G 159 20 In Karasgari wohnte eine Hottentottenfamilie (fünf Männer, drei Weiber und einige Kinder). Sie hatten ungefähr 80 Bockies und einige Kühe. Mit dem Kapitän Bolew wurde ich bald handels- einig; er verkaufte mir ein Fettschwanzschaf gegen Kaffee, Tee, Tabak und Streichhölzer. Nun kam aber die größte Schwierigkeit: das Holen des Schafes. Bolew war nicht dazu zu bewegen, es herüberzubringen. So blieb mir nichts anderes übrig, als mit dem Gefreiten Kramer hinüber- zuschwimmen. Der Oranje ist doch reißender, als man glaubt; wir machten außerdem den Fehler, direkt hinüberzuschwimmen, anstatt erst etwas flußaufwärts zu gehen und uns durch die Strömung treiben zu lassen. Die Hottentotten find hierin praktischer; sie legen sich auf Baum- stämme und schwimmen, so mit Händen und Füßen rudernd, über den Fluß. Die beiden Söhne des Kapitäns brachten uns, auf Baumstämmen schwimmend, Milch herüber. Nachmittags ritten wir weiter und hatten einige derartig schwierige Klippenstellen zu über- winden, daß wir nicht, wie ich zuerst hoffte, bis zur Cornelius-Schlucht vorkamen, sondern bei Sonnenuntergang ungefähr 8 km davor Halt machen mußten. Eine dieser Klippenstellen, die wir bei dem damals niedrigen Wasserstande des Oranje überschreiten konnten, ist vermutlich bei Hochwasser unwegsam. Wir stießen jetzt auf frische Ochsen= und Bockiespuren, die Oranje-abwärts führten. Nach kurzer Zeit sahen wir auf englischer Seite wieder eine Werft, deren Bewohner jedoch auf unser Rufen nicht ans Ufer kamen, sondern ihr Vieh vom Oranje fort in die Schluchten hinauftrieben. Vereinzelte Spuren führten hier durch den Oranje, während die übrigen weiter flußabwärts gingen. Jenes Vieh hatte sich natürlich an der schönen grünen Weide ergötzt, so daß wir erst nach langem Suchen eine noch einigermaßen gute Weidestelle fanden. Am nächsten Morgen hatten wir das Unglück, daß zwei Kamele an einer schwierigen Klippen- stelle stürzten und daß die Sättel brachen. Kramer entpuppte sich jetzt als Kunsttischler. An Handwerkszeug hatten wir nur Hammer und Zange mit, aber schon nach einer Stunde waren die Sättel wieder in Ordnung, so daß wir weiter- reiten konnten. Wir kamen nun durch mehrere dichte Gestrüpp- stellen, die uns sehr aufhielten. Besonders kurz vor der Cornelius-Schlucht wurde das Gestrüpp so dicht, daß wir ganze Bäume kappen mußten, um einen Weg für die Kamele zu schaffen. Erst gegen Mittag waren wir an der Cornelius= Schlucht. Auf englischem Ufer, am Kareb-Revier, gegenüber der Cornelius-Schlucht, war wieder eine Werft, die aber ebenfalls bei unserem Heran- nahen ihr Vieh in die Schlucht hinauftrieb. Die Strecke von hier bis zum Fischfluß bot weniger Schwierigkeit, da die Berge etwas weiter zurücktraten, so daß wir außerhalb des Oranje- gebüsches reiten konnten. Vor dem Uberschreiten des Fischfluß-Reviers war mir etwas bange. Im August 1907, also zwei Monate vor unserer jetzigen Patronille, war ich mit Leutnant Frhr. Hiller v. Gaertringen von Trothas Grab den Fisch- fluß abwärts bis zum Oranje geritten. Damals strömte der Fischfluß im ganzen Lauf bis auf 1 km an den Oranje herau. Dann versickerte er im Schlamm, durch den wir mit unseren Pferden nur mit Mühe hindurchkamen. Die großen, schweren Kamele wären wohl steckenge- blieben. Jetzt hatte die Sonne den Schlamm zu tiefem Sande ausgedörrt, unter dem sich eine noch feuchte Schlammschicht befand. Wir führten zuerst die Maultiere hinüber und trieben dann die Kamele einzeln so schnell als möglich durch das 100 m breite Revier. Durch das schnelle Treiben wurde ein zu tiefes Einfinken der Tiere verhindert. Der Fischfluß schlängelt sich vom Grabe des Leutnants v. Trotha bis zum Oranje in ständigen Windungen durch 200 bis 400 m hohe Bergzüge. Von Osten führen zwei Zugänge in den Fluß: die Pad Kanibes— Kochas und die beiden Pads Kanibes—Klein-Aiais und Gaibes— Klein-Aiais. Die beiden letzteren vereinigen sich 15 km vor dem Fischfluß. Das Gelände zu beiden Seiten des Flusses ist für Fahrzeuge unwegsam. Bis Groß-Aiais hat der Fluß allgemein südliche Rich- tung, von dort allgemein westliche, bis er 2 km vor dem Oranje nach Süden abbiegt und in das „Große Revier"“ mündet. Groß= und Klein-Aiais besitzen warme Quellen, die heilwirkend wie Aachen und Wiesbaden sein sollen. Die Gräber nördlich Kochas (v. Trotha), bei Keidorus, Klein- Aiais und südlich der Konkipmündung erinnern an die schweren Gefechte während der Fischfluß- expedition im Jahre 1905. An der Fischflußmündung ist der Oranje un- gefähr 200 m breit und umfließt zwei größere, dichtbewachsene Inseln; aus ihrem Dickicht ertönt das Gekreisch der kleinen Oranjeaffen, das Gackern der wilden Enten und Gänse und einer unseren deutschen Fasanen sehr ähnlichen Vogelart. Auch eine Flußpferdspur fand sich hier vor. Das Vorhandensein von Flußpferden im Oranje wird vielfach bezweifelt. Ich halte deren Vor- handensein im Oranje für erwiesen. Denn einmal habe ich, wie gesagt, die Spur selbst gesehen. Zwei breite Eindrücke, die ungefähr ½ m von- einander entfernt waren, führten aus dem Oranje im Schlamme den Fischfluß aufwärts. Der Durch-