W 219 20 Die Bevölkerung im Schutzgebiet ist keineswegs gleichmäßig. An der Küste ist eine Mischung aller möglichen Negerarten vorhanden, natürlich ohne Stammeszugehörigkeit und natürlich auch ohne entsprechende einheimische Obrigkeit. Im Innern hat man überall, wo kriegerische Zu- sammenstöße zwischen Weißen und Schwarzen stattgefunden haben, die einheimischen Sultane und Häuptlinge entfernt und durch Beamte, auch schwarze Beamte, ersetzt. Im Westen herrschen die eingeborenen Sultane unter der deutschen Oberherrschaft; dabei ist auch wieder zu unter- scheiden, daß in manchen dieser Länder, wie in Unjamwesi und Usukuma, die deutsche Gerichts- barkeit allein herrscht, während in den anderen Ländern die einheimische Gerichtsbarkeit zum Teil geblieben ist. Es ist eine Frage, die der Vergangenheit an- gehört, ob es richtig gewesen ist, jene einheimischen Sultane einfach zu entfernen. Ich habe mehr oder weniger die Empfindung gehabt, daß sich der Neger unter Umständen besser fühlt unter der einheimischen Herrschaft der Sultane. Aber das ist nun einmal geschehen und war vielleicht auch nicht zu vermeiden. Es würde nunmehr die Frage sein: was soll mit den Ländern in Ostafrika geschehen, die noch unter der Zwischenherrschaft dieser einheimischen Sultaue oder Fürsten oder Dorfschulzen stehen? Es würde schwierig sein, das zu ändern, weil man dazu erhebliche Machtmittel braucht. Ich glaube, daß ich nicht noch einmal darauf auf- merksam machen muß, daß wir in Ostafrika bei einer Bevölkerung von zehn Millionen Ein- wohnern, darunter über drei Millionen Männern, nur 4000 schwarze Soldaten und Polizisten und vielleicht 120 oder 150 deutsche Offziere haben. Wir müssen — und das ist die Bafis unserer Macht — in Ostafrika durch das Ansehen, die Verwaltung besitzt, durch die Schärfe, mit der sie gegen jede Unbotmäßigkeit vorgeht, durch die technischen Hilfsmittel der Eisenbahnen, die, wie Sie wissen, ihr noch unvollkommen zur Seite stehen, und durch das Maß von Vertrauen, welches sie bei den Schwarzen genießt, alles zu- sammenhalten. Wir müssen eine kräftige, gerechte, vertrauenswerte Verwaltung dort einführen und halten, wir müssen vor allen Dingen den Leuten beibringen, daß sie von der deutschen Herrschaft einen Vorteil haben. Das ist ihnen sehr schwer beizubringen, schon deshalb, weil die Vorteile, die sie bisher hatten, sehr gering waren gegen- über den Nachteilen, welche die deutsche Ver- waltung für sie nach ihrem Empfinden in bezug auf Abänderung ihrer Gewohnheiten, auf Steuer- zahlen, Kontrollen usw. gehabt hat. Ich möchte mit meinen Ausführungen in der das. Kommission die UÜberzeugung erwecken, daß die Regierung nur prosperieren kann, wenn sie eine vorsichtige, langsame, wie manche sagen „neger- freundliche“ und, wie ich sage, negererhaltende Politik einschlägt, daß sie sich von diesem Wege durch irgend welche Interessen oder Ansichten nach keiner Richtung abdrängen lassen darf. Sie muß, wie in der Heimat, zwischen allen Erwerbs- und Berufsständen ausgleichend wirken und kann sich unmöglich auf die Seite der einen schlagen, um der anderen Seite einen Nachteil zuzufügen. Ostafrika ist in deutsche Verwaltung genommen auf Grund eines kaiserlichen Schutzbriefes, der den Eingeborenen, und zwar jedem einzelnen kleineren Häuptling, von Zeit zu Zeit wieder ausgestellt wird. Gegenüber den vielen Anforderungen, die an die schwarze Bevölkerung sowohl von der weißen Regierung als auch von den weißen An- siedlern gestellt werden, muß man untersuchen, welche Folgen dieser kaiserliche Schutz bisher für die Eingeborenen gehabt hat. Es ist festgestellt worden, daß der Einzug von Ruhe und Ordnung dem Neger eine größere Erwerbsfähigkeit gestattet und daß mit dem Ausbau von Eisenbahnen und Verkehrswegen diese Erwerbsfähigkeit noch gestärkt werden wird. Dagegen ist der Neger belastet mit einer Unzahl von Kontrollen und Verord- nungen. Er fühlt unter Umständen die Hand der Obrigkeit sehr schwer. Er teilt sich mit der Heimat in die Aufbringung der gesamten Lasten. M. H.! Die Plantagenprodukte des Schutz= gebietes stellen ungefähr einen Wert von 16000000 Mark gegenüber einem Gesamthandel von 36 Mil- lionen Mark dar und die Negerprodukte ungefähr 9¾ Millionen. Die Hüttensteuer, die in den Plantagen von den Arbeitern aufgebracht wird, beträgt 60 000 Mk. Der Rest wird von den übrigen nicht in den Plantagen beschäftigten Schutzbefohlenen mit jetzt 1740 000 Mk. aufge- bracht. Die Ausfuhrprodukte des Negers, Gummi, Häute usw., zahlen einen Ausfuhrzoll. Die Aus- fuhrprodukte der Plantagen zahlen keinen Zoll, selbst wenn es Gummi ist. Kurzum, die gesamte Last, die Ostafrika trägt, diese 11 Millionen, teilt sich zwischen dem Neger und der Heimat. Die Plantagen haben daran keinen Teil, höchstens 2½ v. H. im ganzen. Die Konsumartikel der Weißen kommen noch in Frage, sie sind aber sehr mäßig besteuert. Auf Grund dieser Betrachtung, wie die deutsche Herrschaft den Negern Vorteil zu bringen hat, wenn sie nicht ein leeres Wort bleiben soll, habe ich später noch verschiedene Vorschläge zu machen. Die Hauptforderung aber, die im Interesse des deutschen Ansehens und der Ruhe und Sicherheit des Schutzgebiets liegt, ist die, daß das Ver- trauen der schwarzen Bevölkerung zur Re-