W 114 20 Recht jedes Farmeigentümers, Eingeborene zu kontrollieren, die sich auf seinem Grund und Boden aufhalten. Größere Schwierigkeiten macht die Einrich- tung von Reservoten. Ein solches existiert bei der Gouvernementsfarm in Neudamm, ist aber von Eingeborenen bisher nicht bezogen. Reservate an sich bilden das Rehobother Gebiet und das Bethanier Gebiet. Im Osten von Keet- manshoop existieren größere Eingeborenen-Reser- vate, und die Hottentotten sind in der Nähe von Warmbad bekanntlich auf sehr großen Flächen interniert. Die Regierung wird weitere größere Flächen in Reserve halten müssen. Die weiße Bevölkerung befürchtet, daß die Reservate sich als Brutherde neuer Aufstände erweisen könnten. Dem wird durch eine geeignete Organisation und polizeiliche Bewachung abzuhelfen sein. Ferner befürchtet die weiße Bevölkerung durch die Reser- vate eine Verminderung ihrer Arbeiter, der die absolute Mittellosigkeit der Eingeborenen zur Zeit aber durchaus entgegenwirken wird. Sie sind in der Tat nicht in der Lage, sich auf Reservaten zu ernähren. Wenn auch hiermit sehr langsam vorgegangen wird und der Arbeiterabzug nach Reservaten keineswegs encouragiert werden darf, so wird doch nach und nach im Schutzgebiet auch die üUberzeugung durchgreifen, daß der gegenwärtige Zustand keineswegs ungefährlich ist, daß in den zahlreich heranwachsenden Halb- weißen, die von der weißen Bevölkerung aus- gestoßen sind und sich den Schwarzen über- legen fühlen, ein gefährliches Zwischenglied vor- handen ist, und daß gegen die Unmöglichkeit, eine eigene Existenz zu gründen, ein Sicherungs- Ventil geschaffen werden muß, wenn bei einer stärkeren Vermehrung der schwarzen Bevölkerung gefährliche Konvulsionen verhindert werden sollen. Ich bin aber der Ansicht, daß bei verständiger Be- handlung die Leute auch gern auf den Farmen bleiben werden und unzuträgliche Herren bei der großen Konkurrenz um Arbeiter unschwer mit besseren vertauschen können. Der Schwarze in Südwestafrika, mit Ausnahme der Hottentotten, wünscht eine Autorität über sich, die ihn dirigiert und leitet, und es liegt im eigenen Interesse der weißen Bevölkerung, ein verständiges Verhältnis herzustellen und zu erhalten. Die Stellung des Gouvernements ist hier eine schwierige; es wird nach Kräften bemüht sein, die gegenwärtige Ent- wicklung nicht zu stören. Es muß aber im Interesse der großen, noch unverkauften Land- flüächen und der für eine finanzielle Entwicklung des Schutzgebietes nötigen stärkeren Besiedlung auch dafür sorgen, daß die Zukunft nicht kom- promittiert wird. Da die Siedler Südwestafrikas, im Gegensatz zu anderen Kolonien, in dem Lande ihre dauernde Heimat und eine Wohnstätte für Kinder und Kindeskinder suchen, demnach für die Ausgleichung der Einzelinteressen mit den Interessen der Entwicklung des Schutzgebietes als eines Ganzen Sinn haben, so wird eine sorgfältige Behandlung dieser schwierigsten aller Fragen mit der Zeit sicherlich auch zu einer befriedigenden Lösung führen. Ein gewisser Zuzug von Arbeitern wird in erhöhtem Maße aus dem Ovambolande kommen, sobald die Residentur dort eingerichtet ist. Die Ovambo, welche ich gesehen habe, sind allerdings ziemlich rohe und ungeschickte Arbeiter und den Herero und den im Dienste der Weißen gewöhnten Namaleuten in bezug auf Intelligenz und Ar- beitsfähigkeit unterlegen. Für die Küstenorte wird der Zuzug von Kapboys in Frage kommen, die für den Farmbetrieb allerdings zu teuer sind. Die Hottentotten des Südens gewöhnen sich lang- sam an den Bahnbau und an eine regelmäßige Beschäftigung; sie wird allerdings ihrem wilden und ungezähmten Temperament offenbar äußerst schwer. Ich gehe jetzt auf die weiße Bevölkerung und ihre Wünsche über. Bei ihrer Beurteilung wird man sich vor Augen halten müssen, daß der Deutsche, welcher nach Südwestafrika zieht, vielerlei aufgibt, was in der Heimat als ein selbstverständliches Gut angesehen wird. Vielfach fehlt die Familie. Der Zuzug weißer Frauen ist äußerst erwünscht, aber doch nur da möglich, wo eine entsprechende Eristenzbasis vorhanden ist. Gesinnungsgenossen und Freunde sind selten. Der Kampf um das eigene Interesse steht meistens im Zentrum der Gedanken, weil staatliche Rechte und die Beteiligung an der Gestaltung des Gemeinwohls nur in geringem Maße existieren. Was in der Heimat erfrischt und belebt, ein geistiger Verkehr, Bildungsan- stalten, wie Theater und Konzerte, Erbauungs- möglichkeiten, eine regelmäßige Seelsorge, fehlt dort ganz. Der einzige Ort, in dem ein Aus- tausch der Interessen und Empfindungen statt- finden kann, ist oft nur das Wirtshaus. Für diese Dinge bietet die Freiheit der Bewegung, das Recht und die Möglichkeit größerer Selb- ständigkeit, das Leben in der Natur, einen ge- wissen, aber nicht vollwertigen Ersatz. In wolchem Umfange dieser Satz wahr ist, beweist der enorme Alkoholkonsum im Lande, der bei hoöchstens 10 000 Weißen, vielleicht 7000 Männern, ab- gesehen von allen Spirituosen und Weinen, im Jahre 1907 35000 hl Bier ausmacht. Zum Ver- gleich möchte ich bemerken, daß auf der großen Münchener Ausstellung im vorigen Jahre bei ungefähr 1 000 000 Besuchern nur 8600 bhl Bier ausgeschänkt worden sind. Im Jahre 1907 sind in das Schutzgebiet alkoholhaltige Getränke im