er diente, und scheute keine Mühe und kein Opfer, wo es galt, für das Wohl der Truppe zu sorgen. Ein solches auf gegenseitiger Achtung be- ruhendes Verhältnis sowie das Bewußtsein der Gemeinsamkeit aller Frenden, Leiden und Nöte des Kriegerlebens hatte ein starkes, unzerreißbares Band zwischen Führer und Mannschaft gewoben. Treue ward um Trene gehalten. Auf dem Boden solch hoher Mannszucht erwuchsen die wahren kriegerischen Tugenden: Treue, Tapferkeit, Selbst- verleugnung, Gehorsam, Ausdauer und Geduld, jene Tugenden, die, von jeher dem deutschen Soldaten eigen, einst Deutschland groß und einig gemacht haben; in ihnen offenbart sich der Geist, der ein Volksheer zu großen Taten befähigt, und Deutschlands Söhne haben in jenem harten Ringen nicht nur eine Probe auf ihr Können abgelegt, sie haben auch aller Welt gezeigt, daß im deutschen Volke diese hohen Tugenden noch nicht erstorben sind. Die stille und emsige Arbeit im Heere während langer, für den Berufssoldaten schwer zu ertragender Friedensjahre ist nicht ver- geblich gewesen. Dieses Bewußtsein, weit entfernt, zu eitler Selbstüberhebung zu verleiten, mag uns ein Sporn sein, in dem Streben nach weiterer kriegerischer Vervollkommnung nie zu erlahmen. Das deutsche Volk aber kann mit Stolz und Vertrauen auf seine wehrhaften Söhne blicken. Der Kampf mit jenem harten und unver- brauchten Naturvolk in einem kulturarmen Lande hat dargetan, daß das deutsche Volk trotz aller Errungenschaften einer hohen Kultur an seinem kriegerischen Werte noch nichts eingebüßt hat. In diesem sieghaften Bewußtsein liegt ein hoher innerer Gewinn, und schon um dieses Gewinnes willen sind die schweren Opfer an Gut und Blut nicht vergeblich gewesen.