W 279 20 Dr. Krämer, der in Begleitung seiner Frau mit der nach dem Norden Neu-Mecklenburgs ge- fahrenen „Langeoog"“ über Namatanai südwärts fuhr, nahm in Muliama die Arbeiten Stephans auf, die sich besonders auf die Sprache erstreckt hatten, nachdem die mühsame und zeitraubende Ordnung der Papiere erfolgt war. Trotz des großen Fleißes, mit dem der Dahingegangene seine zahlreichen Aufnahmen gemacht harte, wurde zum Vergleich ein zweites Vokabular aufgenommen, wobei viele weitere Einzelheiten zutage kamen. Es gelang, zwei neue geheime Feste ausfindig zu machen, eines, Malerra genannt, bei Ausführung der Narbentatauierung (Rot) mit Tanzschmuck ausgeführt, das andere auf den Ramär-Plätzen abgehalten, wenn die Einführung der Jünglinge in den Männerbund geschieht und sie von Dä- monen (Rinit) besessen werden. Dann tönen die Schwirrhölzer viele Kilometer weit durch den Wald, die Graspfeifen lassen ihre schrillen Pfiffe ertönen, so daß die Weiber sich geängstigt vor dem Brüllen des Geistes in ihre Häuser ver- schließen. Dann sind die Männer sicher, nicht gesehen zu werden und halten unbehelligt ihr Schweineessen ab, von dem die Frauen nur wenig abbekommen. „Wir belügen die Weiber“ sagen lachend die Eingeborenen. Ferner gelang es, den Totemismus in der Hauptsache in seinen großen und kleinen Ab- teilungen festzulegen. Muliama ist der Name einer ehemaligen großen Dorfschaft, die nicht weit vom Landungs- platz, der nach Dorf und Fluß bei den Ein- geborenen Kambitengteng heißt, gelegen war. Vor ungefähr 50 Jahren (es leben heute noch Greise als Augenzeugen) gab es viele solcher großen Dörfer, die aber der steten Fehden halber nicht wie heute am Strande, sondern einige hun- dert Schritte landeinwärts auf einer Korallen= kalkstufe von 20 bis 50 m Höhe lagen. Als die Zeiten sicherer wurden, zogen die Eingeborenen an den Strand und gründeten die heutigen Dorf- schaften (von N nach S) Kömbon, Scêna, Varan- kansan, Piglinbui, Kambitengteng, Varanät, Tam, Kambamba, Maron, Uilo neben einer Anzahl ausgestorbener Plätze. Über die Ursachen der Abnahme der Bevölkerung werden spystematische Untersuchungen angestellt, die eine zufrieden- stellende Erklärung versprechen. Es handelt sich um ein buntes Gemisch von Einwirkungen ver- schiedener Art auf die soziologische Organisation des Eingeborenenstaates, so daß eine Abhilfe in Anbetracht der vorgeschrittenen Auflösung in Muliama zweifelhaft erscheint. Diese alten Buschdörfer nahe der Küste hatten aber nichts zu tun mit den in den früheren Be- richten erwähnten Dörfern der Lagét oder Butam (Lagett heißt „Wald"“,), die in zahlreichen Märschen neu besucht wurden, wobei Dr. Schlag- inhaufen die stattgehabten Veränderungen fest- zustellen vermochte und daneben zahlreiche anthro- pologische Messungen machte. Die fan Butam haben ein anderes, merkwürdigerweise den poly- nefischen Sprachen in vielen Wörtern näherstehendes Idiom als die fanü tinakén „Leute der Küste". Eines der besuchten Bergdörfer lag 420 m hoch. Dem Photographen Schilling, der eine Reihe vorzüglicher Typenaufnahmen herstellte, lag es ob, die großen Sammlungen von Anir und Tangga zu verpacken. Die Verschläge erreichten eine solche Größe, daß der Bau eines riesigen Bambusfloßes notwendig wurde, um die Stücke bei Ankunft eines Dampfers rasch verladen zu können. Das Floß bildet die Freude der Ein- geborenen, die sich leider zu solchen Taten nicht mehr aufzuschwingen vermögen. Selbst die schönen Mon-Boote bauen fsie nicht mehr in Muliama, seit der Verkehr zu Lande friedlich stattfinden kann. Auf Anordnung der Kaiserlichen Station in Namatanai ist neuerdings ein öffentlicher Weg längs der Küste weit nach Süden angelegt worden, und der Hafen von Muliama, vor Jahresfrist noch unbekannt, ist nun auch auf dem Landwege von Norden aus leicht erreichbar. Da er der einzige gute Hafen an der ganzen Ostküste ist, wird er nun auch oft von zahlreichen kleinen Dampfern und Segelbooten angelaufen, zumal da an der Hand von Überlieferungen auch mehrere Quellen in der Nähe des Landungs- platzes entdeckt wurden, die bestes Trinkwasser in reichlichem Maße spenden. Die landschaftliche Schönheit der Bucht von Sena, an deren Ost- ecke Kambitengteng liegt (zugleich Station und Hafen), die selten großartige Pracht des Urwaldes mit seinen bunten Nashornvögeln, Tauben und Kängerus, das einzigartige Bad unter Waldbäumen im Strudel der Sinterterrassen des Kambiteng- tengbaches werden ihre Wirkung auf die See- fahrer nicht verfehlen. Es ist ein Verdienst der Marine-Expedition, im besonderen des leider so früh auf dem Felde der Wissenschaft gefallenen Marine-Stabsarztes Dr. Stephan, diesen Platz wissenschaftlich und wirtschaftlich der Welt erschlossen zu haben; sein Name wird auf immer mit diesem Platze ver- knüpft sein. Durch ein Aufgebot von Polizeisoldaten und freundlichen Verkehr mit den Eingeborenen ist die früher recht unsichere Landschaft rasch pazifiziert worden. Wie das Vertrauen der Eingeborenen gewachsen ist, ersieht man daraus, daß auch im letzten Monat mehrere Streitfälle unter den Ein- geborenen vor den Expeditionsleiter gebracht und daß die Vergleichsvorschläge stets willig und gern