G 1077 20 Vermischtes. * MOQethode für völkerpspchologische Erkundungen. Wer sich nicht mit allgemeinen, vulgärpsycho- logischen Bewertungen der Negerpsyche begnügen will, wie: „die Eingeborenen sind Kinder“ oder a„sie sind Bestien“ oder „kein Weißer kann eines Kaffern Seele verstehen“, der muß sich mit wissen- schaftlicher Völkerpsychologie befassen. Das gilt als schwer und zeitraubend; zur Erleichterung sollen folgende Winke dienen. Die Hauptsache ist Vorbereitung: man muß ungefähr wissen, welche Gedankenwelt man bei den betreffenden Eingeborenen zu erwarten hat. Dazu dient die „Anleitung für ethnographische Beobachtungen und Sammlungen in Afrika und Oceanien“, die vom Berliner Völkermuseum her- ausgegeben ist, dazu ist fast unerläßlich das Stu- dium der „VBölkerpsychologie“ von Wundt. Wer daran Geschmack bekommen hat, wird sich auch leicht andere einschlägige Werke beschaffen, von denen ich nur noch die Zeitschriften „Mitteilungen aus deutschen Schutzgebieten“", „Globus“ und „Anthropos“ erwähne. Ebenso notwendig ist die Vorbereitung auf dem Sprachgebiet, für Afrika die Durcharbeitung der Meinhofschen Werke: „Grundriß einer Lautlehre der Bantusprachen“ und „Grundzüge einer vergleichenden Grammatik der Bantusprachen“, für die Südsee die Kenunt- nis von Schmidts Arbeiten: „Über das Ver- hältnis der melanesischen Sprachen zu den poly- nesischen", und „Die sprachlichen Verhältnisse von Deutsch-Neuguinea". An Ort und Stelle, unter den Eingeborenen, kann dann das Eindringen in deren jeweilige Sprache und Mundart mit dem Sammeln vonpsycho- logischem Material Hand in Hand gehen. Die Benutzung einer Mittlersprache (auch — für Ost- afrika — des Swaheli) genügt nicht, und das Dolmetschen in einer Karikatursprache, wie es das „Pidyin-englisch"“ der Südsee oder Kameruns ist, führt nie zu einer tieferen Verständigung. Die gewöhnliche Methode, einige hundert Vokabeln der neuen Sprache zu notieren, und dann der Praxis das unbewußte Weiterlernen zu überlassen, führt bald zu einem toten Punkt. Zu empfehlen ist, von vornherein mit der Aufnahme von Texten zu beginnen. Wo es (wie meist) keine Schreibkundigen gibt, ist die Dressur von anal- phabetischen Eingeborenen zum Dilktieren in ihrer Muttersprache der schwierigste Teil der ganzen Arbeit, der besondere Geduld erfordert. Zu den Texten wähle man anfangs Themen des täglichen Lebens, Hausbau, Reisebeschreibungen, Familien= erlebnisse usw., die den Farbigen selbst inter- essieren, und deren Inhalt er durch Gesten und Demonstrationen verständlich machen kann. Bleibt zu Anfang auch manches Wort, manche gram- matische Konstruktion unübersetzbar, so schreitet doch bei dieser Methode das Eindringen in die fremde Sprache stetig vorwärts. Nachdem der Gewährsmann durch das Diktat von etwa 20 bis 30 Seiten solcher einfachen Texte angelernt ist, gehe man zur Aufnahme von Märchen und Sagen über, zu denen man ihn dadurch anregt, daß man in seiner Sprache, wenn auch zunächst in radebrechender Weise, selbst Märchen aus dem Ideenkreise ihm verwandter Völker oder auch aus der europäischen Mythologie erzählt. Mit dem zunehmenden Textmaterial wächst dann die Sprach- kenntnis ebenso wie das Verständnis für den In- halt und für die Gedankenwelt des Eingeborenen. Aus etwa 50 Seiten Märchentexten wird man dann genug Anknüpfungspunkte gefunden haben, um zu wissen, welchem Kreise von Vorstellungen die einheimischen religiösen Überzeugungen an- gehören: Animalismus, Fetischismus, Zauber- glaube, Ahnenkult uspw. Nun muß man sich in diese Vorstellungen soweit einlassen, daß man sie als selbstverständliche Grundanschauungen aller Menschen, auch der Europäer, behandelt, wohl gelegentlich seine Zweifel, ja seinen Unglauben nicht verhehlt, aber nie sie mit Spott und Ver- achtung ablehnt. Mitunter hilft die aufrichtige Darlegung: wenn wir Europäer eure Gebräuche genau kennen, werden wir euch besser behandeln, euch besser Recht sprechen und regieren können. Das wichtigste bleibt auch hierbei, wie an der ganzen Methode, daß der Gewährsmann aus sich heraus diktiert und nicht auf Einzelfragen ant- wortet, weil dabei der „Lüge aus Gefälligkeit" Vorschub geleistet werden würde. Am leichtesten ist es, Farbige zum „Auftauen“ zu bringen, wenn sie von ihrer engeren Heimat und ihren Angehörigen losgelöst, wenn sie in der „Diaspora" leben. In fernen Garnisonen ausgebildete Rekruten, über See an- geworbene Arbeiter geben so die brauchbarsten Gewährsleute ab, wenn und weil sie auf ihre Herren angewiesen und froh sind, daß sie über ihre ferne Heimat, an der alle hängen, plaudern dürfen. Künstlich gewissermaßen kann man solche „Diaspora“ veranlassen, indem man Eingeborene auf Reisen mitnimmt, — nicht freilich nach Europa, was aus anderen Gründen zu widerraten ist. — Stets jedoch muß der forschende Europäer seine Überlegenheit, seinen Herrenstandpunkt bewahren, das fraterniser en cochon: kann höchstens in gewisse Obszönitäten Einblick verschaffen, nie je- doch zu dem Vertrauen führen, dem die Religions=