675 0 Awakubi ist wohl der größte Posten am Iluri-Aruwimi, in einer der reichsten Kautschuk- gegenden gelegen. Eine gewisse „Kautschuk- Müdigkeit"“ der Bevölkerung, deren nachgerade drohender Charakter die Entsendung von Truppen in die nördlichen Gebiete notwendig gemacht hat, brachte jedoch seine reichen Einnahmen in letzter Zeit erheblich zurück. Der Ort zählt mehrere tausend Einwohner und auch einige Araber als letzte Repräsentanten dieses einst Afrika beherr- schenden Volkes. Eine hohe, schattige Palmen- allee führt zur nahen Mission der Sacré Coeur, auf deren geräumigem Grundstück sich ein nettes, in den Urwald eingebautes, noch unfertiges Wohnhaus und eine überraschend stattliche Kirche erheben. Auf dem Wasserwege besuchten wir ferner eine größere Fantumiaplantage. Wie überall am Kongo das Kautschukplantagenwesen noch in den Kinderschuhen steckt, so ist auch diese Pflan- zung sehr jung; ihre Zukunft liegt noch völlig im Dunklen und über ihren Nutzwert wird in frühestens sieben bis acht Jahren zu reden sein. Doch in Voraussicht des später notwendig ein- tretenden Rückschlages auf den verderblichen, jetzt noch allgemein üblichen Raubbau hat der Kongo- staat durch zahlreiche Neupflanzungen rechtzeitig energische Maßregeln gegen eine gänzliche Ver- wüstung und Ausbeutung des Waldes getroffen. Bald darauf traten wir die Bootreise auf dem Aruwimi an. Ein kurzer Ritt brachte uns durch das lange Dorf bis unterhalb der hier starken Stromschnellen, wo die Boote lagen. Eine viel- lausendköpfige Menge krönte das terrassenförmige Ufer und bot im glitzernden Sonnenlicht ein glänzendes Bild. Die Boote gleichen in der Form den auf dem Kivu und den nördlichen Seen gebräuch- lichen, sie sind aber bedeutend größer und ge- währen Raum für den Europäer, etwa 20 Lasten, die Boys, einige Askari und noch für 20 Ru- derer. Als die kleine Flottille von 17 Booten endlich abstieß, gab es einen Moment unglaub- lichster Unordnung. Boote stießen aneinander, Menschen wurden gequetscht, falsch eingeteilte Ruderleute übersprangen eine Menge Boote, das ihnen zugeteilte mit wilden Gesichtern suchend, Europäer dirigierten und Schwarze taten in der allgemeinen Verwirrung das Gegenteil von dem Befohlenen, während ohrenbetäubendes Geschrei vom Ufer her die Luft erfüllte. Dann löste sich das Chaos. Es gewährte einen herrlichen An- blick, die muskulösen, fettglänzenden Gestalten, deren Kopf eine mit Rotholz bemalte Kappe oder eine hohe Affenfellmütze schmückte, im Gleichtakt ihre schön geschnittenen, kupferverzierten Ruder durch das Wasser ziehen zu sehen, während das Boot pfeilschnell über die glatte Fläche des tief- dunklen Wassers dahinglitt. Die Arbeit begleitet meist ein überaus melodischer Gesang, in dem alle möglichen Variationen wiederkehren; es war mir stets ein hoher Genuß, während die üppige tropische Waldszenerie in stetem Wechsel an dem Auge vor- überglitt, im dolce kar niente dem Wohlklang dieser oft fast schwermütigen Melodien zu lauschen. Der erste Tag brachte uns nach sechsstündigem Rudern bis an die Fälle von Bosubangi. Hier wurden alle Lasten ausgeladen und die Fälle auf dem Landwege umgangen, während die leeren Boote einzeln, nur mit zwei Mann besetzt, den Fall passieren mußten. Wenn auch die Tiefe des Falles durch den hohen Wasserstand gemildert wurde, so war diese Passage doch durchaus nicht gefahrlos. Einzelne Boote verschwanden fast im Gischt, doch verhinderte die Geschicklichkeit der Bootsführer eine Katastrophe. Weniger gut ging es am nächsten Tage, an dem sich ein bedauerlicher Unfall ereignete. In einer an sich unbedeutenden Stromschnelle kenterte infolge Aufstoßens auf einen Felsen das Boot des Unteroffiziers Czeczatka; die Insassen ver- schwanden sofort in der starken Strömung. Einigen gelang es zwar, sich an Felsstücke anzuklammern, Ceczatka konnte durch Zufall die Hand eines Mannes erfassen, der den Kiel des festgeklemmten Bootes erklettert hatte; ein Soldat aber und vier Ruderer fanden ihren Tod in den Wellen. Ein Zelt, ein Gewehr, Munition und ein Blechkoffer waren ebenfalls verloren. Die Bergungsarbeiten der Überlebenden nahmen dann noch längere Zeit in Anspruch. Da die folgende Schnelle für beladene Boote völlig unpassierbar war und das Aus= und Einladen der Lasten sowie die Um- gehung der gefährlichen Passage viel Zeit er- forderte, lagerten wir im Walde hart am Fluß, an einem Platz mit prachtvollem Blick auf den gewaltigen Strom. An diesem Tage sahen wir mehrere Elefanten. Da es meist geringere Tiere waren, wollte ich nicht schießen, sondern fuhr dicht an einen Einzelgänger heran, den ich mit Tele-Apparat mehrmals photographierte. Große Mengen fliegender Hunde zogen abends kreisend über das Lager. Die erlegten Exemplare zeigten dieselbe Form wie am Kivu. Die Ankunft in Bonili am Tage darauf trennte uns von unserem bisherigen Begleiter, Kommandant Engk, der auf seinen Posten nach Awakubi zurückkehrte. Die Europäerposten am Aruwimi bestehen alle aus mehr oder weniger geschmackvollen Ziegelhäuschen und sind durch- schnittlich mit einem bis zwei Beamten besetzt. Ihr Zweck ist die Gewinnung von Kautschuk und Elfenbein. Auf den größeren wird eifrig Plan- tagenbau getrieben. Während die Kaffceernte lediglich für den Selbstverbrauch in Frage kommt, 3