29 20 hindert außerdem den allzu raschen Abfluß des Wassers und wirkt sonach ausgleichend auf die Extreme des Wasserstandes, indem er die mecha- nische Gewalt der Platzregen durch seinen Kronen- raum bricht und die Wasseraufnahme durch seine Bodenzusammensetzung erleichtert, Folgen, welche naturgemäß in Gebieten mit ausgesprochenen Trocken= und Regenperioden an Bedeutung ge- winnen. Soweit ich bislang Gelegenheit hatte zur Beobachtung, ist die oberste Bodendecke in tropischen Waldungen eine dünne Streulage mit einer geringen darunter liegenden Humusschicht, also eine Bodenzusammensetzung, welche für die Wasseraufnahme als sehr günstig zu bezeichnen it. Ein weiterer Umstand, der in tropischen Ge- bieten die Durchfeuchtung von Steppenböden viel ungünstiger gestalten muß, als die von Wald- böden, ist das infolge der Trockenheit der obersten Bodenlagen erschwerte Eindringen des Regen- wassers in den Boden. Infolgedessen verliert der ausgetrocknete Steppenboden durch Ver- dunstung viel mehr von dem gefallenen Regen als der stets feuchtere und daher das Wasser leichter aufnehmende Waldboden; denn die Wasser- verdunstung des Bodens vermindert sich, je tieser die verdunstende Schicht liegt. Als Mitte April die Regenzeit einsetzte, konnte ich beobachten, daß besonders bei den ersten Regenfällen das Wasser noch mehrere Stunden nach dem Aufhören des Regens auf dem trockenen Steppenboden in großen Lachen lag, trotzdem der Boden von sandiger Be- schaffenheit und somit für Wasser sehr durchlässig war. Dieses schwere Eindringen des Wassers führe ich auf die enorme Austrocknung des Steppenbodens während der Trockenzeit zurück. Bon den längere Zeit dem Boden aufliegenden Wasserlachen wird nun ein großer Teil des Wassers gar nicht in den Boden gelangen, son- dern schon vorher verdunsten, bevor nur der Boden wasseraufnahmefähig wird. Aus diesem Grunde werden namentlich in der Trockenzeit vereinzelt fallende Regen dem Steppenboden bur weniger Feuchtigkeit zuführen, als dem Wald- en. Eine Reihe von Faltoren bewirkt also, daß das Quellgebiet eines Flusses, wenn es mit Wald bestockt ist, in viel größerem und vor allem auch zu viel nachhaltigerem Maße Wasser erhält, als enn es mit Baumsteppe oder irgend einer andern Vegetationsform bedeckt ist. Umfang- eiche Entholzungen auf Flußgebieten werden aus den oben angeführten Gründen einerseits zu Gewisen Zeiten Mangel an Wasser, anderseits * auch extrem hohe Wasserstände zur Folge dben Das Flußgebiet des Haho liefert hierfür 8 n deutlichsten Beweis. Begreiflicherweise werden ie Wirkungen des Waldes als Erhalter der Feuchtigkeit und der Quellen besonders hoch sein in den Gebirgen, welche aus verschiedenen Gründen meistens höhere Niederschläge haben und welche durch ihre Abhänge und Gräben gewissermaßen natürliche Wasserfang-Apparate darstellen. Nach Aussage der Eingeborenen soll beispielsweise der Fluß Agbango das ganze Jahr reichlich Wasser führen, der Dine hingegen nicht. Wenn diese Mitteilung der Eingeborenen sich bestätigt, so würde sie ihre Erklärung darin finden, daß die beiden Flüsse, obwohl sie hinsichtlich ihrer Lage ein gleichgünstiges Quellgebiet haben, doch ungleiche Vegetationsverhältnisse aufweisen. Der Agbango entspringt einem reicher bewaldeten Gebiet. Der Gebirgswald gewinnt aber außer- dem noch an Bedeutung dadurch, daß er die Geschwindigkeit und die mechanische Gewalt des abfließenden Wassers mäßigt und mittels seines dichten Wurzelnetzes das lose Erdreich und die verwitternden Gesteinsmassen bindet. Entwal- dungen im Gebirge bergen daher stets eine große Gefährdung der angrenzenden Täler in sich. Die Notwendigkeit der Erhaltung der Gebirgswälder erhellt aus den großen Anstrengungen und dem Kostenaufwande von Hunderten von Millionen, welche einzelne Staaten Europas machen müssen, um die enormen Nachteile der planlosen Ent- waldung von der gefährdeten Einwohnerschaft ganzer Provinzen abzuwenden. Ich habe an die Schilderung der während dieser Reise angetroffenen Vegetationsverhältnisse die kurze Abhandlung über die Einwirkung des Waldes auf Klima und den Kreislauf des Wassers und die Erörterungen über die Folgen von ausgedehnten Entwaldungen deshalb ge- knüpft, um zu zeigen, daß in diesem Gebiete die Ausdehnung der Waldverwüstung nicht bloß ihre äußerste Grenze erreicht hat, sondern diese Grenze bereits weit überschritten hat. In den von mir bisher bereisten Gebieten des südlichen Togo ist der Prozentsatz der Bewaldung ganz abnorm ungünstig; ich schätze die Bewal- dungsziffer auf ein Prozent. Beispielsweise beträgt die Bewaldungsziffer von der Gesamt- landesfläche des Deutschen Reiches 25,7, Oster- reichs 32,5 Proz. Wenn aber die Vernichtung der Wälder eines Landes Veränderungen in dem physischen Zustande derselben nach sich ziehen, die eine nachteilige Wirkung für die Gesamtheit der Bewohner haben, so rechtfertigt dies ein Ein- greifen der Staatsgewalt, um die Erhaltung der Wälder da zu sichern, wo dieselbe aus den er- örterten Gründen unbedingt geboten ist. Und tatsächlich zeigt auch die Rechtsgeschichte fast aller Kulturstaaten ein Eingreifen der staatlichen Obrig- keit zum Schutze der Wälder vor maßloser Zer- störung.