24 20 bestehen, dessen Sinn man in die Formel kleiden kann: „die durch das gleiche Geschlecht vermittelte Blutsverwandtschaft wird als die nähere bewertet.“ Dieses System deckt sich vollkommen mit dem System des Totemismus, der die Toteme in Doppelfolge vererbt, wie es am Viktoria Nyanza noch lebt; es ist Ausdruck eines Clanwesens, das vermutlich früher überall verbreitet gewesen ist, wo jetzt einseitige Vater= oder Mutterfolge das Totem vererben. Hiernach läßt sich die Nomenklatur folgender- maßen analysieren und ordnen: Für Blutsverwandtschaft ist 1. in einer und derselben Generation, wer mein Haupttotem, das ich vererben werde, als solches führt, Clangenosse, Kind zu uns gehörig, „ndugu, mwanakwetu“, wer mein Nebentotem, das für mich nur persön- liche Geltung hat, als Haupttotem führt, Ge- schwister „lumbu“, wer zwar verwandt ist, aber keins meiner Toteme führt, Vetter „mtani“; 2. in der höheren Generation ist, wer meines Vaters Haupt- totem als solches führt, Vater „baba“, „tata“ usw., wer meines Vaters Haupttotem als Nebentotem führt, Tante „shengazi, sengi“ usw. (was vielleicht „weiblicher Vater“ bedeutet), wer meiner Mutter Haupttotem als solches führt, Mutter „mama, nina“, wer meiner Mutter Haupttotem als Neben- totem führt, Onkel „myomba, mami“ usw. (viel- leicht mit „männliche Mutter“ wiederzugeben): 3. in der folgenden Generation ist, wer mein Haupttotem als Haupt= oder Nebentotem führt, Kind „mtoto, mwana“ usw., wer mein Neben- totem als Haupt= oder Nebentotem führt, Neffe „mpwa, mwipwa“ usw.; 4. in der nächsthöheren Generation ist jeder Ahne „mkun, mukulu“ usw. (Ausnahme oben für Saramo angeführt), wer von den Ahnen keines meiner Toteme führt „sekulu“, die anderen Großvater „tata ja tata" und Großmutter „mama ja mama“; 5. in der nächstfolgenden Generation ist jeder Enkel „mju- kuu, mudzukulu“ usw. Bei allen diesen Bezeichnungen ist es ganz einerlei, ob der „ich“ ein Mann oder eine Frau ist; Einteilungsprinzip ist nicht wie bei uns das Sexus und der Anteil gleichen Blutes, sondern es sind die Toteme und der Clan. Für Eheverwandtschaft ist in derselben Gene- ration, wessen Kinder eines meiner Toteme führen, Schwager „mwamu, mulamu“ usw., zuweilen noch wessen Kinder mit den meinen ein Totem gemein- sam führen, verschwägert, Schwipschwager „wiwi“; in der höheren und der folgenden Generation meist jeder Schwieger „mkwe, buko“ usw., wenn aber eine Differenzierung stattfindet, so ist nicht mehr das Totem, sondern das Sexus, wie bei uns, Gesichtspunkt für die Nomenklatur. Sowohl der Totemismus als auch die Verwandtschaftsnomenklatur stehen in enger Verbindung mit den primitiven religiösen, sozialen und juristischen Anschauungen der Eingeborenen, und zwar gibt es verschiedene Varianten in Einzelheiten, entsprechend den drei Arten der Vater-, Mutter= und Doppelfolge sowie der Differenzierungen in den Verwandtschaftsbezeich- nungen. Es ist nunmehr nicht verwunderlich, daß und wie der Neger überall „Brüder“ findet: es find seine Clangenossen, die er, wenn nicht schon an den Clannamen, so sicher am Totem erkennt. So lautet denn auch im Hehe die Begrüßung, unserer Vorstellung entsprechend: „we nani?“ wer bist, wie heißt du? „we mwanani?“" von wem stammst du? oder „lukolo lwako?“ welche Landsmannschaft? „mulongo gani?“ welcher Clan? und zum Schluß „utsitsile kiki?“ welches Totem? Der bekannte, überall gefundene Ahnenkult richtet sich auf die verstorbenen Clanvorfahren; wo, wie meist, Vaterfolge herrscht, also in männ- licher Aszendenz, jedoch mit bemerkenswerten Ausnahmen, z. B. bei den Hehe, deren Fürsten- geschlecht den Schwiegervater des sagenhaften Dynastiestifters mit verehrt. Die Tier= oder Pflanzenspezies, die einem Clan als Totem dient, scheint zwar in Ostafrika nirgends kultisch verehrt zu werden. Aber überall bestehen Verbote, das Totem zu verletzen, nur für die Clanangehörigen. Meist darf das Tier nicht getötet werden, immer ist es verboten, es zu verzehren, oder den Körperteil des Tieres, der Totem ist, zu genießen, oder das Holz des Baumes als Brennholz zu benutzen. Die Strafe für die Übertretung solcher „Speiseverbote“ liegt, soweit ich ermitteln konnte, überall auf religiösem Gebiete: sie wird der Rache der Ahnengeister (Swaheli „wazimu“, Saramo „mikungu“, Hehe „masocka"“ usw.) überlassen; ein hartnäckiger Aus- schlag gilt als Folge. Das Wort Swaheli „ju- buka“, Saramo „dzubuka“, Hehe „tsubuka“ usw. scheint diesen engen Begriff zu haben: „Ausschlag bekommen wegen Totemverletzung“. An ihm soll man bei Waisen ohne Angehörige, z. B. bei geraubten Sklavenkindern, das Totem erkennen können. Wichtiger, weil nicht nur das Verhältnis von Menschen zu Tieren und Pflanzen betreffend, sondern in das soziale Leben der Menschen unter- einander eingreifend, sind die Wirkungen auf das Eherecht. Alle Clangenossen fühlen sich so nahe blutsverwandt, daß ein Geschlechtsverkehr unter ihnen Blutschande ist. Kein Mann darf mit