W 290 20 der Buschmannskunst zu tun haben, daß die Künstler noch nicht imstande waren, Tierbilder zu zeichnen und auszuhauen, sondern daß sie vorerst nur Spuren der ihnen bekannten Wildarten in natür- lichem Maßstabe wiedergeben konnten. Die meisten, etwa 3 bis 5 mm tief eingehauenen, zum Teil schon etwas verwitterten Spuren liegen im Rivier selbst, unmittelbar am Wasser, d. h. da, wo jetzt noch in der Regenzeit Wasser steht oder fließt. Hier, im kühlen Grunde, im Schatten der hohen Felswände und der Laubbäume, hatten die Arbeiter — ich nehme mehrere an, da die Spuren verschiedene Grade von Kunstfertigkeit und Ge- schicklichkeit verraten — schattige und angenehme Arbeitsplätze und dicht neben sich kühles, klares Wasser, einmal zum Trinken, dann aber auch zum Schärfen der Meißel, denn das harte Gestein er- forderte harte und scharfe Bearbeitungsinstrumente. Welchen Zweck diese Buschmannszeichnungen gehabt haben, läßt sich sehr schwer beurtilen. Noch heute wohnen die Buschleute sehr weit, oft 20 bis 30 km, vom Wasser entfernt. Die Wasser- holer pflegen stets längere Zeit am Wasser zu verweilen, um sich recht satt trinken zu können; sie nehmen dann das Wasser für sich und den Rest der Werft auf viele Tage in Gefäßen mit sich zurück. Vielleicht hatten die Wasserträger da- mals das Bedürfnis, während der Zeit, wo sie am Wasser weilten, sich irgendwie zu beschäftigen, vielleicht auch wollten sie gewissermaßen Instruk- tionstafeln für ihre Jugend herstellen. Die Zeich- nungen sind wohl das älteste kulturhistorische Denkmal, welches wir in unserer Kolonie besitzen; sie beweisen ohne Frage, daß die damaligen (vor- übergehenden oder dauernden) Bewohner der Otawi-Berge auf einer wesentlich höheren Kultur- stuse standen als die jetzt in unserer Kolonie lebenden Eingeborenen. Die Zeichnungen bieten uns aber auch wertvolle Anhaltspunkte für die Fauna der damaligen Zeit, denn unzweifelhaft haben die Tiere, deren Spuren wir heute noch eingezeichnet sehen, damals in unserer Kolonie gelebt. Das Alter der Zeichnungen ist außerordentlich schwer festzustellen. In der Felsennische sind die Zeichnungen sehr gut erhalten; hier blieben sie vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Schlag- regen und Triebsand, geschützt. An anderen Stellen dagegen haben Wasser, Steine und Sand das Ihrige getan, um trotz des außerordentlich harten Gesteins die Konturen der Zeichnungen zu verwischen. Im Gedächtnis und Bewußtsein der Eingeborenen von Ghaub (Nama, Buschleute, Bergdamara) hat sich auch nicht die geringste Er- innerung an den Ursprung dieser Zeichen erhalten. Teilnahmslos starren sie die Spuren an, und nur ganz wenige Eingeborene kennen überhaupt die betreffenden Stellen. Mit vieler Mühe habe ich herausbekommen, daß noch mehrere derartige Spurenstellen in der Gegend von Ghaub, und zwar alle nordwestlich des Platzes, vorhanden sein sollen. Es wäre in hohem Grade verdienstlich, wenn alle in Frage kommenden Stellen gründlich unter- sucht und die Ergebnisse der Wissenschaft zugäng- lich gemacht würden. III. Der Riesenpontok von Haiseums. Einc knappe Stunde westlich von Nabis liegt Haiseums (zu deutsch: der falsche Pontok), eine gewaltige Felsmasse in der Form eines Riesen- pontoks oder Bienenkorbes. Er lehnt sich an einen Bergsattel an, und zwar so, daß man auf dem Wege von Ghaub her über den Sattel nur wenige Schritte zu steigen braucht, um plötzlich auf seinem Dache zu stehen. Man ist, aus dem Buschwald kommend, ganz überrascht über die weite Fernsicht auf eine große, viele Kilometer breite Ebene, die, fast überall von Hügelketten umgeben, sich zu Füßen des Pontoks ausbreitet. Das Wunderbare ist, daß die Wände des Felsens, der aus gl ich G gl 1 miti s 13341. ss g besteht, in das auch die erwähnten Spuren ein- gemeißelt find, wie Mosaikboden gleichmäßig glatt abgeschliffen sind. Erst wenn man in die Ebene hinuntersteigt, bekommt man den richtigen Be- griff von den Größenverhältnissen des Pontoks. Ich schätze die Höhe auf 15 bis 20 m, den Durchmesser in der Basis auf 25 bis 30 m. Derartig barocke Formen sind hier häufig und verdanken ihre Gestalt der Verwitterung, die in- folge des herrschenden Klimas ganz enorm ist. IV. Die Wasserstelle Gaus. Die Pferde der 10. Kompagnie, von einem Tiger geschreckt, waren einstmals weggelaufen. Ihre Spuren führten in die Otawi-Berge zu der vorzüglichen Wasserstelle Gaus. Sie liegt etwa 1700 m hoch. Wenn man die Pad Ghaub— Rietfontein verläßt und im gewundenen, roman- tischen Gebirgstal nach Gaus reitet, kommt man, immer bergan, durch neun immer kleiner werdende Gebirgskessel. Die Landschaft wird immer mehr und mehr alpin, und bei Gaus selbst kann man sich mit geringer Phantasie in die Voralpen versetzt glauben. Der Platz ist von größtem Werte, denn Malaria und Pferdesterbe sind dort oben selbst in diesem starken Regen= und Sterbejahre nicht vorgekommen. Nebenbei möchte ich bemerken, daß der Weg von Otawi über Gaus nach Ghaub, namentlich die zweite Hälfte, zu den schönsten im Norden gehört, die ich kenne. Die Gebirgsformen, die sonst im