G 838 20 Von hier breitete sich die Seuche über das be- nachbarte Lama und Ssiu, der Nord-Ostecke von Losso und Kodjene, dem Nord-Ostteile von Kabure aus. In Ssiu starben von 46 Kranken 34. Von Lama und Kodjene liegen genauere Zahlen nicht vor, dort handelt es sich auch um eine verhältnismäßig geringere Ausbreitung, die sich in den Grenzen der für die Nachbargebiete angegebenen Ziffern bewegen dürfte. Nun, da die Krankheit einmal im Lande war, bewirkten der durch keine Grenzabsperrungen mehr behinderte Verkehr, die Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen Volksstämmen eine Weiterverbreitung des Krankheitsstoffes fast durch den ganzen Bezirk Sokodé und ein Auftreten der Seuche in der Trockenzeit 1907/08 an den verschiedensten Stellen. Ebenso wie in den beiden Vorjahren setzte die Epidemie mit Beginn der Trockenzeit ein und verschwand mit Eintreten der ersten Regen. Die durch den Harmattan bewirkte äußerste Trocken- zeit zeigte sich also auch hier wie bei andern Seuchen, z. B. den schwarzen Pocken, als krankheits- fördernder Faktor, eine Beobachtung, die ich eben- falls der Mitteilung des Regierungsrats Dr. Kersting verdanke. Speziell für die Genickstarre, die hier mit größter Wahrscheinlichkeit durch denselben Er- reger wie die heimische Krankheit verursacht wird, hängt diese Tatsache auch noch mit dem Umstande zusammen, daß die Trockenheit die Eingangspforte der Krankheit, („Nasen- und Rachenschleimhaut"), durch Entzündungen und Katarrhe für die Auf- nahme des Erregers empfänglicher macht, bzw. dem schon vorhandenen Erreger die weiteren Wege zu den Hirnhäuten ebnet. Daß neben den lokalen Einwirkungen sicherlich nochandere Momente, die sich aber vorläufig unserer Kenntnis entziehen, mitsprechen, soll nicht in Abrede gestellt werden. Der Verlauf der Seuche während der letzten Trockenzeit gestaltete sich folgendermaßen: Die ersten Einzelfälle traten bereits am Ende der Regenzeit Anfang November 1907 auf der Station Sokodé unter Steuerarbeitern aus Difale auf. Es erkrankten vier Personen an den verdächtigen Symptomen; eine starb nach eintägiger Krank- heitsdauer, eine wurde gesund, zwei wurden auf ihren Wunsch nach der Heimat entlassen, da man infolge des frühen Auftretens der Krankheit noch während der Regenzeit und der unklaren Symp- tome es nicht mit Genickstarre zu tun zu haben glaubte. Die nächsten zur Beobachtung kommenden Fälle ereigneten sich ebenfalls auf der Station Sokodé selbst. Am 28. Dezember 1907 erkrankte eine Soldatenfrau mit typischen Symptomen der Genickstarre. Daß es sich in der Tat um eine eitrige Entzündung der Meningen, d. h. Hirn- häute, handelte, wurde durch die Lumbalpunktion, d. h. Punktion des Rückenmarkskanals in der Gegend der Lendenwirbel, erwiesen. Es ergab sich dabei eine eitrige Beschaffenheit der Rücken- marksflüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung dieser Flüssigkeit ergab einen innerhalb der Eiter- zellen gelegenen, in Form und Lagerung mit dem Erreger der heimischen Genickstarre Überein- stimmenden Diplococcus. Die biologische Unter- suchung, d. h. der Versuch, den Erreger auf künst- lichem Nährboden zu züchten, war ergebnislos. Der gleiche Unstern wie bei diesem ersten Falle waltete über allen späteren derartigen Unter- suchungen. Der schon in der Heimat im wohl- eingerichteten Laboratorium schwer zu züchtende Meningococcus trotzte allen Bemühungen, ihn zur Weiterentwicklung auf künstlichen Nährböden zu bringen. Während auch in allen später unter- suchten Fällen mikroskopischer Befund, klinische Symptome, das epidemische Auftreten, die noch später zu erwähnende überwiegende Beteiligung des Kindesalters, für die Identität der tropischen Genickstarre mit der epidemischen Genickstarre in Europa sprechen, fehlt noch das Schlußglied in der Beweiskette, die Serumdiagnose. Der erste Fall kam nach 13tägiger Krank- heitsdauer zur Heilung, ebenso erging es bei einem zweiten Falle, während ein dritter nach zehnstündiger Krankheitsdauer mit dem Tode endete. So weit das Vorkommen der Seuche in Sokodé selbst, abgesehen von einem eingeschleppten Falle im Songo, der tödlich endete. Über das Auftreten der Seuche in anderen Teilen des Bezirks kamen zuerst am 3. Februar 1908 Meldungen nach Sokode. Auf Grund des früheren Auftretens der Seuche waren von seiten der Bezirksleitung strikte Anweisungen gegeben worden, jeden ersten Krankheitsfall unverzüglich zu melden. Es wurden seit Beginn der Trocken- zeit soweit wie möglich Erkundigungen über den etwaigen Ausbruch der Seuche eingezogen. Alle diese Bemühungen scheiterten an der Gleich- gültigkeit und wohl auch Angst der Eingeborenen vor dem Eingreifen des weißen Arztes. Anfang Februar kam die Nachricht nach So- kodé,W daß die Krankheit im benachbarten Dahomey, in Paraku ausgebrochen sei, einem Orte, von dem die Straße nach Togo über Tschamba-Passua führt. Daß sich in Togo selbst ein großer Krank- heitsherd gebildet hatte, wurde kurz darauf durch einen von Mangu kommenden Händler berichtet, welcher erzählte, daß in dem eine Tagereise nörd- lich von Bassari gelegenen Kabu in den ver- gangenen zwei Monaten 40 Menschen gestorben wären. Bei meiner Ankunft in Kabu stellte ich fest, daß 45 Menschen, davon 35 jugendliche Individuen, seit Ausbruch der Krankheit (etwa Ende November 1907) gestorben und im benach- barten Ssara 16 Opfer der Seuche erlegen waren. Auf Nachfrage nach Leuten, die die Krank- heit überstanden hatten, wurden nur ein Knabe,