W 738 20 Aber auch in anderer Hinsicht haben diese wertvollen Gewinn gebracht, der für die natio- nale Zukunft Deutschlands von unschätzbarer Be- deutung ist. Erst durch die kriegerischen Taten seiner Söhne ist das deutsche Volk in der Mehr- heit aus seiner bisherigen kolonialen Gleichgültig- keit erwacht, und erst durch das im fernen Afrika vergossene Blut ist sein Herz für die Kolonien gewonnen. „Ein Land, in dem so viele deutsche Söhne gefallen und begraben sind,“ heißt es in einer Ansprache des Generals v. Deimling, „ist uns kein fremdes Land mehr, sondern ein Stück Heimat- land, für das zu sorgen unsere heilige Pflicht ist.“ Der Krieg in Südwestafrika ist zu einem entscheidenden Wendepunkt in der Ge- schichte der deutschen Kolonialpolitik ge- worden und bezeichnet den bedeutsamen Beginn eines neuen verheißungsvollen Zeitab- schnittes nationaler, insbesondere kolo- nialer Betätigung des deutschen Volkes. Dieser hohe nationale Gewinn ist in erster Linie zu danken den schweren und blutigen Opfern, die das Vaterland in diesem Kriege hat darbringen müssen. Inwieweit diese dermaleinst auch in wirtschaft- licher Hinsicht Früchte tragen werden, darüber schon jetzt Zutreffendes vorauszusagen, ist nicht möglich, auch hier nicht der Ort. Eines läßt sich indes schon jetzt mit Sicherheit behaupten: der Natur dieses zwar einer hohen Entwicklung fähigen, aber zunächst noch unwirtlichen Landes können wirtschaftliche Erfolge nur in harter, schwerer Arbeit abgerungen werden. „In einer Kolonie“, so heißt es in der Denkschrift des früheren Gouverneurs v. Lindequist über die Be- siedlung Deutsch-Südwestafrikas, „werden an die Arbeitskraft, Initiative und Tüchtigkeit des ein- zelnen weit höhere Anforderungen gestellt als in alten Kulturländern.“ Hart erkämpfte Erfolge sind aber für ein Kulturvolk stets von verjüngen- der Kraft, und ihr sittlicher Wert ist weit höher einzuschätzen als der mühelosen Gewinnes. In dem Kampfe um die wirtschaftliche Er- schließung von Südwestafrika müssen die- selben Kräfte lebendig und tätig sein, die das Schutzgebiet erobern halfen. Ohne hohe opferwillige Hingabe an die Sache, ohne Selbstverleugnung, Treue, Ausdauer und Geduld kann auch hier Großes nicht erreicht werden. Ohne diese sittlichen Opfer des einzelnen für das Ganze sind dauernde Errungenschaften und Fort- schritte der Menschheit nicht denkbar! Schwierig sind die Aufgaben, welche dem deutschen Volke die Erschließung seines kolonialen Besitzes stellt, aber gerade in ihrer Schwierigkeit liegt auch ihr Reiz und mit dem Reiz einer Aufgabe wächst die Kraft zu ihrer Bewältigung. Diese Aufgaben sind des Schweißes der Besten wert. Handelt es sich doch hier nach dem Ausspruche des Leiters unserer kolonialen Angelegenheiten „um wichtige Güter, Güter, welche liegen auf materiellem, auf kulturellem und auf ethischem Gebiete, ein Drei- klang, den man kurz zusammenfassen kann darin, daß es sich um eine nationale Frage allerersten Ranges handelt“.“) Mißerfolge und Fehlschläge werden auch hier nicht ausbleiben. Möge der deutsche Kaufmann und Siedler dann nicht erlahmen, sondern in schwerem Kampfe des deutschen Sol- daten gedenken, der auch in scheinbar hoffnungs- loser Lage nicht verzweifelte, und dessen zähe Hingabe allen Schwierigkeiten und Gefahren sieg- reich Trotz bot. Die Leiden unserer tapferen Soldaten, der Tod so vieler Braver werden dann nicht vergeblich gewesen sein, sondern aus jener Saat wird dem deutschen Volke reicher Segen erblühen, und auf dem blutgetränkten Boden wird sich neues, vielfältiges Leben entfalten. Solange ein Volk den Glauben an die sieghafte Kraft solch sittlicher Ideale in sich lebendig erhält, so lange wird es allen Irrungen eines verweich- lichten, materialistischen Zeitgeistes zum Trotz innerlich stark und gesund bleiben. So lange hat es ein Recht, an seine Zukunft zu glauben. “) Bernhard Dernburg. Wirklicher Geh. Rat, Vor- trag. gehalten zu Berlin auf Veranlassung des Dent- schen Handelstages am 11. Jannar 1907 zu Berlin.