W 608 20 Guadeloupe und Reunion, vier durch Dekret, nämlich Französisch-Guayana, Neu-Caledonien, Senegal und die französischen Besitzungen in Indien. Der Wahlmodus, nach dem diese Räte in den verschiedenen Kolonien gewählt werden, voriiert. In den Antillen und in Réunion be- steht wie in Frankreich allgemeines Wahlrecht; in Französisch-Guayana und Neu-Caledonien hat allein die französische Bevölkerung Stimmrecht, im Senegal nur die Bewohner von St. Louis, Gorée, Dakar und Rufisque. In den franzö- sischen Besitzungen in Indien werden zwei Wahl- listen aufgestellt, die eine für die französische Be- völkerung, die andere für die Eingeborenen. Sie enthalten rund 3000 bzw. 270 000 Wähler. Die ersteren wählen dreizehn Räte, die letzteren fünfzehn. Die Funktionen der Generalräte in den Kolonien sind fast dieselben wie die der ent- sprechenden Behörden in Frankreich, nämlich der Departementsräte. Sie greifen nicht in die Lokal- verwaltung ein, sondern üben einen überwiegenden Einfluß in allen fiskalischen und finanziellen An- gelegenheiten aus, besonders was die Ausfstellung des Budgets angeht. In fiskalischen Angelegen- heiten setzt der Generalrat die Höhe der Steuern und die Art ihrer Erhebung fest, jedoch sind seine Entscheidungen der Genehmigung durch den Staatsrat unterworfen. Die Festsetzung des Zolltarifs bleibt in den Händen der Regierung des Mutterlandes. In den Antillen, Réunion und Französisch- Guayana wird das Budget tatsächlich durch die Generalräte votiert; im Senegal, den französischen Besitzungen in Indien und in Neu-Caledonien hat der Gouverneur das Vorschlagsrecht für die Ausgaben, und die Generalräte haben das Recht, die Kredite zu erhöhen oder Abstriche zu machen. Die Vorrechte der Generalräte sind also sehr be- trächtlich; ohne ihre Initiative kann keine Steuer auferlegt oder abgeändert werden. Keine Aus- gabe, mit Ausnahme derjenigen, welche für die Ausübung der Souveränität (Verwaltung, Rechts- pflege, Polizei, Gendarmerie, Zollwesen) nötig sind, kann gemacht werden, solange sie nicht die notwendigen Kredite bewilligt haben. 2. Der Kolonialrat von Cochinchina besteht aus sechzehn Mitgliedern. Er setzt mittels Dekrets die Art der Steuern und die Art ihrer Erhebung sest und hat absolute Gewalt bei der Festsetzung der Zolltarife. In bezug auf das Budget hat er ähnliche Vorrechte wie die Generalräte, nur daß der Kolonialminister in bezug auf die Aus- gaben größere beschränkende Rechte besitzt. Die Gewalt des Kolonialrats ist also größer als die der Generalräte in bezug auf die Besteuerung, da er ja auch die oberste Kontrolle über die Tarife hat; in bezug auf die Ausgaben ist sie geringer. 3. In allen Kolonien, selbst in denjenigen, welche Generalräte besitzen, wie auch in Cochin- china bestehen noch sog. Beiräte, welche den Zweck haben, dem Gouverneur der Kolonie be- ratend zur Seite zu stehen. Sie sind zusammen- gesettt aus hohen Beamten und Notabeln der eingeborenen Bevölkerung. Wie oben schon gesagt, sollten die General- räte die Aufgabe haben, eine direkte Kontrolle über die Verwaltung der Kolonien auszuüben, um die Steuerzahler gegen mögliche Aus- schreitungen und die schlechte Verwaltung der Behörden zu sichern. Dieses Ziel ist indessen nicht erreicht worden. Wie die Erfahrung zeigt, hat bei den Generalräten von jeher die Tendenz bestanden, die Ausgaben zu erhöhen. In der Tat befinden sich die Finanzen aller Kolonien mit Generalräten, mit Ausnahme von Martinique, den französischen Besitzungen in Indien und Französisch-Guayana, in einem Zustand, der viel zu wünschen übrig läßt. Sie alle, mit Ausnahme von Französisch= Guayana, empfangen Staats- subventionen, und die Finanzen der Kolonie Senegal, welche einen Generalrat hat, geben, während alle übrigen Kolonien, welche das Generalgouvernement von Französisch-Westafrika bilden, sich in einem bemerkenswerten Zustand finanzieller Prosperität befinden, Ursache zur Be- unruhigung. Der Kolonialrat von Cochinchina hat durch- aus gut gearbeitet, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß in diesem Lande eine alte Zivilisation und eine Bevölkerung mit autochthoner hoher Kultur sich vorfindet, Verhältnisse, die in den meisten andern französischen Kolonien nicht vor- liegen. Da die Beiräte allgemein aus Mitgliedern zusammengesetzt find, welche mehr oder weniger von den Verwaltungsbehörden abhängig find, und da sie keine bestimmt abgegrenzten Rechte haben, so ist ihre Gewalt nicht sehr groß; es muß deshalb eine andere und wirksamere Form der Kontrolle gefunden werden. Nachdem M. Hubert die Idee der Kontrolle durch den Oberrat der Kolonien (Conseil supérieur des Colonies) oder durch das Parla- ment als ganz unausführbar beiseite gelassen hat, gibt er der Meinung Ausdruck, daß die Kontrolle der Zentralverwaltung überwiesen werden müßte. Nach seiner Meinung sollte die Kontrolle durch zwei Körperschaften ausgeübt werden, von denen die eine aus Beamten bestehen sollte, die in kolonialen Angelegenheiten als Sachverständige gelten können und die den einzelnen Detailfragen genügend fernstehen, um einen allgemeinen Uber-