G 1147 20 Aus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten. Die Baumwollindustrie der Schweis##im Jahre 1906. Das Jahr 1906, welches im Bericht der Züricher Handelskammer als ein Normaljahr für den Baumwollhandel bezeichnet wird, brachte günstige Marktverhältnisse. Der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Baum- wollpreis betrug nur 130/100 d gegenüber 271/100 d im Jahre 1905 und 339/100 d im Jahre 1904. Erst im letzten Vierteljahr gestaltete sich das Ge- schäft etwas aufregender, da sich die beginnende Ernte 1906/07 aualitativ recht schlecht auließ und sehr enttäuschte. Gegen Ende des Jahres waren die Vorräte knapp, und hochklassige und gutstapelige Baumwolle stand im Preise ziemlich hoch. Im Sommer wurde der Baumwollmarkt voll- ständig durch die Wetterberichte aus Amerika be- herrscht, und da diese im ganzen günstig lauteten, gingen die Preise langsam und beständig zurück. Eine kurze Hausse, die unter dem Eindruck der am 3. Juli erfolgten und hinter den Erwartungen etwas zurückbleibenden Schätzung des Standes der Ernte eingetreten war, hielt nicht an, und es folgte nun eine bis Anfang August dauernde Periode der Ruhe. Alsdann begann, verursacht durch neue Schätzungen, ein Sinken der Preise, die am 23. August auf dem tiefsten Stande des Jahres anlangten. Mit ähnlichen Schwankungen setzte sich das Baumwollgeschäft bis Ende Sep- tember fort, wo dann alarmierende Berichte über heftige Stürme in den Baumwolldistrikten die Preise sehr stark in die Höhe trieben. Die Preis- schwankungen waren zu Anfang Oktober am größten. Von Mitte dieses Monats an legte sich die Erregung, nachdem man die schlimmen Nach- richten als stark übertrieben erkannt hatte, und die höheren Ernteschätzungen fanden wieder mehr Glauben. Sinken und Steigen der Preise wech- selten nun unter dem Einfluß der Spekulation ab, ohne jedoch zu unerträglichen Zuständen zu führen. Zu Anfang Dezember wurden die durch die Haussespekulation angekauften Vorräte liqui- diert, und nun setzte ein rascher Preissturz ein, der am 19. seinen tiefsten Stand erreichte. Allein die Preise stiegen sofort wieder und be- haupteten sich nun bis zum Schlusse des Jahres. Der letzte Bericht des Zensusbureaus schätzte den Betrag der bis zum 13. Dezember entkörnten Baumwolle auf nur 11 090 000 Ballen. Die Baumwollindustrie nahm im Jahre 1906 einen Aufschwung, den man wohl gelegentlich erhofft, nie aber in diesem Umfang erwartet hatte. Und zwar kam er um so unverhoffter, als in England, sobald die Lage sich günstiger gezeigt hatte, eine große Anzahl Spinnereien und Webereien neu gebaut worden waren und man deshalb eine bald eintretende überproduktion vorausgesagt hatte. Wie der Bericht des Schwei- zerischen Spinner-, Zwirner= und Webervereins angibt, sollen in 195 englischen Spinnereien un- gefähr 4 873 000 Spindeln für amerikanische und 3 662 000 Spindeln für ägyptische Baumwolle neu aufgestellt und manche alten Spinnereien, deren Betrieb vor drei Jahren sich gar nicht mehr gelohnt hatte, neu in Gang gesetzt worden sein. Der Kontinent folgte, wenn auch in be- scheidenem Maße dem Befehl Englands, und es wurde obenfalls eine starke Überproduktion an Garnen befürchtet, die indessen nicht erfolgt ist. Auch in der Schweiz trat im Laufe des Jahres ein Umschwung ein, der für die Spinnerei eine äußerst günstige Lage schuf, das Geschäft zu einem sehr lebhaften gestaltete und im letzten Quartal voll nachholte, was vorher noch etwa zu wünschen übrig geblieben war. Für die Herbeiführung dieses guten Geschäftsganges wirkten verschiedene Faktoren zusammen. Einmal die starke Beschäftigung der Weberei und der Stickerei, was eine große Nachfrage nach Garnen für Web- zwecke wie für Zwirne hervorrief; dann das Auf- hören fast jeden Angebots von seiten Englands, wo die guten Garne im Inland leicht unter- gebracht werden konnten, und endlich die Nach- frage nach schweizerischen Garnen für den Export. Verglichen mit den Vorjahren ist die Zunahme der Ausfuhr allerdings nicht sehr groß, aber sie hatte doch neben der stärkeren Inlandsnachfrage der Veredlungsindustrie, die insbesondere in ge- färbten Garnen ihren überseeischen Absatz bedeu- tend vermehren konnte, eine gewisse Bedentung. Die Grobspinnerei war zu Anfang des Jahres nicht sehr stark beschäftigt, und es sammelten sich daher da und dort kleinere Lager an, welche auf die Preise drückten. Da jedoch im zweiten Halb- jahr die Nachfrage lebhaft einsetzte, konnten die Lager liquidiert werden: die Gespinste erzielten befriedigende Preise und wurden auf lang hinaus verkauft. Wohl infolge des Umstandes, daß eine große Zahl Webstühle, die man früher für die Her- stellung von Kalikos verwendet hatte, nun für andere Artikel (Musselin usw.) belegt waren, stockte in der ersten Jahreshälfte die Nachfrage nach Kalikogarnen. Es hielt schwer, für sie be- friedigende Preise zu erhalten. Für die Zwirnerei war das Jahr im allge- meinen befriedigend. Schon bald machte sich die Wirkung des neuen Zolltarifs, der den mittleren 1