G 1216 20 Worten verständigten wir uns über die wenig angenehme Lage. Bülow stieg in Seeleuruhe vom Pferde, ließ das Maschinengewehr mitten vor die Front stellen und begann es mit seinen Leuten zu montieren. Unterdessen rückte der Rest unserer Träger auf. Jetzt erhob sich unter den Fullahs ein Ge- murmel, und aus dem breiten Eingangstor der Königsburg, die in ihrer ganzen Ausdehnung von einem zwei Meter hohen Mattenzaun umgeben war, traten Bewaffnete heraus, die Gefolgsleute des Lamido. Sie nahmen an der Mattenwand entlang uns gegenüber Aufstellung. Es war ein buntes farbenprächtiges Bild. Die Kaburras (Berufssoldaten) des Lamido in bis an die Kniee reichenden ärmellosen Hemden, die Fullahmütze auf dem Kopf, mit über die Brust gekrenzten dicken Wolldecken, die durch einen ledernen Bauch- gurt festgehalten wurden. An Wehrgehängen trugen sie lange gerade Schwerter in ledernen Scheiden. Kurze Messer hingen am Leibriemen. In der Hand hielten die Kaburras den langen Stoßspeer, soweit sie nicht mit Bogen bewaffnet waren und große Lederköcher mit Pfeilen über die Schulter trugen. Auch Panzerreiter kamen angesprengt. Die Pferde waren mit bunten Woll- decken zum Schutze gegen Pfeilschüsse gepanzert und auch die Reiter selbst steckten in dicken, wat- tierten Gewändern. Auf dem Kopf trugen sie den tuchüberzogenen Holzhelm, mit wallenden Federn. Die Füße der Reiter steckten in langen, bis über das Knie reichenden, bestickten Leder- stiefeln. Sattel= und Zaumzeng aus buntem Leder war reich mit Muscheln und Amuletten benäht. Wie Turnierreiter aus dem frühen Mittelalter sahen diese Fullahreisigen aus. Den Reitern folgte, umgeben von in weite Gewänder gehüllten, vornehmen Fullahs, ein sehr schlanker, hellgelber Jüngling, der unter einem großen Turbau hervor aus großen Augen neu- gierig zu uns herüberschaunte. Aus dem Gebaren seiner Umgebung und dem Geschrei, das die um- stehende Menge erhob, erkannte ich, daß es Omarn war und sprengte auf ihn los. Wie zum Schutz traten sorglich seine Gefolgsmänner vor ihn hin. Ich sprang vom Pferde, machte mir Platz, wobei die Fullahs halb staunend, halb unwillig zurück- traten, und streckte Omaru die Hand entgegen. In den langen, blütenweißen, bis auf die Füße wallenden Gewändern sah der hoch auf- geschossene Jüngling mit dem melancholischen Ge- sicht eigenartig vornehm und hoheitsvoll aus, einfach und edel in dem bunten Rahmen seiner Umgebung, wie ein seltener Stein in kostbarer Fassung. Jeder mußte wissen: das war der König. Ein breites Wehrgehänge hing ihm über die Schulter, in dem ein grades Schwert steckte. Mit den Armen stützte sich Omaru rechts auf die Schulter des seriki n’ seggi (Mann, der dem Lamido auf das Pferd hilft), links auf den dicken seriki n’ bindiga (Gewehrverwalter), der in ge- bückter Haltung stand, um dem Lamido nicht unbequem zu werden. Mit müdem Lächeln reichte mir der bleiche Jüngling die Hand. 752 Deutsch- Südwestafrika. Von der Südbahn. Ende November ist die Teilstrecke Sandver- haar —Feldschuhhorn (Kilometer 273 bis 285) eröffnet worden. Bis Keetmanshoop fehlen noch etwa 80 Kilometer. Auf der nächsten Teilstrecke Feldschuhhorn —Seeheim sind die Gelände- schwierigkeiten groß. Die Meldung von der Er- öffnung dieses Abschnittes darf daher erst im kommenden Frühjahr erwartet werden. Kolonialwirtschaftliche Oitteilungen. Ein KAppell an die deutsche Baumwollindustrie. Der Hauptversammlung der Deutschen Kolo- nialgesellschaft, die jüngst in Frankfurt a. M. tagte, hat Herr Moritz Schanz-Chemniß einen Bericht erstattet über #eine Reise, die er zum Studium der amerikanischen Baumwoll- erzeugung mit Rücksicht auf die deutsch-kolo- nialen Baumwollbestrebungen unternommen hat. Er führte u. a. aus: „Kurz zusammengefaßt ist der Gesamteindruck meiner Beobachtungen folgender gewesen: Es ist durchaus möglich, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika weit größere Mengen von Baumwolle als bislang erzeugen können, es ist aber angesichts der jetzt schon existierenden Schwierigkeit, genügende Arbeitskräfte dafür zu finden, nicht wahrscheinlich, daß für die Nächst- zeit eine nennenswerte Erhöhung der ameri- kanischen Baumwollproduktion eintrete, und es ist sicher, daß die wachsende Baumwollindustrie der Vereinigten Staaten selbst einen immer grö- üheren Teil der Baumwollernte des Landes für