W 428 20 Überschreitungen des Stromes zu hindern. Um hier dauernd Ruhe und Ordnung zu schaffen und im Laufe verschiedener Menschenalter allmählich wieder eine dichtere Bevölkerung heranzuziehen, hätte es in diesem weitab von den Zentren der Verwaltung gelegenen Lande einer ganzen Reihe von Stationen und Militärposten und nebenbei auch der Einrichtung einer Dampferverbindung auf dem Schari bedurft, welche den Etat des Schutzgebietes auf lange Zeit hinaus schwer be- lastet haben würden. Unter diesen Umständen und weil Frankreich seinerseits für den östlich des 17° 10° Meridians entfallenden deutschen Teil dieses Gebietes mit dem Posten Miltu ohnehin eine Kompensation auf Grund des oben erwähnten § III des An- hanges des Vertrages von 1894 zu verlangen berechtigt und gewillt war, erschien es rätlich, wenigstens den am weitesten nach Osten zu ge- legenen, für die deutsche Verwaltung in Kusseri am schwierigsten zu überschauenden Teil des Scharigebietes gegen eine Gebietserweiterung von Kamerun östlich von Ngaundere, am oberen west- lichen Quellfluß des Logone, an Frankreich ab- zutreten. Betrachtet man das Ergebnis der Berliner g als Ganzes, so wird man die Überzeugung gewinnen, daß von beiden Regierungen Opfer gebracht sind und Opfer ge- bracht werden mußten, um zu dem vorliegenden Resultat zu gelangen. Die französischen Vertreter hätten es ausgesprochenermaßen am liebsten ge- sehen, wenn an den bestehenden Verhältnissen möglichst wenig geändert worden, und wenn die seit 1894 in Kraft gesetzte künstliche Grenzlinie aufrecht erhalten geblieben wäre, so daß das ganze Resultat der Verhandlungen sich auf eine durch den § III des Anhanges zum Vertrage von 1894 bedingte Rückgabe der westlich vom 15. Me- ridian gelegenen Gebiete bei Kunde-Gaza an Deutschland und auf eine Auslieferung des Miltu- gebietes an Frankreich beschränkt haben würde. Eine solche einfache Regelung der Angelegenheit würde aber weder den §8 III und VII des Ver- tragsanhanges entsprochen, noch auch auf die Dauer zu für beide Mächte befriedigenden Grenzver- hältnissen geführt haben. Es ist daher erfreulich, daß trotz dieser prinzipiell abweichenden An- schauungen der französischen Unterhändler in dieser grundlegenden Frage die Verhandlungen durch- weg im Geiste gegenseitigen Entgegenkommens und möglichster Berücksichtigung der beiderseitigen Wünsche geführt werden konnten. An der Süd- grenze sind soweit als möglich natürliche Grenz-= linien gewonnen. Deutschland hat hier im linken Dschaufer eine leicht erkennbare, von den Ham- —“77 G. g. burger Grenze an einer fahrbaren Wasserstraße des Congo- beckens erworben, die ihm nach dieser Richtung den Anschluß an den Weltverkehr sichert. Am rechten Ssangaufer ist der deutsche Besitzstand von 30 auf etwa 150 km Uferlänge gestiegen. Sache der Südkamerun-Interessenten wird es jetzt sein, den hier erworbenen neuen Besitz an Waldland im Wettbewerb mit den Vertretern der franzö- sischen Gesellschaften am Ssanga wirtschaftlich zu erschließen. Ein Erwerb des ganzen rechten Ssanga= und Kadeiufers nördlich von Bomassa für Deutschland war von vornherein ausgeschlossen, weil die Ekela- Kadei-Sanga-Konzessionsgesellschaft in der Region westlich von Nola ihr Hauptarbeitsfeld und durch Anlage von Kautschukpflanzungen und zahlreiche Faktoreien beträchtliche Privatinteressen geschaffen hat, welche die französische Regierung schützen mußte. Die Ansprüche Frankreichs auf Kunde und Binder waren nach dem Wortlaut des Vertrages von 1894 unanfechtbar; wollte Deutschland im Südosten Kameruns den uneingeschränkten Zutritt zu den Wasserstraßen des Dscha und Ssanga er- langen und dort nach den Wünschen der Ham- burger Interessenten und sehr gegen die Inten- tionen der französischen Konzessionsgesellschaften, welche jede etwaige Stärkung der deutschen Kon- kurrenz an dieser Stelle perhorreszierten, festen Juß fass sen, „o konnte dies nur mit Hilfe der ihm d g für das Kunde- IALLILAL n—n Gazagebiet geschehen. Nachdem sich die Kolonialverwaltung auf An- drängen und unter ausdrücklicher Billigung der interessierten Hamburger Kaufmannskreise dazu entschlossen hatte, die Verhandlungen in dem Sinne einer Abrundung des deutschen Besitzstandes in Südostkamerun und des Erwerbes von möglichst ausgedehnten Ufergrenzen in diesem. Gebiete zu führen, war nach der Vertragslage ein Erwerb von Kunde und Binder bei der großen Bedeutung, die vor allem letzterer Ort in den Augen der französischen Regierung für die Entwicklung ihrer Kolonialpläne in den Tschadseeländern hat, aus- geschlossen. Es blieb, nachdem die Wahl des Entschädigungsobjektes getroffen war, kein weiteres Tauschobjekt von genügendem Wert für Deutsch- land übrig, dessen Preisgabe Frankreich vielleicht hätte veranlassen können, noch in eine Aufgabe des einen oder andern der beiden genannten Ge- biete zu willigen. Die sonstigen vorgenommenen kleinen Grenz- änderungen hatten nur das Ziel, die politischen Scheidelinien möglichst mit natürlichen Grenzen in Einklang zu bringen und ihnen unter Wahrung der beiderseitigen Interessen eine den Verhältnissen besser angepaßte Gestaltung zu geben.