Urwaldes. Am Mgahinga hatten wir frische Losung und Fährte an der Grenze der Bambus- mit der Hochwaldzone gefunden, im Innern des Waldes dagegen niemals Anzeichen ihres Vor- kommens bemerkt. Über die Lebensweise des Gorilla ist noch wenig bekannt. Mit Bestimmt- heit konnten wir die Benutzung von Schlafbäumen während der Nacht konstatieren, unter denen ein Mungu genannter, sehr hoher und bis zur Krone astfreier Podocarpus sowie eine Sopotacee, hier Mutoie benannt, der großen Ubersicht und damit verbundenen Sicherheit wegen bevorzugt werden. In den Morgenstunden, etwa zwischen 7 und 9 Uhr, verlassen die Gorilla, die ein Familien= leben zu 5 bis 8 Mitgliedern führen, ihre Schlaf- bäume, um zu äsen. Der Gorilla ist nicht wählerisch in seiner Nahrung. Nach Angaben der Watwa werden Blätter, Rinde, Blüten, Knospen und junge Triebe gern genommen; doch decken sich meine Beobachtungen hierin nur in bezug auf die Sopotacee (Mutoie), während Dr. Schubotz später bei der Verfolgung auf der Erde befindlicher Gorillas frisch gekaute junge Bambustriebe fand. Bei Sonnenaufgang und abends, wenn die kurze Dämmerung naht, hört man weithin das schwach einsetzende, dann anschwellende, durch- dringende Geschrei der Gorillas, das die Watwa auf Zwistigkeiten innerhalb der „Familie“ zurück- führen. Dies ist der Augenblick für den Jäger, einzugreifen und ein Anschleichen zu versuchen. Wir hatten unser Lager an den Südrand des Waldes, in die Nähe des Häuptlings Chuma ver- legt. Hart unter uns dehnte sich eine steile, tiefe Schlucht, auf deren Grund ein Wildbach rauschte; sie trennte uns vom jenseitigen Hange des Berges, auf dem sich das Geschrei meist hören ließ. Die einzelnen Familien haben stets ein bestimmtes Revier, das ungern verlassen wird. Einen Versuch, am Abend bei schwindendem Lichte mich heranzupürschen, mußte ich als völlig undurchführbar ausgeben, da das fast undurch- dringliche Unterholz nur auf Händen und Knieen zu durchkriechen war. Ich mußte also bis zum Morgen warten. Noch vor Tagesgrauen saßen wir drei schon fertig vor den Zelten und erwarteten den ersten Schrei. Als einzigen Begleiter hatte ich mir einen Watwa ausersehen. Dies hatte anfangs viel Schwierigkeiten gemacht. Alle größeren Familien der Ruanda bewohnenden Bevölkerung, der Wa- tussi, der Wahutu und so auch der Watwa, haben ein ihnen geheiligtes Tier, musiro genannt, dessen Tötung durch ein Mitglied der Familie schweres Unheil heraufbeschwören würde. So hat die Familie der Sultans Mfingo beispielsweise den Kronenkranich, die Familie des Mtualen Kaware 430 2 den Frosch als musiro. Unglücklicherweise be- zeichnen nun die Watwa gerade den Gorilla als ihren musiro, woraus sich die Ablehnung meines Führers erklärte. Auf die Vorstellung hin, daß er sich ja nicht selber an der Erlegung zu be- teiligen habe, sondern daß dies meine Sache sei und er mir nur den Standort zeigen solle, willigte er schließlich ein. Allmählich wurde es heller und heller; schon konnte man durch die Dämmerung einzelne Par- tien der Waldschlucht erkennen, aber noch immer herrschte Totenstille. Dann ertönte hier und da der erste Ruf eines erwachenden Vogels. Von allen Seiten begann es bald freudig dem Tag entgegenzuzwitschern, und als die ersten Strahlen über die Wipfel der Bäume leuchtende Bänder zogen, da ertönte endlich auch der ersehnte Ton zu uns herüber und zeigte uns den Standort des wertvollen Wildes gegenüber am anderen Hange, jenseits der Schlucht. Der Kriegsrat war schnell fertig: Raven links, im Falle die Gorillas dort ausbrechen sollten, der Pater rechts, ich gerade darauf los. Der kleine Körper des Watwa rutschte mit bewundernswerter Geschmeidigkeit durch das unglaubliche Gewirre von Lianen, Bambus und Dornen hindurch, während die Kleider des Europäers an den Dornen beständige Hindernisse fanden. Dem Vorschlage, den Raven von einem Watwa einmal bekam, während des Pirschens im Walde die Kleider ab- zulegen, konnte ich leider nicht nachkommen. Endlich war der Grund der Schlucht erreicht, der Bach überschritten. Nun galt es: schnell den Hang hinauf, bevor die Affen den Baum ver- ließen, von dem eben wieder jener unvergeßliche Schrei ertönte, denn einmal auf der Erde, waren sie für uns verloren. War es bergab schon schwierig fortzukommen, so galt dies bergauf in doppeltem Maße. Die Hände zeigten unzählige Schrammen und Risse, der Schweiß lief in Strömen am Körper herab. Endlich brachte ein alter Elefantenwechsel Er- leichterung. Mittlerweile war es schon 7 Uhr geworden; nach unserer Schätzung mußten wir jetzt in der Nähe des gesuchten Baumes sein. Eine Ubersicht war durch das dichte Unterholz, das jede Aussicht nahm, unmöglich. Mein Führer blieb jetzt stehen und lauschte mit vorgebeugtem Kopfe, die Augen auf die Erde geheftet. Dann deutete er langsam nach oben: .Wanakula flüsterte er, „sie fressen“. Mit äußerster Vorsicht krochen wir nun weiter, ängstlich jedes Reis und jedes trockene Blatt mit den Händen beiseite räumend. Dann blieben wir wieder stehen und lauschten. Kein Ton vernehm- bar! Meine Hoffnung sank bedenklich. Unschlüssig, wohin wir uns weiter wenden sollten, schlichen