W 1002 2c Bright. Sir Robert Peel war der Meinung, daß Indien „Lsich überwachsen habe“, und Dis- raeli erschienen 1852 die Kolonien als „Mühl- steine um unsern Hals“. Noch 1880 konnte die Frage: lich erörtert und seinem Besitz jede Bedeutung für England abgesprochen werden. Diese kolonialmüde oder geradezu kolonial- feindliche Stimmung außerhalb Indiens vom Ende der 40er bis in den Anfang der 80er Jahre hat zu einer großen Zurückhaltung in der Erwerbung neuer Kolonien geführt. Der Wunsch der Fidschi-Insulaner, britisch zu werden, wurde 1859 abgelehnt; erst 1874, als man glaubte, deutscher Besitzergreifung zuvorkommen zu müssen, fand er Erfüllung. Die Jonischen Inseln über- ließ England 1863 dem neuen Könige der Hellenen aus Dänemarks Herrscherhaus. In Südafrika wurde 1852 die Unabhängigkeit der Transvaal-Republik, 1854 die des Oranje-Frei- staats anerkannt. In diesen Jahrzehnten hat auch die Selbstregierung der englischen Kolonien, soweit die weiße Bevölkerung in ihnen die vor- herrschende war, ihren vollen Ausbau erfahren. So hat auch diese Zeit verhältnismäßigen Still- standes der Stärkung des britischen Kolonial= reiches gedient, denn die äußerliche Lockerung durch größere Selbständigkeit ward reichlich auf- gewogen durch das festere Anziehen der inneren Bande der Sprache und Bildung, des Volkstums und der gemeinsamen Geschichte, das aus der größeren Freiheit erwuchs. Daß aber die Auffassung des englischen Volkes im Grunde die alte war, daß man auf noch umfassendere Herrschaft augenblicklich nur verzichtete, weil man nicht ernstlich fürchtete, daß andere Nationen sich der leeren Plätze bemächtigen würden, das zeigte sich bald, als Frankreich einen neuen Anlauf machte zur Begründung eines großen Kolonialreichs, und vor allem, als dann auch Deutschland diese Bahn betrat. Außerordentlich rasch hat Frankreich die schweren Schläge verwunden, die ihm der Krieg versetzt hatte. Schaffenslust, Opfermut und National- geist seiner Bevölkerung haben unter der dritten Republik härteste Belastungsproben glänzend be- standen. Die Spuren des Krieges wurden in wenigen Jahren verwischt, die fünf Milliarden der Kriegsentschädigung fast spielend aufgebracht. Schon um die Mitte der 70er Jahre stand Frank- reich wieder in voller Rüstung inmitten der euro- päischen Mächte. Klar, wie kaum je zuvor in seiner Geschichte, arbeitete sich das Berständnis für die Bedeutung eines großen Kolonialreichs heraus, und einsichtige Männer, vor allem Jules Ferry, fanden die Nation hinter sich, als sie ver- „Warum Indien behalten?“ leidenschaft- suchten, die Aufrichtung eines solchen planmäßig ins Werk zu setzen. Ganz besonders hat man in Afrika plan- mäßig gearbeitet. Zu den alten Wirkungsgebieten französischer Kolonialbestrebungen: Senegambien, Madagaskar, Algier traten Dahomé und vor allem der Kongo. Die Forschungen französischer Reisenden haben sich so gut wie ausschließlich in den Dienst der nationalen Sache gestellt. Das Ziel aber war die Aufrichtung französischer Herr- schaft an Afrikas Nordküste und südlich der Sahara im Nigerbecken und im Sudan. Vom Kongo und von Algier, von Dahomé und Sene- gambien her ward es erstrebt. Englische und deutsche Reisende haben mehr für die Erforschung des Erdteils getan; die Franzosen haben die politische Frage in Fluß gebracht. Sie allein haben in dieser Zeit in Afrikas Nordhälfte neues Gebiet erworben. Sie stießen bei ihrem Be- mühen fast überall auf englische Ansprüche und Englands Eifersucht. Die alte Rivalität der beiden Mächte trat wieder klar zutage, als Eng- land infolge der nationalen Erhebung Arabi Paschas 1882 in Egypten einschritt und Frank- reich die Mitwirkung ablehnte. In diese Zeit englisch-französischer Spannung, in der Frankreich durch sein Vorgehen in Tunis sich auch Italien entfremdet hatte, fallen die ersten deutschen Versuche. Sie haben England noch mehr aufgestachelt als die französischen, zu- nächst ihrer Neuheit wegen, dann weil man mehr und mehr anfing, deutschen Wettbewerb unbe- quemer zu empfinden als französischen. Besonders die nächstbeteiligten Kolonien im Kaplande und in Australien gerieten in die lebhafteste Erregung und suchten im Mutterlande die gleiche Stimmung anzufachen. In den Gebieten, wo die Deutschen aufgetreten waren, bestanden fast überall ältere englische Verbindungen. Englands Staatsleitung beschwerte sich, daß sie von der bevorstehenden Besitzergreifung nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Es wurde dem Reichskanzler nicht schwer, aus den Handlungen englischer Beamten den Nachweis zu führen, daß England zuvorgekommen sein würde, wenn es unterrichtet gewesen wäre. Die Lage ausnutzend konnte Bismarck auf der Kongokonferenz, die von Mitte November 1884 bis gegen Ende Februar 1885 in Berlin tagte und von 14 Mächten besandt war, eine Ver- ständigung herbeiführen. Deutschland, das fast unmittelbar vor Beginn der Verhandlungen den Kongostaat anerkannt hatte, ging auch seinerseits aus ihnen mit einem anerkannten Kolonialbesitz hervor. 1# 1 · I Die volle Aufteilung Afrikas hat sich seitdem in fast rasender Eile vollzogen. Die Ver-