G 426 20 Kampomündung bis zum Tschadsee (2500 km) ausgesandten gemeinschaftlichen Doppelexpeditionen kehrten im Frühjahr 1907 nach Europa zurück. Die Bearbeitung ihrer umfangreichen Ergebnisse war Ende 1907 abgeschlossen, so daß am 2. März 1908 in Berlin eine gemischte Kommission zu- sammentreten konnte, deren Aufgabe es war, den beteiligten Regierungen auf Grund des vorliegen- den Kartenbildes der Grenzgebiete Vorschläge für eine anderweitige Regelung der im Vertrag von 1894 geschaffenen Grenze zu unterbreiten. Der Rahmen für die Arbeiten dieser Kom- missionen war also von vornherein gegeben und feststehend. Es konnte sich bei denselben weder um eine großzügige Umgestaltung der vertraglich festgelegten Grenze, noch um die Anstrebung ein- seitigen Gewinnes zum Vorteile der einen Macht und zum Nachteil der andern handeln, sondern in erster Linie nur um eine Abänderung der im Vertrag von 1894 festgesetzten, meist künstlichen geradlinigen Grenzen unter möglichst umfang- reicher Benutzung der in der Nähe dieser Grenzen festgestellten Wasserläufe bei gleichzeitiger mög- lichster Wahrung der beiderseitigen Interessen- In zweiter Linie galt es, die Bestimmungen des § III des Anhanges des Vertrages von 1894 zu erörtern und sie sinngemäß zur Anwendung zu bringen. Der genannte Paragraph lautet: Wenn sich auf Grund neuerer, gehörig ge- prüfter Beobachtungen herausstellen sollte, daß die Lage von Bania, Gaza oder Kunde irrig angenommen ist, und wenn infolge dessen die Grenze, wie sie durch das gegenwärtige Protokoll festgelegt ist, sich bezüglich eines dieser drei Punkte um mehr als 10“ westlich des 15.57 ö. G. zurückschieben wird, so werden sich beide Regierungen ins Einvernehmen setzen, um zu einer Grenzberichtigung zu schreiten, durch welche Deutschland in dem fraglichen Gebiete eine gleichwertige Kompensation erhält. Eine gleiche Berichtigung würde behufs Zubilligung einer Kompensation an Frankreich einzutreten haben, wenn sich herausstellen sollte, daß der Schnittpunkt des 10.5- u. Br. mit dem Schari die Grenze um mehr als 10 Bogen- minuten östlich des auf der Karte bezeichneten Punktes verschiebt (17 10“ 5. Gr.). Dieser Paragraph war seinerzeit auf Antrag der deutschen Bevollmächtigten in den Vertrag aufgenommen worden, weil bei ihnen Zweifel an der Zuverlässigkeit der damaligen französischen Karten des Flußgebietes des Ssanga bestanden. Er sollte verhindern, daß, falls das Gebiet zwischen Kunde und dem Grenzpunkt 62“ westlich von Bania auf Grund späterer zuverlässiger astrono- mischer Längenbestimmungen eine erhebliche Ver- schiebung nach Westen erfahren würde, der deutsche Besitzstand westlich des 15. Meridians durch die Bestimmungen des Artikel 1 des Vertrages eine erhebliche Einbuße erfahren könnte. Nun haben die Beobachtungen der Grenz- expedition von 1906 ergeben, daß die Lage von Kunde sich gegen die Annahmen vom Jahre 1894 um 28“, die von Gaza um 33°nach Westen ver- schiebt, während die Lage von Bania sich gegen die früheren Angaben nicht wesentlich geändert hat. Da mithin die Lage des Grenzpunktes bei Kunde 14° 31“, die des Punktes 43° westlich von Gaza auf 14° 27 feststand, trat der § III des Anhanges in Kraft, demzufolge Deutschland für den in dem durch den Grenzpunkt von Kunde und Gaza, sowie durch den 15. Meridian be- zeichneten Geländestück eingetretenen Territorial= verlust eine gleichwertige Kompensation zu fordern hatte. Das gleiche war für Frankreich hinsichtlich des äußersten östlichen deutschen Gebietes am Schari, soweit es als jenseits des 17° 10° 5. Gr. gelegen festgestellt war, der Fall. Hier hatte Frankreich von Deutschland eine Kompensation für den Miltubezirk zu verlangen. Auf seiten der französischen Unterhändler neigte man zu der Ansicht, daß diese Angelegen- heit unter Umständen durch einfache Aufgabe des bisherigen französischen Besitzstandes westlich des 15. Meridianes bei Kunde erledigt werden könnte, bäw. durch Aufgabe des deutschen Miltugebietes. Da indessen das erstere Gebiet durch die lang- jährige Tätigkeit der in ihm und seiner Nach- barschaft gelegenen Faktoreien der Konzessions- gesellschaften als seines natürlichen Reichtums an Elfenbein und Kautschuk entäußert angesehen werden durfte, und da die Vertragsbestimmungen nicht eine Rückgabe, sondern die Gewähr einer Kompensation stipulierten, mußte letztere an einem anderen Teil der Grenzlinie gesucht werden. In der unmittelbaren Nähe des Kunde —Gazagebietes war eine Kompensation, wenn die Grenze sich hier nicht ganz unförmlich gestalten sollte, nicht zu finden. Auch war zu erwägen, daß, da die langgedehnte Grenze durch Länder von sehr ver- schiedenem wirtschaftlichen Wert führt, die Größe der zu gewährenden Landkompensation von dem jeweiligen Wert derselben abhängig zu machen war. Bei dem Kunde —Gazagebiet handelt es sich im allgemeinen um ein mit Galeriewäldern längs der Wasserläufe ausgestattetes, mäßig be- völkertes Savannengebiet, dessen wirtschaftliche Bedeutung eine andere ist als die der waldlosen, stellenweise aber gut bevölkerten Savannengebiete weiter im Norden und wieder eine andere als die der urwaldbestandenen, mehr oder weniger elfenbein= und kautschukreichen, aber fast menschen- leeren Regionen weiter im Süden. Die durch