G 721 2O häute der oberen Luftwege und die Nieren, ent- lastet sind. Diese ungleichmäßige Arbeitsverteilung auf die einzelnen Organe unseres Körpers ist aber auch auf unser Zentralnervensystem von erheblichem Einfluß; in ihm laufen ja durch die Nerven von allen Organen die Fäden zu- sammen, welche einen zweckentsprechenden Aus- gleich der Tätigkeit der einzelnen Organe zum Nutzen des Gesamtorganismus herbeiführen. In dem Gehirn müssen wir uns den Sitz des Re- gulierungszentrums für die Tätigkeit der einzelnen Organe denken, und daß diese Regulierung bei der ungleichmäßigen Inanspruchnahme der ein- zelnen Organe in den Tropen besonders schwierig ist, läßt sich wohl verstehen. So dürfte es zu erklären sein, daß von allen Organen in den Tropen wohl am häufigsten das Zentralnerven- system Not leidet. Sie können sich die Wirkung des tropischen Klimas auf den Europäer am besten vorstellen, wenn Sie beobachten, in welcher Weise einzelne gegen die Hitze wenig widerstandsfähige Personen schon bei uns in den heißen Sommermonaten leiden. Solche Personen verlieren den Appetit, sie fühlen sich matt, sind zu ernster Arbeit kaum fähig, weil sie rasch ermüden, sie schlafen schlecht, werden reizbar, können keinen Lärm vertragen, kurz, es sind die ausgesprochenen Zeichen von Nervenschwäche. Nun muß man bedenken, daß etwa die gleiche Temperatur, welche bei uns in den heißesten Sommermonaten herrscht, in den Tropen das ganze Jahr hindurch besteht. Denn für das Tropenklima ist nicht etwa eine erxzessiv hohe Temperatur eigentümlich, sondern die Gleich- mäßigkeit der warmen Temperatur ohne jeden Wechsel in den Jahreszeiten ist das Charakteri- stikum des Tropenklimas. Wie verhält sich nun der Europäer gegen- über der dauernden Einwirkung des warmen Tropenklimas? Anfangs pflegt eine Beunruhigung des ganzen Organismus einzutreten, besonders des Zentralnervensystems. Bei längerer Dauer tritt bei wenig widerstandsfähigen Personen eine stetige Steigerung der daraus entstehenden Nerven- schwäche ein, welche erst mit dem Verlassen des Tropenlandes sich wieder bessert. Dies ist aber nur eine kleine Minderheit. Es sind solche Per- sonen, die schon von Natur ein schwaches, im labilen Gleichgewicht befindliches Nervensystem haben, sie passen für die Tropen nicht und hätten bei eingehender ärztlicher Untersuchung auch her- ausgefunden und an der Ausreise verhindert werden können. Bei der großen Mehrzahl der Europäer tritt in den Tropen mit der Zeit nicht eine Verschlechterung des anfangs beunruhigten Gesamtorganismus, sondern eine Verbesserung ein. Unser Körper besitzt ja Reservekräfte, die er entfalten kann. Wie ein Muskel bei täglicher Übung wächst und stärker wird, so wird auch unsere Haut und werden insbesondere die in ihr enthaltenen Schweißdrüsen leistungsfähiger durch die täglich von ihnen geforderten Anstrengungen. Auch Schutzvorrichtungen bilden sich in unserem Körper aus. Das Pigment, das sich in unserer Haut bei längerer Einwirkung der Sonne ab- lagert und durch die Braunfärbung der Haut sichtbar wird, müssen wir als einen Schutzwall betrachten, der an der Oberfläche unseres Körpers sich gebildet hat, um die tieferen und edleren Teile vor der allzustarken Wirkung der Sonnen- strahlen zu schützen. So bildet sich bei den meisten Europäern in den Tropen mit der Zeit durch die Entfaltung von Reservekräften und Ent- wicklung von Schutzvorrichtungen ein neuer Gleich- gewichtszustand aus, und diesen Zustand kann man als eine Akklimatisation des Euro- päers bezeichnen. Nun können aber auch bei dem in den Tropen anscheinend akklimatisierten Europäer mit der Zeit Störungen der Gesundheit eintreten, welche wir auf eine allmähliche Ein- wirkung des Klimas und auf eine Ermüdung der allzu stark angespannten Körperorgane zurück- führen müssen. Die Akklimarisation ist in diesen Fällen keine vollkommene gewesen, sondern nur eine zeitweise, relative. Es ist deshalb praktisch und zweckmäßig, eine relative und eine absolute Akklimatisation zu unterscheiden. Unter relativer Akklimatisation ist zu verstehen, daß der Europäer bei zweckmäßiger, dem Klima angepaßter Lebensweise und unter Vermeidung schwerer körperlicher Arbeit eine An- zahl von Jahren ohne dauernden Schaden für seine Gesundheit in den Tropen zubringen kann, dann aber, wenn er nicht dauernd geschädigt werden will, zeitweise zur Erholung in seine Heimat zurückkehren muß. Absolute Akklimatisation bedeutet, daß der Europäer in seiner neuen Heimat dauernd ein Leben führen kann, das dem seiner alten Heimat entspricht und dabei nicht nur selbst gesund und leistungsfähig bleibt, sondern auch seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf seine Nachkommen so übertragen kann, daß die jungen Generationen ebenso vollwertig sind wie die ur- sprünglich ausgewanderten. Für kleinbäuerliche Ansiedlungen ist absolute Akklimatisation not- wendig, für Plantagenwirtschaft genügt auch die Möglichkeit einer relativen Akklimatisation. Im allgemeinen kann man sagen, daß wir Deutschen, wie alle nordischen und germanischen Völker, uns schwerer in den Tropen akklima- tisieren als die südeuropäischen Völker. Be- sonders auffällig ist der Unterschied gegenüber