— W 170 20 und Sarassara. Je näher ich der Heidengrenze kam, desto besser schienen mir die Befestigungen der Logone-Orte erhalten und bewacht zu sein. Im Gegensatz hierzu liegen die Heidenorte offen; unter zahlreichen Delebpalmen sind die einzelnen Weiler. weitläufig zerstreut. Sie zählen fast regel- mäßig vier jener charakteristischen Bischofsmützen, welche durch ihre verschiedene Höhe die Würde des Familienhauptes, seines Weibes und Nach- wuchses ausdrücken und meist um einen kleinen Hof gruppiert, mit einer niedrigen Mauer ver- bunden sind. Wie die einzelnen Heiden gruppen, so scheinen auch deren Einzelfamilien ein aus- gesprochenes Sonderleben zu führen. Kuh, Ge- treide, Hund und Ziege gehören zu jedem Haus- stand; die Milch ist ein so wichtiger Bestandteil der täglichen Nahrung, daß der Musgumheide glaubt verhungern zu müssen, wenn er sie ein- mal entbehren soll. Von Ngulmu wandte ich mich westlich nach Girwidig, einem fast vollständig fullahnisierten Heidenstamm, der nach Angabe seines Häuptlings früher noch weiter westlich in Balda gesessen und von jeher nach Marua Tribut gezahlt hatte. Ich hielt es deshalb für das beste, den Stamm bei Marua zu belassen. Damit erklärte sich später auch der Resident von Garua einverstanden. Der Mao Girwidig bildet künftig die Grenze- zwischen Marna und dem Heidenbezirk. Als ich nun an den folgenden Tagen durch eine herrliche Parklandschaft über Balda, Malam-manga und Malampetel nach Dukba marschieren wollte, wurde ich, wie schon berichtet, am Mittag des 4. Juli im Lager von Malam- petel von einem als Mahdi auftretenden Fullah- Malum angefallen. Die später in Maruna an- gestellte Untersuchung hat ergeben, daß es dieser Fanatiker zunächst auf die Lamidate Marna und Mindif und im Auschluß hieran auf die Ver- treibung des Weißen abgesehen hatte. Er ist mittlerweile festgenommen und der Residentur Adamana ausgeliefert worden. Im Zusammenhang mit einer dieser Tage von einem anderen Fullah-Malum südlich Garua hervorgerufenen Erhebung beweist dieser Fall, daß die Zeiten, in denen der Reiz der Neuheit unserer hiesigen Herrschaft eine mini- male Bemessung der Besatzungstruppe gestattete, zu Ende gehen. Noch scheinen die hiesigen Sul- tanate von dieser Bewegung unberührt. Un- berechenbar sind indes die Verhältnisse, wo das religiöse Moment mitspielt. Ob die jetzige Be- wegung von außen hereingetragen oder unter der Fullahbevölkerung selbst hochgekommen ist, konnte noch nicht festgestellt werden. Nach Abwehr des Angriffes war ich zunächst auf Marna und auf das vermeintliche Zentrum der Aufstandsbewegung losmarschiert. Als ich aber noch am späten Abend des 4. Juli in Kosséoa die Gewißheit erhielt, daß Marua und Mindif ruhig, Strümpell aber erst am 10. Juli in Marua zu erwarten war, wandte ich mich nach Mora, um mit dessen Sultan wegen der Grenzstreitigkeiten Rücksprache zu nehmen. Mai- Umer, der von dem Angriff bei Malampetel bereits erfahren hatte, ließ sich im Interesse seiner Sache natürlich die Gelegenheit nicht entgehen, die Falschheit und Heimtücke der Fullahbevölke- rung in den schwärzesten Farben zu schildern. Im übrigen ist dieser Herrscher durch Körper- gewicht und Gicht noch seßhafter geworden als früher. Es wäre kein Schaden für seine Herr- schaft, wenn er bald einer beweglicheren Kraft den Platz räumte. Gerade die Erledigung der bestehenden Grenzstreitigkeiten hat gezeigt, daß die Großen seines Landes sich die körperliche Un- beholfenheit ihres Herrschers zunutze zu machen beginnen. Am 10. Juli traf ich dann in Marna mit Oberleutnant Strümpell zusammen. Das Er- gebnis der am 11. und 12. Juli von Strümpell geführten Untersuchung ist bereits erwähnt worden. Da im Augenblick wenig Hoffnung war, den flüchtigen Malam zu stellen, wurde für die ersten Augusttage ein konzentrischer Angrif gegen die ge n Aussicht genommen; während Oberleutnant Strümpell von Marua, Oberleutnant v. Raven von Binder her über- raschend angreisen wollten, sollte der Musgum- Posten bei Girwidig die Wege nach Norden sperren und Bongor sollte von Südost her vor- stoßen. Dieses Kesseltreiben kam indes jedoch nicht zur Ausführung, da der flüchtige Malam mittlerweile vom Logone-Sultan festgenommen war und da anderseits Oberleutnant Strümpell be- drohliche Nachrichten über den südlich Garna ausgebrochenen Aufstand erhalten hatte. Oberleutnant v. Raven kehrte am 13. Juli nach Binder zurück, während wir anderen drei Europäer über das Mandara-Massiv nach Madagali marschierten und dort in tagelangen Palavern die zahlreichen Streitigkeiten der beiden Herr- schaften schlichteten. Die strittigen Gebiete von Dissa, Idjige, Sufue und Goso verblieben dem Mandara-Sultan, der von der Maruastraße das Gebiet Hossere Dukba an Marua hatte abtreten müssen. Am 20. Juli trennten wir uns: Oberleutnant Strümpell ging mit Feldwebel Mellenthin südwärts nach Galak, um dann über Kamale- Gauar nach Marua zurückzumarschieren. Ich zog nordwärts gquer über die steilen Berge von Guduf nach Keraua und wandte mich dann über Bame nach Dikoa, wo ich am 28. Juli eintraf.