W 432 20 ist, wie überall hier, der scharfen Bestimmungen wegen sehr gering. Daß viele Schmuggel- karawanen die Vorteile des Waldes ausnutzen, ist bei seinen Riesendimensionen und der daraus sich ergebenden unzulänglichen Kontrolle natürlich. Dr. v. Raven und Czekanowski waren während dieser Zeit zur Ergänzung begonnener Arbeiten wiederum auf Spezialreisen am Südrand des Ruwensori bzw. Toro und Unyoro beschäftigt, während sich Herr Kirschstein zu den Schluß- arbeiten im Vulkangebiet des Kiwu noch eine etwas verlängerte Arbeitszeit erbeten hatte, die durch fortwährende Neufunde bedingt wurde. Czekanowski fand auf seiner Tour einen Stamm von Watwa-Leuten, die — offenbar kleiner als dieselben Leute des Bugoiewaldes — zu den Pygmäen zu rechnen wären, während die Bugoie- Watwa keineswegs zu diesen zu zählen sind. Dr. v. Raven hatte, als er sich zur Blutunter- suchung in das Gebiet der Wasongora begab, das Unglück, von einem angeschossenen Büffel, dem er auf der Schweißfährte folgte, ganz un- vorhergesehen angenommen und in die Luft ge- worfen zu werden. Nach „Rückkehr“ auf den Boden warf sich der wütende Büffel nochmals auf seinen Gegner, worauf das Tier von zwei Askari zusammengeschossen wurde. Herr v. Raven trug, wenn auch keine gefährlichen, so doch sehr erhebliche Verletzungen am Ellenbogen, in der Muskulatur des Oberarmes und an der Brust davon, die seiner ärztlichen Tätigkeit für längere Zeit ein Ende setzen werden. Der übrige Teil der Expedition, die Herren Dr. Schubotz und Mildbraed, Oberleutnant Weiß, Leutnant Wiese und ich, sowie der belgische Leutnant Vériter, unternahmen am 18. Jannar eine Exkursion in den westlich von Beni gelegenen Teil des Urwaldes. Oberleutmant Weiß hatte nach umfangreichen Arbeiten im kongo- lesisch-englisch -strittigen Gebiete genaue Routen- aufnahmen bis hierher gemacht, eine Aufgabe, die ihm auch jetzt wieder zufiel. Je mehr wir in den Wald eindrangen, desto mehr erregte die Neuheit der Flora die Auf- merksamkeit unseres Botanikers Dr. Mildbread, da sich keinerlei verwandtschaftliche Formen mit der Flora bis dahin gesehener Wälder zeigten. Formen= und Artenreichtum ist ungeheuer groß, so daß der botanische Sammler fast in Verlegen- heit über sein Programm geriet. Wir sind hier im Gebiete des Okapi, das überall im Flußgebiet des Aruwimi und Uälle vereinzelt vorkommt; doch ist seine Erlegung ganz außerordentlich schwer und hängt für den Euro- päer lediglich vom Zufall ab. Es war uns durch Vermittlung ihres Chefs, des Sultans Muera gelungen, einige der Urbewohner des Kongo- Urwalds, der Mombutta-Pygmäen, als Begleiter zu erhalten, ohne deren Hilfe ein Umherstreifen im Walde unmöglich ist, sobald man die Verkehrs- wege nach Irumu oder Mawambi verläßt. Die einzige Kommunikationsmöglichkeit besteht in den sich permanent kreuzenden alten und frischen Elefantenpfaden, wodurch einem Weißen jede Orientierung geraubt wird. Die Mombutta machten einen intelligenten, netten Eindruck und nahten ohne Schen. Trotz- dem wir nach ihrer Angabe die ersten Europäer waren, mit denen sie in Fühlung kamen, fanden sie sich schnell in die neue Situation. Ihr Orientierungsvermögen ist fabelhaft. Die Färbung ist auffallend hell und der Körperbau kräftig. Aus gutmütigen Gesichtern schauen intelligente Augen, die einen Rückschluß auf stark entwickelte natürliche Sinne zulassen. Der Gesamteindruck wird vielleicht nur durch die Breite der Nasen- flügel etwas beeinträchtigt. Im Gegensatz zu den Watwa im Bugoiewalde, deren Indolenz den ruhigsten Europäer zur Verzweiflung treiben kann, schlugen die Mombutta ohne Scheu ihre Schlaf- stätte zwischen unseren Trägern auf, jedes Winks zu Führerdiensten gewärtig. Meine eigenen Messungen, die aber auf keinen anthropologischen Wert Anspruch machen wollen, ergaben bei einer Anzahl Vertreter dieses Pygmäen= stammes Höhen zwischen 136 und 142em, während nur ein Mann mit 145 cm dieses Maß überschritt. Feste Wohnplätze kennen sie allem Anschein nach nicht; diese werden vielmehr fortwährend gewechselt, aber niemals nach außerhalb der Waldzone verlegt. Sie bestehen aus Lianen- gerüst, das mit Blätterwerk überdacht ist. Die Kleidung besteht aus einem durch den Spalt gezogenen, vorn und hinten herabhängen- den Schurz aus grauem, wollartigem Rindenstoff, der vom Supabaume, tief im Inneren des Waldes, gewonnen wird. Bei den Frauen, die sich in der Größe von den Männern nicht unterscheiden, findet man als Schmuck gelegentlich durch die Lippen gezogene, dünne Kupferringe, an denen je eine Kaurimuschel hängt. Die Weiber starren fast alle im „Urschmutz“ und sind von abschrecken- der Häßlichkeit. Die Kinder werden auf der Hüfte der Mutter sitzend getragen und von einer, manchmal ganz dünnen Schnur unterstützt, die über die Schulter der Mutter läuft und manchem kleinen Wurme durch tiefes Einschneiden in den weichsten Körper- teil jämmerliche Tränen der Qual entlockt. Körbe und ähnliche Lasten werden an breiten Bast- bändern mit der Stirne getragen, während der getragene Gegenstand über den Rücken hängt. Die anderen Bewohner des Waldes und seiner Grenzen sind die Wabuba, zu denen sich