W 246 208 träumen, wenn das materielle Verständnis nicht da ist? Zu Anfang unserer kolonialen Ausdeh- nung haben wir in unserem sinnlosen Wunsche, den Eingeborenen zu assimilieren, verfügt, daß dieser letztere die Mundarten seines Landes auf- geben müsse, um die französische Sprache zu sprechen. Von vornherein sah man es als un- zulässig an, daß der erobernde Franzose herab- steigen und die Sprache des eroberten Landes lernen solle. Dies führte zu dem unheilvollen Ergebnis, daß Beamte ausgedehnte Gebiete ver- walteten, ohne die von ihnen Regierten verstehen oder sich ihnen verständlich machen zu können. Beiderseits nahm man damals Zuflucht zu der unseligen Vermittlung der Dolmetscher, welche die Lage unehrenhaft ausnutzten, indem sie Er- pressungen begingen und noch begehen, für die der Eingeborene (Übrigens folgerichtig) den Euro- päer verantwortlich macht. Fast überall ist die Tätigkeit der Dolmetscher nachteilig gewesen, ganz besonders in Indo- China. Sobald wir uns ihrer entledigen können — die Unterweisung der Eingeborenen, ebenso wie die bessere Ausbildung unserer Beamten muß uns diesem Zeitpunkt rasch näher bringen —, wird ihre Beseitigung ein ebenso politisches wie sittliches Werk sein. Die erste Art der Unterweisung des Ein- geborenen, die wir anzuwenden versucht haben, bestand also in der allgemeinen Regel: die Ein- geborenensprachen durch die französische Sprache zu ersetzen. Als Folge trug man das Unterrichts- verfahren, so wie es im Mutterlande angewendet wird, in alle vier Ecken unseres Kolonialreiches, ohne es zu verbessern, ohne zu versuchen, es dem besonderen Fassungsvermögen unserer Untertanen anzupassen. Man glanbte (abgesehen von den glücklichen Versuchen der „Alliance française: und der . Mission laiquer), daß, sobald die be- nutzten Lehrpläne für die Franzosen Frankreichs gut seien, sie für die neuen Franzosen der Kolonien nicht schlecht sein könnten. Seit einigen Jahren sind wir von diesem schweren Irrtum abgekommen. Neue Gedanken drängen vor. Sie lassen sich in folgende vier Grundsätze zusammenfassen: 1. der Eingeborenen-Unterricht muß sorgfältig gepflegt werden; 2. er muß vor allem beruflich sein; 3. der französische Unterricht muß elementar sein; 4. jede Kolonie muß einen Unterrichtsplan im Einklange mit ihren Bedürfnissen und ihren Bestrebungen besitzen. Wir werden sogleich auf diese verschiedenen Fragen zurückkommen. Für den Augenblick wollen wir einen ganz neuen Erlaß hervorheben, durch den Herr Leygues den „höheren Be- ratungsausschuß für den öffentlichen Unterricht der Kolonien“ neu eingerichtet und neben ihm ein „ständiges Sekretariat“ geschaffen hat. Das ist eine nützliche Maßregel. Unser Unterrichts- wesen bedurfte wesentlich der praktischen Einrich- tung, mit der es soeben ausgestattet worden ist. Neben den hohen Beamten der Ministerien der Kolonien und des öffentlichen Unterrichts, den Lehrern der Hochschule, des technischen und des wissenschaftlich-politischen Unterrichts, finden wir in dem Ausschuß fünf Gewerbetreibende, Kauflente und Leiter von Gesellschaften, die in den Kolonien Ankagen oder Geschäfte haben. Die Erziehung des Eingeborenen muß in der Tat zuvörderst praktischer Natur sein. Vom Handel, dem Gewerbe, der Landwirtschaft muß seine Be- tätigung die Richtung erhalten. Niemand kann besser das Gehirn des Eingeborenen bilden, als die Leute vom Beruf. Der durch den Erlaß vor- gezeichnete Plan selbst ist folgender: Der Aus- schuß wird beauftragt, alle Fragen durchzuprüfen, welche betreffen: 1. Einrichtung des Unterrichtswesens Kolonien; 2. Schuleinrichtung (Lehrgänge, Pläue und Bücher); in den 3.Ersatz des Personals, Schaffung und Über- wachung von kolonialen Lehrerbildungs- anstalten; Einreihung und Beförderung des nach den Kolonien entsendeten Personals im Rahmen des heimischen Organismus. Das „ständige Sekretariat“ (unter der Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses) ist mit der Prüfung und Behandlung der fol- genden Angelegenheiten beauftragt: 1. Schriftwechsel des Ministers. Anweisungen für die Gouverneure über den Unterricht; 2. Vorbereitung der ministeriellen Verfügungen und Erlasse, Prüfung der örtlichen Ver- fügungen, betreffend die Einrichtung des Unterrichts und die Lage des Lehrpersonals; 3. Zusammenfassung der Zahlenübersichten über. den öffentlichen Unterricht in den Kolonien; 4. Prüfung der Berichte der Inspektoren der Kolonien, betreffend den Unterricht; 5. Prüfung der Lehrpläne; 6. Prüfung der Anstellungsgesuche für den Schul- dienst in den Kolonien, Ersatz des Personals; 7. Aufsicht über die den örtlichen Haushalten gewährten Beihilfen; 8. Aufsicht über den Lehrplan der kolonialen Lehrerbildungsschulen; 9. Einrichtung von Wettbewerben für die Ver- öffentlichung von Schulbüchern, die jeder Gruppe von Kolonien angepaßt find usw.