W 495 20 zehntägiger Wanderung (einschließlich eines Rast- tages in Namatanai) wurde der Grenzfluß Ké- nomo erreicht, der den Süd= vom Nordbezirk Kävieng scheidet. Kaum 10 km von diesem nördlich liegt das schön gelegene Rasthaus von Lamasong, das der Stationschef Boluminski der Expedition zur Verfügung gestellt hatte. Hat der Süden noch viel von seiner ursprünglichen Wildheit, so gleicht der Norden schon mehr aleerschlossenem Kolonialgebiet, obwohl die Station Käviêng erst seit dem Anfang dieses Jahrhunderts datiert. Eine breite, fast ebene Straße führt 150 km weit nach dem Regierungssitz an der Nordspitze der Infel, nahezu alle 10 km lädt ein großes Rasthaus zum Bleiben ein, und starke Brücken ermöglichen den Verkehr mit Pferd und Wagen. Wenn man noch bedenkt, daß zahlreiche gewinnbringende Pflan- zungsunternehmungen an der Straße liegen und daß der Bezirk nahezu 200000 Mark Steuern aufbringt, so wird man erkennen, wie viel das Land der Tüchtigkeit Boluminskis verdankt. Der Marsch Krämers von Muliama nach Lamasong diente hauptsächlich der Förderung der ethnographischen Siedelungskenntnis, die noch recht im argen liegt, da nur die größeren Dorf- schaften durch die Vermessung des leider zu früh verstorbenen Landmessers Behrendt bekannt ge- worden find. Diese Angaben wurden vervoll- ständigt und ergänzt. Die Vermessung des ge- nannten Bermessers reicht südlich bis zum Kap Matantämberan, der Mitte zwischen Namatanai und Muliama. Westlich vom Kap liegt die von der „Elisabeth“ vermessene, nur durch ein Riff geschützte Elisabethbucht. Das hufeisenförmige isolierte Riff trägt jetzt eine grüne Schuttinsel. Die Leute der Fregatte „Elisabeth“ ahnten noch nicht, daß östlich von genanntem Kap, da, wo die deutsche Admiralitätskarte Nr. 214 eine kleine Insel andeutet, ein nordwärts durch eine Land- bucht und ostwärts durch ein Riff abgeschlossener schöner Hafen liegt, größer und besser geschützt als der von Muliama. Behrendts Karte, die noch nicht veröffentlicht ist, schließt mit ihm ab; seine Bedeutung war aber bislang noch unbe- kannt. Er wurde von der Expedition nach dem daran gelegenen Dorfe Porpop benannt. Die „Langeoog"““ war am 18. Dezember nach Muliama gekommen. Die Riesenkisten wurden auf dem Bambusfloß verladen, sowie das Expe- ditionsgepäck eingeschifft, um es nach Lamasong zu bringen. Schilling besorgte den Umzug. Walden war schon seit einem Monat am Platze tätig, hatte die Sprache ausgenommen und Dol- metscher ausgebildet, so daß die Arbeiten sofort begonnen werden konnten. Anfang Januar be- nutzte indessen Walden ein kleines passierendes Boot, um nach der Insel Tabär (Gardnerinsel) zurückzukehren, wo er zuvor nur zwei Wochen ge- wesen war. Ihm liegt das ganze Gebiet nörd- lich von Lamasong ob, zu dem ethnographisch die genannte Insel rechnet, und das sich durch die bekannten prächtig geschnitzten Malanggän-Figuren auszeichnet. Bei Lamasong beginnt das Gebiet der Uli-Figuren. Es ist begründete Hoffnung vor- handen, daß eine große Anzahl dieser bizarren Schnitzereien als sprechende Zeugen des Kunst- lebens der Eingeborenen erworben werden können. Dr. Schlaginhaufen kam am 21. Januar — nach fünfwöchigem Anfenthalt auf der Insel — von Lir zurück. Leider hatte ihm die auf den vorgelagerten Inseln besonders nasse Jahreszeit zugesetzt, so daß er an Ruhr erkrankt war, die sich aber nach seiner Ankunft in Lamasong unter ärztlicher Pflege und Diät rasch besserte. Schilling lag längere Zeit mit einem heftigen Gelenkrheu- matismus, von dem er aber auch völlig wieder hergestellt ist. Die stets wechselnde Temperatur, Tags über 30° C, nachts oft fast nur 209, mahnt zu großer Vorsicht. Malaria wurde noch nicht beobachtet, ist aber zweifellos vorhanden. Schlaginhaufen wohnte in Leo, einem Dorfe an der Südspitze der großen Insel Lir, nach welcher die ganze Gruppe benannt ist. Er stellte die Landschaften und Siedelungen fest und sammelte zahlreiche überaus interessante Stücke, welche die Zugehbrigkeit zu den Teilen der Hauptinsel dar- tun, die nördlich von Muliama liegen. Während Anir und Tängga keine Auslegerboote, sondern nur Plankenboote haben, besitzt Lir erstere in oft monströser Form. Ebenso besitzt Lir die Ein- steigegabel in die Tabuplätze der Männer, die dem südlichen Gebiet fehlt. Ferner wurden in den Hohlkehlen des gehobenen Kalkes ganze Siedelungen beobachtet; nicht allein abgeschottete Schlafstätten, sondern ganze Häuser mit und ohne Dach wurden unter den überhängenden Steinbalko- nen angetroffen. Endlich brachte Schlaginhaufen einige Waschbeckenformen aus Lava mit Pistillen, erstere von den Eingeborenen als vom Himmel ge- fallene Sterne betrachtet. Anthropologische Messun- gen bilden nach wie vor eine der Hauptaufgaben. Schlaginhaufens Tätigkeit, Waldens Samm- lungen an Malanggän-Sachen, sowie seine lin- guistischen Aufzeichnungen sind hervorragend, so daß ein abgerundeter Abschluß der Expedition in einigen Monaten möglich ist. Endlich sei noch erwähnt, daß Kaisers Ge- burtstag unter großem Zulauf der Bevölkerung von Lamasong auf dem Grundstück des Expeditions- lagers, dem Rasthaus Tangätupi, gefeiert wurde. Es gelang dem Photographen Schilling, mehrere kinematographische Aufnahmen von Eingeborenen- tänzen zu machen. Ein großes Schweineessen vervollständigte die Feier.