G 572 20 in seiner Nähe — wegen starken Dunstes nur dreimal vergönnt gewesen war. Der Marsch führte in kleineren Etappen über wellenförmiges Terrain durch verbrannte Matete (Elefantengras) und später durch ausgedehnte Bananenpflanzungen, die viele Elefanten beher- bergten, bis an den Fuß des gewaltigen Gebirgs- stockes, wo der Weg sich im enorm hohen Ma- tetegras verlor, so daß er erst durch Askaris ausgeschlagen und für die nachfolgenden Lasten passierbar gemacht werden mußte. Die spärlich vertretene Bevölkerung zeigt hier noch große Scheu vor dem Europäer; wir be- kamen keinen Führer, alle Hütten standen ver- lassen. Endlich gelang es uns, einen Mann, der sich durch unser plötzliches Erscheinen hatte über- raschen lassen, als Führer zu dingen, nachdem wir ihn durch gütliches Zureden und kleine Ge- schenke von unseren friedlichen Absichten überzeugt hatten. Ein steiler, kurzer Anstieg, wiederum durch das hohe Gras, brachte uns auf 1500 m Höhe, wo an einer Quelle gelagert wurde. Da es die Aufgabe der beiden Herren Doktoren (Schubotz und Mildbread) war, den Westhang des Ruwensori in möglichst hohe Regionen hinauf floristisch und faunistisch zu untersuchen bzw. zu den Stuhlmannschen Sammlungen Ergänzungs- material zu schaffen, so richteten sie weirer ober- halb ein Standlager ein. Leutnant v. Wiese, Vériter und ich zogen weiter nordwärts, um Fühlung mit der kongolesisch-englischen Grenz- kommission zu bekommen, die zwecks Festlegung des 30. Meridians in Kiagodé, zwei Stunden nordwestlich von Mboga und am Semliki in Standlagern arbeitete. Der Weg führt hart am Fuße des Ruwensori entlang und war unglaublich schlecht. Die ersten Tage war er ständig durch 5 bis 7 m hohes Ma- tetegras überwuchert, das keinen Lufthauch durch- ließ, so daß eine entsetzliche Temperatur in diesen „Mauern“ herrschte, durch welche wiederum Schritt vor Schritt mit den langen Buschmessern der Pfad geschlagen werden mußte. Am dritten Tage wurde wieder die Waldzone berührt, die uns auch fernerhin bis hinter den Semliki nicht mehr verließ. Es war ein rechter Unglückstag. Nachdem wir zunächst einen außer- ordentlich steilen Anstieg — wie sich bald heraus- stellte, gänzlich unnötigerweise — mit größter Anstrengung hinaufgekrochen waren, hatte ich beim Abstieg das Unglück, daß meine rechte Hand von einem Ubereifrigen für eine Liane angesehen wurde. Er ließ darauf einen wohlgezielten Axthieb her- untersausen, so daß ich mit dem Arm in der Binde für die nächsten vierzehn Tage zu völliger Tatenlosigkeit verurteilt wurde. Leutnant Vériter stürzte gleich darauf in eine überdeckte Elefanten- grube und verletzte sich an der Schulter, worauf die mit Mühe angeworbenen Führer (schuldbewußt ob verbotener Fallenanlage) auf Nimmerwieder- sehen im Busch verschwanden. So suchten wir uns aufs Geratewohl einen Weg — den richtigen hatten wir verlassen und noch nicht wiedergefunden — bis zu einem in der Nähe herabstürzenden Wicdbocl. an dessen kühlendem Wasser im Schatten der Urwaldbäume ein hübscher Platz für die Zelte geschlagen wurde. Patrouillen fanden dann den richtigen Pfad. Ein Nachtmarsch bei schönstem Vollmondschein brachte uns dann endlich am siebenten Tage nach Spenge am Semliki, der hier in schöner Waldszenerie in ansehnlicher Breite und Schnellig- keit vorübergleitet. Der Semliki ist auch hier sehr fischreich. Die Temperaturen fingen an, drückend zu werden und steigerten sich hier auf 55 Grad Celsius, während sie des Abends selten unter 28 Grad Celsius fielen. Die ständig erwartete große Regenzeit setzte noch immer nicht ein. Mit Ausnahme eines starken Regenkäges am Ruwen- sori konnten nur einige ganz unbedeutende kleine Schauer registriert werden. Am 19. Februar wurde Mboga erreicht. Dieser Platz liegt im neutralen Gebiet und an der großen Route Irumu— Fort Portal—Entebbe; er ist somit für Elfenbein= und Kautschukhandel (erlaubten und unerlaubten) wie geschaffen. Eine Anzahl Inder verkaufen in geräumigen Läden allerhand Gegenstände, die bei der Nähe der beiden Grenzkommissionslager auch lebhaft umge- setzt werden, aber in Wahrheit nur Aushänge- schilder für den Handel mit der erwähnten loh- nenderen Ware find, der denn auch ganz offen und mit bedeutenden Einkünften betrieben wird. Zwei Stunden nordwestlich liegt, wie erwähnt, das belgische Hauptlager der Kommission auf dem Berge Kiagodé, bei der Residenz des jungen Sultans Tabaru, der uns eine Strecke Weges mit seinem Gefolge entgegenkam. Nach einem erquickenden Ritt durch den taufrischen Morgen konnten wir im hübsch aus Matete-Häusern und ebensolchen Banda errichteten Lager den liebens- würdigen belgischen Offizieren die Hände schütteln. Der Kommandant Bastien, den eine Dienstreise zu seinen englischen Kollegen an den Semliki ge- führt hatte, traf ebenfalls bald darauf ein. Die Arbeiten der Kommission, die endgültige Festlegung des 30. Längengrades als Grenze zwischen dem kongolesischen und englischen Gebiet, sind in der Hauptsache nunmehr beendet, so daß die Herren Ende März ihrer Abberufung ent- gegensehen, während die genaue Ausmessung einem auf dem Wege hierher befindlichen Astronomen übertragen worden ist.