G 796 2 machen, daß sie sehr bald auch harte Arbeit leisten lernen und daß man sie dabei auch mit der nötigen Strenge anfassen kann, sofern sie gerecht und menschenwürdig behandelt, in ihrem Stammes- und Familienleben von Arbeitgebern und An- gestellten geschont werden und diese es vermeiden, sich in entwürdigende und lächerliche Situationen den Eingeborenen gegenüber zu begeben. Um als höherer Mensch vom Farbigen geachtet zu werden, muß der Weiße diesem ein höheres Beispiel geben. Daß dies gerade in Siedlungsländern, wo eine große Anzahl Weißer aller Klassen, Bildungsgrade und „Vergangenheiten“ mit den Eingeborenen in nächste Berührung kommen, nicht immer der Fall ist, versteht sich von selbst. Die Ovambos (bekanntlich der nunmehr ein- zige kompakte, zahlreiche Volksstamm auf deutschem Gebiet) kommen einstweilen nur in größeren Trupps, gewissermaßen als Sachsengänger, aus ihrem Lande zur Arbeit und kehren nach bestimmter Frist wieder zurück. Nach Weiterführung der Bahnbauten im Norden wird es hoffentlich ge- lingen, dieses zahlreiche, an sich arbeitskräftige Volk auch familien= und zareee zur in- dustriellen wie zur Farmarbeit heranzuziehen und so vermehrte ständige Arbeitsstämme — ent- sprechend der Weiterentwicklung der Besiedlung — zu erhalten. Eine weitere Grundlage für diese Entwicklung bietet aber die Frage nach dem Absatz. Um von den Produkten seines Viehs oder seiner Scholle zu leben wie früher der Herero und in gewissem Grade auch der Bur, darum geht der tüchtige deutsche Auswan- derer nicht hinaus, darum steckt er weder sein Kapital noch seine Lebensarbeit in den Boden. Nur die Aussicht des Vorwärtskommens kann ihn locken und die ist lediglich auf der Basis eines Absatzmarktes und einer Wechselwirtschaft gegeben. Der innere Martt, d. 5. die dem produzierenden Landwirt im schaft wurde früher fast ausschließlich von Regierung und Schutztruppe gebildet. Inzwischen ist durch die Minenentwicklung und die Eisenbahnbauten ein auf wirtschaftlichen Füßen stehendes Kon- sumententum ins Land gekommen, über dessen stetiges Anwachsen ein Zweifel nicht bestehen kann. Gleichzeitig hat jedoch in letzter Zeit bekanntlich eine starke Verminderung der Schutztruppe statt- gefunden, während die ländliche Besiedlung seit über Jahresfrist bereits erheblich zugenommen hat. Es kann daher nicht wundernehmen, wenn der Absatzmarkt im Lande, wenigstens hier und da, angenblicklich eine gewisse Sättigung zeigt und jedenfalls nicht ausreichend sein würde, um den schon im Interesse der dauernden Landes- ruhe erwünschten raschen Weiterfortschritt in der Besiedlung während der nächsten Zeit entsprechend zu stützen. Aus diesem Grund ist die Erzeugung von Weltmarktsprodukten für die südwestafrikanische Landwirtschaft von ganz fundamentaler Bedeutung. Für die Farmer des Südens ist ein solches Produkt, wie wir bereits sahen, in der Schaf- wolle gegeben. Die schon vor dem Aufstand nach Europa gelangten Wollprodukte aus dem Schutzgebiet wurden gut bewertet, die unter den gleichen Weideverhältnissen in Südafrika gezogene Wolle wird jetzt von der Industrie fast der australischen gleich und jedenfalls höher als die argentinischen Produkte geschätzt. So ist begründete Aussicht vorhanden, daß Deutschland wenigstens einen Teil des Wollbedarfs seiner Industrie in Zukunft aus Südwestafrika wird decken können. Wichtig als Ausfuhrgut für den Süden ist außer- dem Mohair (Angora). Die Farmwirtschaft in der Mitte des Landes basiert, wie wir sahen, auf der Rindviehzucht. Für ihre Produkte einen Absatz auf dem Welt- markt zu schaffen, ist für die weitere Besiedlung dieses Landesteiles um so wichtiger, als bereits infolge der bisherigen Zunahme der Farm- wirtschaften das Angebot von Fleisch usw. ein erhebliches Sinken der Preise nach sich gezogen hat. Den Versuch, einen Fleisch-, Konserven- und Häute-Export nach argentinischem Muster anzubahnen, hat in letzter Zeit die Liebig-Kompagnie durch Erwerbung eines größerem Farmareals gemacht. Ein Nachteil gegenüber Argentinien und den übrigen Fleisch-Exportländern besteht für Südwestafrika zweifellos darin, daß das Weide- gebiet nicht bis zur Küste reicht, sondern von dieser durch einen etwa 120 Kilometer breiten Wüstenstreifen getreunt ist, daß die Fleisch-Industrie daher etwa in der Gegend von Karibib errichtet werden und ihre Produkte von hier bis zur Küste erst mit der Eisenbahn verfrachten müßte. Die hierdurch — im Vergleich zu den Konkurrenz- ländern — entstehenden Mehrkosten könnten aber ausgeglichen werden einmal durch die billigeren Bodenpreise und Arbeitslöhne, zweitens durch die ausgezeichnete Qualität der Weide und das Be- streben nach sorgfältiger Heranzucht des unter den obwaltenden Verhältnissen geeignetsten Vieh- schlages. Der Absatz für die Rindviehwirtschaft des Nordens wird etwa den gleichen Bedingungen unterliegen, während Schweine-, Kleinvieh= und Geflügelzucht für absehbare Zeit wohl von den Anforderungen des inneren Markts abhängig sind. Für den Acker= und Gartenbau kommt teils der innere Markt, teils der Weltmarkt in Frage.