G 925 20 Geschosse ab, und allmählich wurde eine Art be- waffnete Neutralität hergestellt. Mit einer Be- deckung von vier Eingeborenen und einem Weißen konnte ich nun schon ein weiteres wagen. Ich hatte am Morgen beobachtet, daß die Eingeborenen alle aus einer Richtung kamen, und dort das Dorf vermutend, schickte ich mich an, dieses aufzusuchen. Vorerst hielt ich es jedoch für geraten, den Insulanern eine kleine Schieß- probe vorzuführen, und feuerte einige Schüsse auf einen am Strande liegenden angetriebenen Baumstamm ab. Bei jedem Schuß duckte sich das ganze Volk wie auf Kommando, die Probe war jedoch von Erfolg, denn als ich nun nach dem Dorfe aufbrach, folgte mir der ganze Haufe in respektvoller Entfernung. Nach einem Marsch von etwa zehn Minnten erreichte ich das Dorf. Dieses liegt hinter einem Streifen von Gebüsch und Bäumen dicht am Strande und bildet eine lange Straße mit den Hütten der Eingeborenen an beiden Seiten. Die Hütten waren sehr pri- mitiv und bestanden aus auf dem Boden ruhen- den blattbedeckten Dächern, unter denen die Schlafpritschen der Eigentümer angebracht waren. Neben diesen Wohnhütten waren jedoch auch zahl- reiche kleinere Gebände vorhanden, welche zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln dienten; diese waren auf vier Anannshohen Pandanus- pfählen errichtet, etwa 2 bis 3 Meter lang und 1 bis 1½ Meter breit. Die Dächer bestanden aus Pandanusmatten. Die Pfähle waren mit Pandanusblättern umwickelt, deren Glätte ver- hinderte, daß die auf der Insel zahlreich vor- kommenden Ratten die Ausbewahrungsräume heimsuchen konnten. Ahnliche Hütten sind aus Matty und Durour wie aus den Palauinseln bekannt. Fischgerät in ziemlicher Anzahl, Senk- netze, Handnetze und Hamen waren in großer Anzahl vorhanden, sonst enthielten die Häuser nichts von Belang. Nachdem das Dorf durchwandert, schickte ich mich an, einige photographische Aufnahmen zu machen. Die Aufstellung der Kamera wurde jedenfalls mit großem Mißtrauen betrachtet, meine Bedeckung deckte mir den Rücken, mein Revolver lag auf der Kamera, so daß ich nach allen Seiten gesichert war, und nach Verteilung kleiner Ge- schenke gelang es mir, einige brauchbare Auf- nahmen zu machen. Die offenbare, wenn auch nicht zu Tätlichkeiten gediehene Feindschaft der Eingeborenen bewog mich jedoch, meinen Besuch abzukürzen. Der Knall meiner Flinte hatte un- zweifelhaft die Leute eingeschüchtert; ich durfte jedoch annehmen, daß man die tödliche Wirkung der Feuerwaffen nicht kannte, und weiß aus Erfahrung, wie leicht in diesem Falle sich Ein- geborene verleiten lassen, einen Angriff zu unter- nehmen, sobald die erste Scheu überwunden ist. Wir zogen uns daher in guter Ordnung nach dem Landungsplatz zurück, und ich war bereits ins Boot gestiegen, als die Eingeborenen, die uns gefolgt waren, den Bootsmann, der am Strande noch einige Perlen verteilen wollte, mit Knütteln überfielen. Einer meiner Farbigen feuerte sofort einen Schreckschuß, und dieser hatte den gewünschten Erfolg, denn der Haufe stob schleunigst auseinander. Ich hatte jedoch noch einen unerwarteten Aufenthalt dadurch, daß einer der mich begleitenden Sankt-Matthias-Leute, der mit einem Speer bewaffnet war, plötzlich ein lautes Kriegsgeschrei anstimmte und in langen Sätzen, seinen Speer schwingend, hinter den Insu- lanern hersetzte. Der Bootsmann und zwei meiner Leute mußten nun hinterhergeschickt werden, um den tapferen Krieger zurückzubringen. Dieser hatte den ganzen Haufen bis zu dem Dorfe vor sich her gejagt, hier machten die Eingeborenen jedoch Halt, und ein wahrer Steinregen dämpfte den Heldenmut des Verfolgers dermaßen, daß er sich schleunigst zurückzog. Dies ermutigte wiederum die Insulaner zu einem Gesamtangriff, und ich war froh, als ich endlich alle Leute in den Booten hatte und durch die Brandung gehen konnte. Einige Schüsse hielten zwar die Angreifer in respektvoller Entfernung; dennoch erreichte uns eine Anzahl ihrer Wurfgeschosse, glücklicherweise ohne Schaden anzurichten. 75 Deutsch-Ostafrika:. Vom eisenbahnbau Daressalam—corogoro. Dem Bericht des Daressalamer Baubureaus der Firma Philipp Holzmann & Co. über den Fortschritt der Bauarbeiten an der Eisenbahn Daressalam—Morogoro vom 1. April bis 30. Juli 1907 ist zu entnehmen: Die Erdarbeiten sind bis Kilometer 188 ganz fertiggestellt. Auf der Endstrecke bis Morogoro sind nur noch etwa 30 000 chm eines im allge- meinen leichten Bodens zu bewegen. Es ist anzunehmen, daß diese Arbeiten Anfang Sep- tember d. Is. beendet sein werden. Von Daressalam bis Kilometer 100 sowie in der Sektion IV sind alle Brücken fertig. Das Manerwerk für die Brücken in den Sektionen III und V ist in der Ausführung begriffen und wird voraussichtlich in etwa zwei Monaten fertiggestellt sein. Stellenweise werden diese Arbeiten durch den gegemwärtig herrschenden Wassermangel sehr erschwert, da das Wasser bis zu 7 km weit nach den Baustellen gebracht werden muß.