462 ꝛ mitnehmen; dieser Befehl ist aber wahrscheinlich von vielen nicht befolgt worden. 8 km vom Lager wurde die Abteilung vor- mittags auf einer Lichtung beschossen. Sie er- widerte das Feuer sofort und wehrte im Viereck zunächst alle Angriffe ab. Eine Attacke, die der Dragoner-Zug in den Busch hinein zu reiten versuchte, scheiterte völlig, zumal sich die Maul- tiere dazu als ganz ungeeignet erwiesen. Die beiden Geschütze kamen kaum zum Schuß, da die Munition nicht paßte. Auch ein Vorstoß der Mannschaften des Strafbataillons konnte der von beiden Flanken umfaßten Abteilung keine Luft schaffen. Die ungenügend ausgebildeten und an keine Feuerdisziplin gewöhnten Truppen ver- schossen ihre Patronen leichtfertig. Daher trat schon nach etwa anderthalbstündigem Gefecht Munitionsmangel ein, und der Führer befahl den Rückzug. Dieser Befehl führte zu völliger Auflösung des Vierecks, in das der Gegner ein- drang; mit Speer und Keule machte er die Hälfte der Abteilung nieder. Der Rest rettete sich in regelloser Flucht und erreichte mittags wieder das Lager. Dort hatte Hauptmann Aguiar das Schießen gehört. Er hielt aber eine Gefahr für aus- geschlossen und glaubte an einen Sieg, als das Feuer langsam verstummte. Ein Versuch, zu er- fahren, was vorgehe, ist anscheinend überhaupt nicht gemacht worden. Die ankommenden Flücht- linge brachten die erste Nachricht über das Gefecht und seinen Ausgang. Zetzt brach eine völlige Panik aus. Das Lager wurde sofort abgebrochen und man ging auf das rechte Kunene-Ufer zurück. Mit dieser Niederlage fanden die Unter- nehmungen des Jahres 1904 ihr Ende. Von 1000 Mann, die den Kunene überschritten hatten, waren 259 tot und 50 verwundet. 200 hatten sich zwar der Katastrophe durch die Flucht ent- zogen, waren jedoch in ihrem moralischen Halt so erschüttert, daß an eine Verwendung zunächst nicht wieder gedacht werden konnte. Der Rest von 500 Mann aber war bisher nicht ins Gefecht gekommen; weitere 500 Mann standen westlich des Kunene verteilt, und eine Reserve von 700 Mann war in der Bildung begriffen. Es könnte daher auffallend erscheinen, daß jetzt schon auf jede weitere Unternehmung verzichtet wurde, aber es war doch wohl das Richtige. Die an und für sich nur lose gefügten Truppenkörper hatten durch die Niederlage alle Zuversicht ver- loren, und die neu angeworbenen Angola-Truppen liefen teilweise einfach auseinander. An eine sofortige Wiederaufnahme der Operationen war also nicht zu denken, und Ende Oktober hörte aus klimatischen Rücksichten die Möglichkeit auf, weiße Truppen zu verwenden. So war man zufrieden, vom Gegner in Ruhe gelassen zu werden. Tatsächlich gingen die Ovambos auch nicht zum Angriff über. Sie begnügten sich mit dem erreichten Erfolge. Zwei Geschütze und etwa 400 Gewehre sollen ihnen beim Kampfe in die Hände gefallen sein und angeblich noch weitere Gewehre und zahlreiche Munition, die auf stehen- gebliebenen Wagen verpackt waren. Moralisch und materiell waren sie gestärkt für neuen Wider- stand. Die Portugiesen haben aus diesen Ereignissen die richtige Lehre gezogen, daß man koloniale Unternehmungen nicht überstürzen darf, sondern daß gründliche Vorbereitung nötig ist, auch wenn dadurch zunächst scheinbar Zeit verloren wird. Nach diesen Erfahrungen haben sie seitdem ge- handelt, und sie wären so wohl schon 1905 zu einem entscheidenden Erfolge gekommen, wenn nicht Geldmangel und innerpolitische Verhältnisse immer wieder hemmend in den Weg getreten wären. Den Gedanken, bis zum Frühjahr 1905 be- deutende Verstärkungen, 4000 bis 5000 Mann, aus der Heimat heranzuziehen, ließ man bald wieder fallen. Die Hereros waren inzwischen niedergeworfen, die Masse der deutschen Truppen war zum Hottentotten-Feldzuge abgezogen, und damit hatte die Ovambofrage ihre Dringlichkeit verloren. Man ließ sich Zeit zu neuem Vor- gehen und war vorübergehend wohl sogar geneigt, ganz darauf zu verzichten. Hauptmann Rocadas vom Generalstabe wurde zum Gouverneur des Distriktes Huilla ernannt. Der spätere Erfolg hat bewiesen, daß man den richtigen Mann gewählt hatte. Er zeigte sich den vielseitigen und schwierigen Aufgaben, die an ihn herantraten, durchaus gewachsen, und wohl ihm in erster Linie ist es zu danken, daß die Offensive schließlich überhaupt wieder aufgenommen wurde. Zunächst hatte die Niederlage eine Zunahme der allgemeinen Unsicherheit auch auf dem rechten Kunene-Ufer und bis gegen Lubango hin zur Folge gehabt. Die 16. Eingeborenen-Kompagnie wurde im März 1905 bei Gambos überfallen, floh in gänzlicher Auflösung und ließ zahlreiche Waffen in Händen des Feindes. Im August kam es am oberen Kunene bei Kakonda zu einem anderen Zusammenstoß mit plündernden Horden. Die Wiederherstellung der Sicherheit auf dem rechten Kunene-Ufer bildete somit die erste Auf- gabe. Erst nachdem auf diese Weise das Etappen- gebiet gesichert war, wollte Hauptmann Rocadas erneut gegen die Ovambos vorgehen.