797 Die Gemüseproduktion wird sich überall nur in den engsten Grenzen des Lokalmarkts halten können, einen weiteren Markt im Innern kann schon der Kartoffelbau vertragen, ebenso Tabak, Obst, Luzerne. Körnerfrucht wird bei dem billigen Preis des Importguts nur im Bezirk Grootfontein auf Absatz gebaut werden können, wo dieser Anbau in weitem Umfang auf den Regen hin möglich und entsprechend billig ist. Es wird zunächst anzustreben sein, etwa bis Karibib und Windhuk hin den Bedarf von Mais, Hafer, Weizen allmählich — nötigenfalls unter Festsetzung eines kleinen Schutzzolls auf konkurrierendes Import= guts — durch das Produkt der heimischen Land- wirtschaft zu decken — zumal Fälle eintreten können, wo das Vorhandensein von Kornproduktion im Lande geradezu eine Existenzfrage für das Schutzgebiet werden kann. Die Kapkolonie hat bis vor kurzem einen Schutzzoll von 2 Mk. pro Zentner auf Getreide nicht für zu hoch gehalten, um ihren eigenen Ackerbau in den Sattel zu setzen und zur Entwicklung zu bringen. Der Luzernenbau in Verbindung mit Straußen- zucht verspricht bei der dauernden Beliebtheit des Artikels eine lohnende Exportwirtschaft innerhalb des ganzen Schutzgebiets, auch für Gegenden, die des Bahnanschlusses noch entbehren; denn die Straußenfeder wird ihres hohen Werts und geringen Gewichts wegen selbst durch einen längeren Wagentransport nicht übermäßig ver- teuert. In erweitertem Maße ist auch diese Wirtschaft in dem regenreichen Bezirk Grootfontein wegen der ausgedehnteren Möglichkeit des Luzernen- anbaus durchführbar. Das gleiche gilt vom Wein= und Obstbau, wie von der Baumwolle. Die Ausfuhr von Tafelobst und Rosinen aus Südwestafrika nach Deutschland wird in der gleichen Weise wie die aus der Kapkolonie nach England erfolgen können. Denn der Umstand, daß zur Zeit der südafrikanischen Obstreife (Januar bis April) die hauptsächlichen Obst- produktionsländer der Welt kein frisches Obst liefern können, trifft für beide Länder in gleich günstiger Weise zu und macht sie fast kon- kurrenzlos. Die Förderung des Baumwollbaues in sämt- lichen Kolonien liegt gleichmäßig im Interesse der letzteren wie der unter den willkürlichen Schwankungen der nordamerikanischen Baum- wollpreise leidenden deutschen Textilindustrie. In Südwestafrika verbindet der Nordostbezirk mit geeignetem Boden, Klima und Regenfall für den Baumwollbau den großen Vorteil gegenüber den übrigen afrikanischen Kolonien, daß hier, mangels Vorkommens der Tsetsefliege, die Pflugbespannung reichlich und billig vorhanden und deshalb die eigentliche Plantagenkultur bedeutend erleichtert sst. Es erscheint klar, daß die Ausnutzung aller dieser Exportmöglichkeiten neben der Erfüllung der Anforderungen des noch beschränkten inneren Marktes die Basis zu einer ganz beträchtlichen Steigerung der Befiedlungsdichtigkeit auf den zum Ackerbau günstigen Landstrecken bedeuten würde. Als Hauptgrundlage einer solchen Entwicklung muß nur noch hervorgehoben werden: die fort- schreitende Verbindung der Produktions= mit den Absatzstellen durch planmäßigen weiteren Ausbau des Verkehrswesens, der Eisenbahnen, Land- wege und Hafenanlagen. Neben der von Swakopmund nach Windhuk führenden Staats- bahn und der jetzt gleichfalls vollendeten Strecke Lüderitzbucht—Keetmanshoop hat die etwa 600 km lange Otavibahn eine besondere Bedeutung dadurch erreicht, daß sie neben den Kupferminen von Tsumeb und Otavi auch den landwirtschaft- lich weitaus wertvollsten Teil des Schutzgebiets mit der Mitte und der Küste verbindet. Eine weitere Förderung der Beziehungen zwischen den Bezug= und Absatzmärkten ist durch die Zweigstrecke Otavi—Grootfontein erfolgt und wird durch die östliche Weiterführung dieser Strecke, wie durch einen Eisenbahnbau von Windhuk nach Keetmanshoop erreicht werden. Neben den Eisen- bahnbauten ist die Förderung der Benutzbarkeit aller öffentlichen Verkehrswege durch Schaffung genügender Wasserstellen von großer Wichtigkeit. Die von der Regierung geschaffenen Versuchs- gärten haben neben der Anstellung wichtiger Versuche die Aufgabe, Sämereien, Pflänzlinge, Stecklinge usw. nach Möglichkeit an die Farmer zu Selbstkostenpreisen abzugeben und so den Bezug des Materials zur Anlage von Nutz- kulturen zu erleichtern. Daneben ist von großer Bedeutung die Bildung landwirtschaftlicher Ge- nossenschaften, mit dem Zweck, den Absatz der Farmprodukte, wie den Bezug von landwirt- schaftlichen Geräten, von Zuchtvieh, von Saatgut usw. durch gemeinsame Zentralen — etwa nach amerikanischem Vorbild — zu organisieren. Die ersten Ansätze zu solchen Genossenschaftsbildungen sind im letzten Jahre bereits gemacht worden. Im Anschluß daran wird die Errichtung von Bodenkreditbanken und die Bildung von Vieh- versicherungsanstalten unter entsprechender Staats- hilfe angebahnt werden können. Von der Regierung wird die Besiedlung ferner durch an Arzte und Hebammen gewährte Vorteile und Zuschüsse, durch Errichtung von Krankenhäusern, durch Ausdehnung der Re- gierungsschulen u. a. m. gefördert. Zuzug von deutschen Frauen in die ländlichen Besiedlungsgebiete hat mit auf Grund dieser Maßnahmen bereits in erfreulicher Weise 1