W 677 20 spielt sich eben hier am Tage im Innern des Waldes ab; nur des Nachts oder am frühen Morgen sieht man die Ufer belebter, ehe das Wild nach erfolgter Tränke in den Schatten des schützenden Dickichts zurücktritt. Der 8. Mai brachte uns nach Dambuya, das den Endpunkt des Katarakts bildet und mit Basoko durch einen Dampfer verbunden ist. Auch dieser letzte Tag im Kanu sollte nicht ohne Unfall vorübergehen. Das Boot meines Dieners Weidemann, unseres Faktotums im verwegensten Sinne des Wortes, geriet auf einen Fels, legte sich fast völlig auf die Seite und lief zur Hälfte voll Wasser, so daß seine Insassen unsanft hinaus- geschlendert wurden. Da dies Boot zufällig das letzte war, so wurde sein Mißgeschick nicht be- merkt, und es dauerte eine ganze Weile, ehe Ein- geborene aus einem in der Nähe gelegenen Dorf sich entschlossen, den heftig Rufenden und Winken- den Hilfe zu bringen. Wenn auch das Boot nach vielen Stunden ans Ufer geschafft und schließlich zur Weiterfahrt verwendet werden konnte, so waren doch eine Anzahl Vorräte, Pa- tronen und Briefschaften sowie über tausend zum Glac noch unbelichtete Platten unwiederbringlich ahin. Die Nachricht von der voraussichtlichen An- kunft des Dampfers, der „Délivrance“, ließ aber den Zwischenfall bald vergessen — und als noch am Abend in der Ferne der Pfiff der Dampf- bfeife ertönte, lief alles in hellster Aufregung ans Ufer, um sich an dem langentbehrten Anblick eines regulären Dampfers zu erfreuen. Mit Dr. Mildbread und dem chef de poste, Mr. Lemoine, einem drolligen, gemütlichen Kanze, besuchte ich noch eine große Landolphia- plantage, die wir in zwei Marschstunden er- reichten, und die der Direktion eines Deutsch- Schweizers untersteht. Diese ausschließlich Lianen enthaltende junge Pflanzung ist teils in lichteren Bestandteilen des Waldes angelegt, teils auf gerodeten Plätzen; die letzteren gewähren der Sonne freien Zutritt und scheinen den Pflänzlingen zuträglicher zu sein. a die Liane aber ungeheuer langsam wächst und bis zur Ernte bzw. ersten Anzapfung min- destens 20 Jahre vergehen, so hat der Staat der Unrentabilität und der großen pekuniären Opfer wegen alle weiteren Versuche eingestellt und sich mit der Anpflanzung von Kautschukbäumen begnügt. Mittlerweile waren alle Lasten an Bord der „Délivrance“, eines kiellosen Heckraddampfers, verstaut, der bei voller Ladung etwas über 1 m Tiefgang aufweist. Wir rüsteten zur Abfahrt. An dem Platze, wo Stanleys Lager einst ge- standen, gingen wir an Bord. Auf der Brücke, dem einzigen Platz für Passagiere, machten wir es uns auf einem Raum von 1½ m Breite und 3m Länge „bequem“. Nach wenigen Stunden flotter Fahrt, bei welcher der Sandbänke wegen ständig im Zickzack über den Fluß manövriert wurde, gingen wir beim Posten Mogandje an Land und verbrachten dort nach einem anregen- den Abend im Kreise liebenswürdiger belgischer Herren die Nacht. Früh ging es dann nach herz- lichem Abschied weiter in Begleitung des bis- herigen chef de poste, Mr. Bisteau, der den Heimatsurlaub antrat. Alle cheks und eine Menge Volks war zu seinem Abschied herbei- geeilt; man konnte den braven Burschen ehrliche Betrübnis vom Gesichte lesen, daß sie ihren gütigen Herrn verloren. Wenn wir gehofft hatten, daß wir den letzten Tag der interessanten Aruwimi-Fahrt ereignislos verbringen würden, so irrten wir. Schon nach zweistündiger Fahrt stießen wir mit voller Kraft auf einen in der Karte falsch oder gar nicht ver- zeichneten spitzen Fels und rissen ein gewaltiges Leck, durch welches das Wasser unaufhaltsam hereinströmte. Es blieb nichts anderes übrig, als den bereits bedenklich tiesgehenden Dampfer auf Land zu setzen. Nach einem vergeblichen Ver- such am bewaldeten Ufer gelang dies Manöver am jenseitigen Ufer dicht unterhalb eines kleinen Dorfes. Dies war für die Nerven unserer guten Boys — wir waren alle nach unten gegangen, um das Topgewicht zu erleichtern — doch zu viel. Beim Anprall sprangen alle über Bord. Nun wurden alle Lasten erst ausgeladen und dann ans Ufer geschafft, dann wurde die Not- reparatur begonnen. Nach wenigen Stunden schon erfolgte die Fortsetzung der Fahrt. Bei strahlen- dem Sternenhimmel und dem zanberhaften Scheine des vollen Mondes näherten wir uns Basoko. Von weitem schon grüßten die Lichter eines großen Dampfers, der „Flandre“, die bestimmt war, uns an die Westküste zu tragen. In der Ferne glitzerte ein Silberstreif — der Kongo. 7 Togo. Schlafkrankhelt in Togo. Am 31. März 1908 kam ein etwa sieben Jahre alter Knabe aus Djanipe in der Landschaft Gbele des Bezirks Misahöhe mit Drüsen- schwellungen, Schlafsucht, Abmagerung und ner- vösen Reizerscheinungen in die Behandlung des Regierungsarztes Dr. v. d. Hellen; dieser konnte durch Nachweis von Trypanosomen in dem Saft einer Drüse Schlafkrankheit feststellen. Bei Unter-