G 25 20 seiner „lumbu“, keine Frau mit ihrem „lumbu“ die Ehe eingehen, und wären sie nach unseren Anschauungen auch nur entfernte Vettern und Basen. Es ist dasselbe, nur mit anderen Worten ausgedrückt, wenn es bei den Hehe heißt, man darf nur aus einem anderen Clan („mulonge“) oder bei einem anderen Totem („mnutsilo“) hei- raten, denn es kommt vor, daß zwei Clane den- selbten Namen bei verschiedenem Totem oder das- selbe Totem bei verschiedenem Namen führen; es ist dasselbe, wenn bei den Swaheli nur die Vetternschaft („utani“) unter den Verwandten zur Ehe schreiten kann; es ist dasselbe, wenn bei den Saramo die Vorschrift so formuliert wird: „wir erlauben zu heiraten einen Abkömmling der „sekulu““, denn nur Abkömmlinge von Vaters- mutter oder Muttersvater sind „mitani“ „ver- vettert“. Auch im Falle der unwissentlichen Übertretung dieses Eheverbots — eine wissentliche wurde mir stets als undenkbar bezeichnet — habe ich keine weltliche Strafandrohung ermitteln können; es hieß dann, die „Blutschänder“ würden in schwere Krankheit fallen, etwa so gezeugte Kinder würden früh sterben. Bei den Swaheli, die generations- lang vom Mohammedanismus beeinflußt sind, soll dieses Eheverbot nicht mehr streng gehalten werden; von den Hehe ist mir jedoch bekannt, daß getaufte Christen nicht davon abzubringen waren. Das Gebiet des Erb= und Schuldrechts hängt gleichfalls eng mit dem totemistischen Clan- wesen zusammen. Bei den Saramo hat früher, d. h. in vormohammedanischer Zeit, der Neffe „mwihwa“ von seinem Mutterbruder „mtumba“ zu gleichen Teilen mit dessen Kindern geerbt, und zu Lebzeiten dieses Onkels war er, nicht der leib- liche Sohn, bei Verschuldung verpflichtet, als Pfandarbeiter einzutreten. Ich bin in diese ver- wickelten und wahrscheinlich auch bei den drei Formen der Totemfolge verschiedenen Rechtsver- hältnisse nicht tiefer eingedrungen. Aber ich ver- mute, daß sie uns Europäern verständlicher würden, wenn wir das uns geläufige Individualrecht nicht überall voraussetzten, sondern dem Clan-Genossen- schaftsrecht nachspürten, das Sachen= und Erbrecht, wahrscheinlich auch Blutrache und Blutsbrüderschaft, manchmal auch Thronfolge und Kriegsgefolgschaft wird erklären können; denn dem Eingeborenen find seine Grundauffassungen vom Clanwesen so selbstverständlich, daß er in seiner Naivität nicht begreift, wie es anders sein könnte, und erst recht nicht begreift, wie der ihm so vielfach geistig über- legene Europäer die „einfachsten Dinge“ wie „’ndugu“ und „lumbu“ verwechselt und ihn gar veranlassen will, sich über „heilige Verpflichtungen“ gegenüber Totem und Clan hinwegzusetzen. Die Beschäftigung mit solchen völkerpsycholo- gischen Erscheinungen, wie es Totem und Clan- verwandtschaft (ebenso Zauberwesen, Ahnenkult, Fetischismus usw.) sind, ist keine unfruchtbare Spielerei. Derartige Studien sind mindestens Erleichterungen, wenn nicht Erfordernisse für Missionsarbeit, für Rechtsprechung unter Einge- borenen, für ärztliche Tätigkeit, für jede Art von Kolonialpraxis, die sich nicht nur auf materielle Macht, sondern auf ideelle Imponderabilien, auf Vertrauen und geistiges Beherrschen stützen will. In diesem Sinne sollen diese Ausführungen, die keine erschöpfende Darstellung des großen Themas bieten können, Anregungen zu weiteren Forschungen und zu ihrer praktischen Nutzbar- machung sein. Der Tod des Sultans Risabo. Der bejahrte Sultan Kisabo von Urundi hatte dem Verwalter der Residentur Urundi mit- geteilt, daß er dem Residenten einen Besuch ab- statten wolle. Krankheitshalber konnte er aber zunächst nicht kommen. Dann ließ er sagen, er könne jetzt überhaupt nicht kommen, die Sonne sei zu heiß usw. Hauptmann Fonck ließ ihm sagen, es wäre ihm lieb, wenn er käme, er würde sich sehr freuen, ihn zu sehen, es hätte aber keine Eile und er solle nur warten, bis er wieder gesund sei. Gleichzeitig schickte er ihm einige Nummern einer illustrierten Zeitschrift und einen mit vielen großen Abbildungen aller möglichen Gegen- stände versehenen — Katalog einer Stahlwaren- handlung. Diese Sendung hatte den unerwarteten Erfolg, daß sich Kisabo alsbald auf die Reise machte und dem Hauptmann Fonck durch voraus- gesandte Boten sagen ließ: Er käme schnell, er hätte große Angst, denn in dem „Buche“ (dem Katalog) seien viele Messer abgebildet; es schiene ihm daher, als ob Hauptmann Fonck ihn be- kriegen wolle, er käme also umgehend, trotzdem er krank sei. Einen Tagemarsch von Usumbura wollte er dann wieder umkehren, da er erstens wirklich krank war und dann auch wohl sehr besorgt um sein Leben gewesen sein muß. Fonck beruhigte ihn aber und er kam. Am 20. August traf Kisabo mit vielen seiner stattlichen Söhne und einer Menge festlich ge- schmückter Leute in Usumbura ein. Er lag auf einer Tragbahre und war derart schwach und erregt, daß der Resident besorgte, er würde in seinem Zimmer sterben. Der ganze Besuch verlief nun unter vielen Ruhepausen und dauerndem freundlichen Zureden völlig zufriedenstellend. Kisabo war außerstande, sich zu erheben und blieb in einer Decke ein-